Unübersehbare Trends

Die Abschaffung des klassischen Eigentums


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Wer einen Betrieb, Immobilien, ein Auto oder im Grunde selbst einen Rechner sein Eigen nennt, weiß: "Eigentum belastet!" Mal ist dies, mal das. Richtig zur Ruhe kommt man selten. Dummerweise vergällen politische, gesellschaftliche und interessanterweise technologische Entwicklungen die Freude am Eigentum in zunehmendem Maße. Das Diktum "Eigentum verpflichtet" wird auf immer kreativere Art in Realpolitik umgesetzt. Ob Mietendeckel, grotesk steigende Auflagen beim Bauen und Instandhalten, die (Über-)Technisierung auf allen Ebenen: Die Lasten steigen, die Lust schwindet. Mit "klassischem" Eigentum Rendite zu erwirtschaften, wird immer schwieriger. Allein schon seinen Besitz auf der Höhe der Zeit zu halten, wird laufend aufwendiger. Damit ist nicht nur Geld gemeint, sondern auch die kostbare Ressource Zeit.

Beispiele gefällig? Im Betriebsablauf am augenfälligsten ist das Computersystem. Einerseits heute (vor allem bürokratiebedingt!) vollkommen unverzichtbar, andererseits ist die Pflege und Instandhaltung eines Rechnersystems im Zeiten von "Cyberangriffen" und nach wie vor schnellen Innovationszyklen kaum mehr etwas für Laien oder nebenher zu erledigen. Immer klarer zutage tretende, juristische Fallstricke (Haltungsrisiken, Datenschutz etc.) verkomplizieren die Lage weiter. Deshalb hat hier schon längst die Stunde der Dienstleister geschlagen, mit kräftigen Monatspauschalen für "Wartung und Pflege". Da Rechner zudem im Wert schwinden wie Schnee an der Sonne, insoweit also kein rentables Investment sind, liegt der Gedanke an ein Vollleasing oder Mietmodell nahe. Dass da eine ganze Reihe Leute mitverdienen, die man in den guten alten EDV-Bastlerzeiten noch nicht brauchte, liegt auf der Hand. So verwundert es nicht, dass die Softwarebranche schon seit längerer Zeit auf "Nutzungsmodelle" umgestiegen ist. An vielen namhaften Programmen kann man gar kein Eigentum mehr erwerben, sondern nur noch strikt begrenzte Nutzungslizenzen gegen laufende Gebühren.

Bei den Autos bahnt sich Ähnliches an. Beflügelt durch die Tatsache, dass ein E-Auto wertmäßig maßgeblich durch den (alternden) Akku bestimmt wird, gehen erste Anbieter dazu über, entweder nur den Akku oder gleich das ganze Auto in einem Mietmodell (nicht Leasing wie bisher) anzubieten. Wartung, Versicherung, Pannendienst etc. gerne inklusive, also das Rundum-Sorglos-Paket zu strammen Monatsraten. Im Gefolge des Trends, dass Autos sich mehr und mehr über ihre Elektronik und Software definieren, ist dies nur eine logische Entwicklung. Die Endstufe ist beim "Driving on demand" erreicht: Man lässt sich den Wagen kommen, den man aktuell benötigt. Erste Ansätze gibt es hier schon. "Autonomes Fahren" setzt dem Ganzen dann nur noch die Krone auf. Autos werden dann nach Kilometerpreisen abgerechnet, aber nicht mehr im Eigentum des Nutzers gehalten.

Immobilien scheinen hier noch außen vor zu sein. Doch ist hier die Richtung gleichfalls erkennbar. Im Zuge der Klimapolitik, für wie erratisch man sie auch halten mag, werden Häuser mehr und mehr zu mit IT, Sensorik und Steuerungstechnik hochgerüsteten High-Tech-Konstrukten, bei welchen die eigentliche Bausubstanz immer weniger vom Wert ausmacht. Und die künstlich verknappten, stadtnahen Grundstücke möchte man ja am liebsten sowieso staatlich bewirtschaften. Somit werden wir bei den Immobilien, beginnend in innerstädtischen Lagen, eine ähnliche Entwicklung erleben wie bei den Autos geschildert.

Erst kommt die Stunde der zahlreichen Dienstleister für die ganzen Technik-Gimmicks, dann schlägt das Pendel zu den Generalanbietern, die alles aus einer Hand bieten. Nicht wenige heutige Eigentümer könnten bei grotesk in die Höhe getriebenen (Modernisierungs-)Auflagen zu einem "Sale-and-Lease-back"-Modell gezwungen sein. Sie würden also ihre Immobilie hergeben, um sie vorschriftengemäß instandgesetzt zurückmieten zu können. Illusion oder realitätsferne Dystopie? Wohl eher nicht! Denn kaum eleganter ließen sich so gewaltige Beträge umverteilen, wenn auch anders, als sich das die verschiedenen politischen "Umverteilungs-Verfechter" wohl heute noch denken.

Denn es bleibt die alte Frage: Cui bono? Und die alte Antwort: Regelhaft profitiert das intelligent wirtschaftende (Groß-)Kapital am meisten.

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(18):19-19