Relevantes trotz Informationsflut nicht verpassen

Wie Sie besser mit Texten umgehen


Wolfgang Schmitz

Die Verfügbarkeit von Wissen ist größer denn je und wächst exponentiell weiter. Mit den Chancen ergeben sich aber auch Belastungen, die es zu vermeiden gilt. Mit ein paar Tipps werden Ihre Arbeitsergebnisse besser und Sie damit produktiver und stressresistenter.

Es ist herausfordernd: Einerseits wollen und müssen wir viel wissen. Andererseits brauchen wir Zeit für Kunden, Mitarbeiter und letztlich auch für uns selbst mit unseren Familien. Irgendetwas bleibt immer auf der Strecke. Leider gibt es hier keinen Königsweg! Aber es geht besser, wenn man mehr über das Lesen weiß.

Lesen oder Nichtlesen?

Lesen oder Nichtlesen sind nicht die einzigen Optionen. Dabei lassen wir entweder das Falsche weg oder lenken unsere Aufmerksamkeit auf zu viele Themenfelder. Vor lauter Druck lesen wir dann oberflächlich und vergessen das meiste gleich wieder. Was wir nicht (sofort) schaffen, wandert auf den "Stapel des schlechten Gewissens", der uns Stress macht. "Wir dürsten nach Wissen und ertrinken in Informationen", sagt der Zukunftsforscher John Naisbitt. Doch so können die Wege aus aus diesem Dilemma aussehen:

  1. konsequenteres "Nein-Sagen" zu weniger relevanten Themen bzw. Texten,
  2. bessere Strategien im Umgang mit dem Informationsangebot,
  3. bessere Lesetechniken.

Zum "Nein-Sagen": Zu häufig rutschen wir in das Lesen von Texten hinein, die nur unsere aktuelle Neugier befriedigen. Vor lauter Hektik fangen wir schnell an zu lesen, anstatt vorab kurz inne zu halten, um uns die aktuelle Relevanz des Textes bewusst zu machen – und warum wir ihn gerade jetzt lesen sollten.

Das würde nicht nur dabei helfen, uns schneller von unbedeutenderen Texten zu trennen, sondern bereitet unser Gehirn auf die wichtigen Texte besser vor. Ein Lesen mit bewusstem Leseziel ist ungleich ergiebiger als ein ungesteuertes Reinstolpern in ein Thema. In der konkreten Umsetzung bedeutet das (nach der ersten Prüfung des Titels) ein kurzes Überfliegen des Textes, bei dem man einen groben Eindruck vom Inhalt gewinnt und dabei auch weniger relevante Passagen erkennt. Nach dieser "Vorausschau" ist das Lesen der wichtigen Textstellen leichter und nachhaltiger.

Tipp: "Weniger ist mehr", aber wir müssen uns die Zeit nehmen, das Relevante zu finden und erfolgreich zu bearbeiten!

Lesestrategien

"Lesestrategisch" wichtig ist ein selektives, an den eigenen Bedürfnissen orientiertes Vorgehen. Oft reicht die Vorausschau schon, um zu wissen, zu welchem Thema etwas veröffentlicht worden ist. Der Leseprozess sollte erst dann erfolgen, wenn das konkrete Informationsbedürfnis zu diesem Thema – also genügend Neugier – vorhanden ist. Als nächster Schritt kann sich ein Lesen des ersten und letzten Absatzes anbieten, ggf. nur des Anfangs der einzelnen Absätze ("Absatzspringtechnik").

Falls der Text insgesamt relevant sein könnte, aber kein Detailwissen erforderlich ist, eignet sich das Lesen mit hohem Tempo, um die Aufmerksamkeit beim Text zu halten. Querlesen oder Diagonallesen empfehlen wir nicht, weil das (zufällige) Weglassen von Textteilen zu Fehlinterpretationen führen würde.

Wenn ein vollständiges Lesen angemessen erscheint, dann ist das "konzentrierte Dranbleiben" am Text von entscheidender Bedeutung. Häufig machen wir uns schon während des Lesens zu viele Gedanken über die Wichtigkeit einzelner Aussagen und ihrer Konsequenzen, sodass wir den Zusammenhang der Botschaften nicht mehr wahrnehmen. Und wenn wir die "Story" des Textes nicht erkennen, sondern nur Einzelinformationen verarbeiten, ist das Gesamtverständnis erschwert – und noch stärker die Merkfähigkeit!

