Vorläufige Steuerfestsetzungen

Finanzverwaltung reagiert auf Rentenurteile


Helmut Lehr

Kürzlich hat der Bundesfinanzhof darauf hingewiesen, dass die Altersversorgungsbezüge künftiger Rentenjahrgänge womöglich in unzulässiger Weise doppelt besteuert werden. Nach einer aktuellen Anweisung des Bundesfinanzministeriums ergehen die Steuerbescheide insoweit jetzt nur noch vorläufig.

Seit der Reform der Rentenbesteuerung mit Wirkung ab dem Jahr 2005 wird der Besteuerungsanteil der Alterseinkünfte schrittweise erhöht. Die obersten Steuerrichter beim Bundesfinanzhof (BFH) vertreten die Auffassung, dass sich daraus – je nach Einzelfall – zumindest für künftige Renteneintrittsjahrgänge eine unzulässige doppelte Besteuerung der Altersrente ergeben kann (vgl. hierzu AWA 14/21). Dabei muss, vereinfacht ausgedrückt, geprüft werden, ob der steuerpflichtige Teil der Rente auf Beitragszahlungen beruht, die aus bereits versteuertem Einkommen geleistet wurden.

Hinweis: Rein praktisch wird es nach derzeitiger Ausgangslage vielfach gar nicht ohne Weiteres möglich sein nachzuweisen, welche Teile der Rentenbeiträge in der Vergangenheit tatsächlich besteuert wurden. Dies hängt u.a. mit dem komplexen System des Sonderausgabenabzugs für Altersvorsorgebeiträge zusammen und damit, dass die Steuerbescheide für die Zeit des gesamten Rentenversicherungsverlaufs ("Erwerbsbiografie") nur selten vollständig vorhanden sein dürften.

Steuerbescheide bleiben offen

Da man jetzt seitens der Finanzverwaltung eine Flut von Einsprüchen erwartet, wurde nun zügig reagiert. Mit Schreiben vom 30.8.2021 (Aktenzeichen: IV A3–S 0338/19/10006 :001) hat das Bundesfinanzministerium die Finanzämter angewiesen, Einkommensteuerbescheide betreffend die Rentenbesteuerung im Hinblick auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit nur noch vorläufig zu erlassen.

Der Vorläufigkeitsvermerk soll sämtlichen (neuen) Steuerbescheiden für Zeiträume ab 2005 beigefügt werden, in denen eine Leibrente oder eine andere Leistung aus der sog. Basisaltersversorgung besteuert wird. Allerdings: Die Beweislast für eine etwaige Doppelbesteuerung liegt beim Steuerpflichtigen selbst. Deshalb enthalten künftige Einkommensteuerbescheide zugleich eine klarstellende Einschränkung (siehe "Wichtige Entscheidungen").

Hinweis: Was auf den ersten Blick harmlos aussieht, könnte in der Praxis dazu führen, dass etliche Steuerpflichtige eine tatsächlich vorliegende Doppelbesteuerung unterm Strich gar nicht beweisen können und deshalb mit ihrem Anliegen scheitern werden. Eine Prüfung von Amts wegen durch die Finanzämter (ohne Mitwirkung der betroffenen Steuerpflichtigen) ist nach Angabe des Bundesfinanzministeriums nicht möglich.

Was jetzt zu tun ist

Es besteht Hoffnung, dass der Gesetzgeber nochmals tätig wird und entlastende Renten-Besteuerungsregeln einführt. Das ist aber ungewiss. Deshalb sollten alle Erwerbstätigen, auch wenn sie bereits kurz vorm Renteneintritt stehen, vorsorglich damit beginnen, Beweise und Belege für ihre steuerliche Erwerbsbiografie zusammenzutragen. Auch (sehr) alte Steuerbescheide sollten nicht mehr vernichtet und die Daten zusätzlich gesichert werden.

Hinweis: Finanzämter bereinigen regelmäßig ihre Archive! Bitten Sie deshalb dort ggf. frühzeitig um Kopien der Steuerbescheide, sofern Sie diese selbst nicht mehr haben.

Wichtige Einschränkung

"Sollte nach einer künftigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesfinanzhofs dieser Steuerbescheid Ihrer Auffassung nach hinsichtlich der Besteuerung von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung nach § … zu Ihren Gunsten zu ändern sein, benötige ich weitere Unterlagen von Ihnen. Von Amts wegen kann ich Ihren Steuerbescheid nicht ändern, weil mir nicht alle erforderlichen Informationen vorliegen."

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(18):18-18