In den Apotheken ein "Randsortiment"

Der deutsche Körperpflegemarkt


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Das Corona-Jahr 2020 hat einiges durcheinander gerüttelt. Selbst der an und für sich konjunkturstabile Körperpflegemarkt ist nicht unbeeinträchtigt geblieben. Angesichts der nach wie vor eher geringen Bedeutung der Apotheken liegt hier einiges Potenzial brach.

Zu Brutto-Endverbraucherpreisen lag der Umsatz mit Körperpflege- bzw. "Schönheitspflegemitteln" 2020 stabil bei 14,04 Mrd. € (–0,1%) oder rund 169 € pro Kopf der Bevölkerung. Netto ohne Mehrwertsteuer verbleiben so knapp 12 Mrd. €, die sich auf circa 4 Mrd. Packungen (durchschnittlicher Wert damit etwa 3 € netto) aufteilen. Zum Vergleich: Der gesamte Apothekenumsatz betrug hierzulande 2020 fast 67 Mrd. € zu Brutto-Verkaufspreisen oder 56,7 Mrd. € netto (+4,6%). Eine OTC-Arzneimittelpackung hatte zudem einen Netto-Verkaufswert von durchschnittlich knapp 8 €.

Die Aufteilung der einzelnen Körperpflege-Produktsegmente zeigt Abbildung 1.

Am bedeutendsten sind die Haarpflege sowie Haut- und Gesichtspflege, Bereiche, in denen die Apotheken traditionell aktiv sind.

Ähnlich die Zahnpflege: Ein Milliardenmarkt und ein klassisches Apotheken-Freiwahlsortiment, zudem selbst im Corona-Jahr stabil (+2,2%). Umstritten ist die dekorative Kosmetik, die Zahlen sprechen aber eine klare Sprache. Dieses Segment hat unter Pandemiebedingungen stark Federn gelassen (–12,7%). Seifen bzw. Syndets waren dagegen die Highflyer 2020, mit einem Plus von sagenhaften 77%.

Dies hat sogar in das hier nicht näher betrachtete Haushaltspflegemittel-Segment (vor allem sind das Wasch- und Reinigungsmittel) abgestrahlt, welches ein beachtliches Umsatzplus von 9,2% auf 5,25 Mrd. € brutto verbuchen konnte. Die restlichen Segmente, ob Düfte, Deos oder Rasierpflege, waren im deutlich einstelligen Prozentbereich rückläufig. Davon sind insbesondere Deos auch für die Apotheke von Bedeutung, gerade wenn es um eine hohe, evidenzbasierte Wirksamkeit geht.

Vertriebswege

Bei den Vertriebswegen (Abbildung 2) wird knapp die Hälfte des Marktes (49%) von den immer noch expandierenden Drogeriemärkten bestritten; sie konnten ihren Marktanteil halten.

Stark verloren (Umsatzrückgang um 9,5%) haben pandemiebedingt die Fachgeschäfte. Kaum überraschend standen Discounter und Supermärkte auf der Gewinnerseite (teils über 10% Plus). Ebenfalls nicht verwunderlich ist ein gut 16%iges Umsatzplus für die E-Commerce-Schiene. Sogar die Apotheken wurden in den Analysen der Gesellschaft für Konsumforschung im Auftrag des Industrieverbandes Körperpflege und Waschmittel e.V. als Gewinner (+4,6%) gesehen, allerdings von einem niedrig einstelligen Marktanteil um 4% ausgehend.

Nach einer Analyse von IQVIA (Consumer Health Report Apotheke) lassen sich indes rund 1,55 Mrd. € Umsatz brutto einschließlich Versandhandel für das Körperpflege- und Kosmetiksegment in den Apotheken errechnen, was einem Marktanteil von 11% entspräche. Nach der Publikation "Zahlen, Daten, Fakten" der ABDA sind es 0,96 Mrd. €, allerdings netto und ohne Versand. So viel zu den unterschiedlichen Datenquellen! Nichtsdestotrotz ist der Marktanteil der Apotheken im Grunde beschämend gering.

Damit stehen die Drogeriemärkte klar im Fokus. Die Märkte von Rossmann bewegen sich mittlerweile um 3, die von dm um 4 Mio. Euro Jahresumsatz je Filiale. Moderne, große Märkte erzielen teils deutlich höhere Werte und ziehen nicht selten mehr als 1.000 Kunden pro Tag an. Über ein Drittel ihres Geschäftes entfällt allein auf die Körperpflege im weiteren Sinne. Diese Eckdaten illustrieren die Bedeutung beim "Kampf um die Köpfe".

Strategische Betrachtungen

Bei der Körperpflege fällt vor allem die Breitenwirksamkeit auf. So wird im statistischen Schnitt rund ein Körperpflegeprodukt pro Woche und Kopf der Bevölkerung gekauft, ein OTC-Arzneimittel hingegen nur alle sechs bis sieben Wochen. So betrachtet ist es cleverer, hier anstelle von Arzneimitteln mit Discountpreisen zu arbeiten:

  • Körperpflegeprodukte sprechen breite Kundenkreise an. So braucht jeder z.B. Zahncreme. Bei OTC-Arzneimitteln schränkt sich der Kundenkreis dagegen viel weiter ein. Oft sind nur wenige Prozent oder gar nur einige Promille der Kunden überhaupt adressiert – es gibt eben sehr viele unterschiedliche Krankheiten und Gesundheitsprobleme!
  • Sie verbrennen keine großen Roherträge! Ob Sie nun an einer Zahnpastatube noch 1,00 € verdienen oder diese zum Kampfpreis weiterreichen, ist letztlich egal. Entscheidend ist, dass Sie Kunden gewinnen, idealerweise neue Kunden, die sich so ansprechen und anlocken lassen.
  • Sie vermeiden die Trivialisierung der Arzneimittel, indem Sie die Aktionsschwerpunkte umlenken. Zwar werden Sie um attraktive Angebote im Arzneimittelsegment nicht ganz herumkommen, doch Sie können sie wesentlich dosierter einsetzen, wenn Sie eine attraktive, andere "Marketing-Spielwiese" eröffnet haben.

Apotheken sind viel flexibler als Großkonzerne. Eine Beispielkalkulation zeigt Tabelle 1 anhand einer höherwertigen, bekannten Zahncreme. Trotz typischerweise höherer Einkaufspreise können Sie unter Inkaufnahme minimaler Margen die Konkurrenz noch spürbar unterbieten, weil Sie anders als Drogerien nicht von diesem Segment leben müssen.

Fazit

Mit Körperpflege-Produkten können Sie Ihre Apotheke als auch preislich konkurrenzfähig präsentieren, ohne hohe Risiken für Ihre Erträge einzugehen. Diese erwirtschaften Sie immer noch ganz überwiegend mit Arzneimitteln, die es insoweit bestmöglich vor Preiskämpfen zu schonen gilt. Zudem gilt es, die enormen Streuverluste beim Marketing zu minimieren – indem man u.a. möglichst viele Kunden anspricht.

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(18):4-4