Das bedingt aber eine Lesegeschwindigkeit, bei der die Gedanken nicht abdriften, sondern beim Kontext bleiben. Um das zu erreichen, müssen wir uns von gewohnten Lesetechniken befreien und "erwachsenengerechte" Lesetechniken beherrschen. Flankierend dazu hilft Ihnen die "selber"-Methode weiter:

  • s=sichten/selektieren
  • e=einstimmende Fragen
  • l=lesen (im Zusammenhang!)
  • b=bewusst machen
  • e=einprägen
  • r=rekapitulieren

Lesetechniken

Meistens lernen wir nur einmal im Alter von sechs bis sieben Jahren lesen und das somit "kindgerecht". Diese Techniken verinnerlichen wir so stark, dass sie uns unser (Lese-)Leben lang begleiten – mit Nachteilen, die uns am zügigen, konzentrierten und verständnisvollen Lesen hindern:

  • vollständiges Subvokalisieren (lautloses Mitsprechen),
  • Regression (absichtliches oder unabsichtliches Zurückspringen im Text),
  • mangelhafte Fixierung (Ausrichtung des Blickes).

Was können wir dagegen tun?

  • Lassen Sie sich vom "kleinen Mann im Ohr" nicht ausbremsen. Er darf gern "mitreden", aber nicht alles. Durch das mentale Mitsprechen der inhaltlich relevanten Wörter wird das Verständnis sogar unterstützt und das Lesetempo steigt.
  • Lesen Sie "vorwärtsorientiert". Ein zu häufiges Rückspringen der Augen im Text und ein zu häufiges Wiederholen schon gelesener Textpassagen kostet nicht nur Zeit, sondern lässt uns auch den Fokus auf die Story verlieren.

Als wir Lesen gelernt haben, haben wir jedes einzelne Wort "fixiert". Als Lesegeübte haben wir schon fast alle Wörter im Kontext mit anderen Wörtern gesehen und konnten diese Wortverbindungen wie Einzelwörter zusammen erfassen. Mit solchen "Sinngruppen" liefern wir dem Gehirn dann Zusammenhänge, die leichter und schneller zu verarbeiten sind. Diese Form der visuellen Texterfassung muss allerdings trainiert werden, damit sich Augen und Gehirn darauf einstellen. In der Idealform würden wir Texte wie in der Abbildung 1 gezeigt wahrnehmen.

Mit diesen Techniken lässt sich eine Beschleunigung des Lesetempos erreichen (meist eine Verdoppelung!), und ein höheres Verständnis. Meist werden schon bei einem einstufigen Leseprozess 80% erreicht gegenüber 55% bei einem durchschnittlichen Leser. Besonders wichtig sind diese Empfehlungen, da wir die meisten Sachtexte vom Bildschirm lesen, was erwiesenermaßen [1]

  1. länger dauert,
  2. zu geringerem Textverständnis führt,
  3. eine begrenzte Nachhaltigkeit hat und
  4. belastend für Augen, Psyche sowie die Konzentration ist.

Letztlich bedeutet dies: "Wir müssen zwei Arten des Lesens lernen, das langsame, vertiefte genauso wie das schnelle, digitale. Nur das verinnerlichte Wissen macht es uns möglich, aus neuen Informationen Analogie- und Rückschlüsse zu ziehen." [Marianne Wolf]

Deshalb abschließend noch einige Bildschirm-Lesetipps:

  • Beim Thema bleiben, nicht durch Hyperlinks und Werbung ablenken lassen,
  • Oberflächlichkeit vermeiden,
  • relevante Aussagen bewusst machen und einprägen,
  • Zeit zum Reflektieren nehmen,
  • Technik der Bildschirmarbeit optimieren, und
  • Entspannungsübungen einbauen (Augen, Rücken etc.).

So sollten Sie auch gegen die Informationsflut gewappnet sein!

Literatur

[1] Mangen A., Weel, A. V. D.: The evolution of reading in the age of digitisation, Literacy 2016, 50 (3), 116–124

Wolfgang Schmitz, Improved Reading GmbH & Co. KG, 41061 Mönchengladbach, E-Mail: wolfgang.schmitz@improved-reading.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(18):10-10