Sehbrille, Sonnenbrille, Schutzbrille & Co.

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Helmut Lehr

Schätzungen zufolge werden allein in Deutschland jährlich mehr als 10 Millionen Brillen verkauft. Die Kosten liegen oft im drei- oder vierstelligen Bereich. Die diesbezüglichen steuerlichen Abzugsmöglichkeiten sind teils sehr eingeschränkt.

Da wohl die meisten Steuerzahler im Laufe ihres Lebens mit der Anschaffung einer Brille konfrontiert werden, und sei es nur eine Sonnenbrille, lohnt es sich, etwaige Abzugsmöglichkeiten näher zu betrachten. Kürzlich wurde hierzu in der steuerlichen Fachliteratur eine umfassende Rechtsprechungsübersicht veröffentlicht (vgl. Trinks/Trinks, Neue Wirtschaftsbriefe 2021, S. 2445 ff.). Daraus lassen sich wesentliche Erkenntnisse ableiten.

"Sehbrille" als Krankheitskosten

Es dürfte bereits vielfach bekannt sein, dass Aufwendungen für eine Brille, die eine Sehschwäche kompensieren soll, als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden können. Dass das Tragen einer Brille heutzutage gar nicht "außergewöhnlich" ist, kann dabei vernachlässigt werden. Grundsätzlich handelt es sich bei einer Sehbrille um ein medizinisches Hilfsmittel im engeren Sinn, sodass die Kosten als Krankheitskosten gelten. Die steuerlich erforderliche "Zwangsläufigkeit" dieser Aufwendungen ist durch eine ärztliche Verordnung nachzuweisen.

Hat ein Augenarzt in der Vergangenheit bestätigt, dass die Sehhilfe notwendig ist, genügt der Finanzverwaltung in den Folgejahren die Sehschärfenbestimmung durch einen Augenoptiker als Nachweis (vgl. Richtlinie 33.4 Einkommensteuer-Richtlinien).

Hinweis: Denken Sie aber stets daran, dass sich Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen steuerlich nur auswirken, wenn sie die zumutbare Belastungsgrenze übersteigen, die u.a. nach dem Einkommen gestaffelt ist (vgl. AWA 13/2017). Hier könnte es sich anbieten, den Anschaffungszeitpunkt – wenn möglich – so zu wählen, dass im entsprechenden Kalenderjahr noch weitere nennenswerte Krankheitskosten geltend gemacht werden können.

Extravagante Sehbrillen

Wenn eine Brille wegen einer Sehschwäche verordnet wurde, stellt sich natürlich schnell die Frage, ob die Finanzverwaltung selbst bei sehr hohen individuellen Kosten noch mitspielt. Nach dem reinen Gesetzeswortlaut dürfen die Aufwendungen einen "angemessenen Betrag" nicht übersteigen (vgl. §33 Absatz 2 Einkommensteuergesetz). Andererseits verzichtet die Rechtsprechung bei eindeutigen Krankheitskosten regelmäßig auf eine Angemessenheitsprüfung, um nicht unnötig in die Privatsphäre der Steuerpflichtigen einzudringen. Vor diesem Hintergrund dürften auch sehr teure Brillengläser als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

Hinweis: Bei Fassungen sieht dies etwas anders aus, weil diese ja letztendlich nicht entscheidend zum "Behandlungserfolg" (besseres Sehen) beitragen. Hier sollte man sich im Zweifel an den Kosten orientieren, die die Unfallkassen bei "Unfällen" am Arbeitsplatz übernehmen – bis zu 300 €. Kostet die Fassung deutlich mehr, muss mit Kürzungen durch das Finanzamt gerechnet werden.

EnChroma-Brillen

Mit einer sog. EnChroma®-Brille, die äußerlich wie reguläre Sonnenbrillen aussehen, lassen sich Farbsehschwächen kompensieren. Auch wenn "EnChroma®" einer von mehreren Anbietern ist, wurde die Bezeichnung zum Gattungsnamen.

Derzeit dürfte noch nicht abschließend geklärt sein, ob das Tragen einer solchen Brille eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode i.S.d. §64 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung darstellt. Verneint man dies, müssten Steuerpflichtige vor dem Kauf der Brille ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung einholen, um den geforderten steuerlichen Nachweis zu erbringen.

Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug möglich?

In der Vergangenheit wurde vielfach versucht, die Kosten für eine Sehbrille als berufliche Ausgaben geltend zu machen. Das hätte den großen Vorteil, dass die zumutbare Belastungsgrenze insoweit nicht gilt und die Aufwendungen deshalb voll berücksichtigt werden. Die Rechtsprechung geht aber ganz allgemein davon aus, dass die Brille wegen einer höchstpersönlichen Sehschwäche benötigt wird, die keinen besonderen beruflichen Bezug hat. Auch eine sog. Bildschirmbrille oder Computerbrille wird selbst bei überwiegender beruflicher Nutzung regelmäßig nicht anerkannt. Ausnahmen wären, wenn die Sehschwäche durch einen Arbeitsunfall ausgelöst oder als Berufskrankheit anerkannt wurde.

Hinweis: Aber auch in diesen Fällen ist der Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug nur insoweit möglich, wie die Kosten nicht anderweitig erstattet wurden (z.B. durch die Berufsgenossenschaft oder die Krankenkasse).

Schutz- und Sonnenbrillen

Dient eine Brille dem Schutz der Augen bzw. des Gesichtes im Sinne des Arbeitsschutzes (z.B. im Laborbereich), sollte ein Werbungskostenabzug möglich sein. Vielfach werden die Brillen dann aber ohnehin vom Arbeitgeber bereitgestellt. Aus Sicht des Arbeitgebers dürfte ein überwiegendes betriebliches Interesse vorliegen, sodass die Überlassung der Schutzbrille auch nicht zu einem geldwerten Vorteil führt.

Hinweis: Der Betriebsausgabenabzug für die Anschaffung erforderlicher Schutzkleidung sollte natürlich ebenfalls möglich sein.

Für Sonnenbrillen kommt ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen in Betracht, wenn sie mit einer Sehstärke versehen sind und eine ärztliche Verordnung vorliegt. Eine weitergehende Abzugsfähigkeit ist wohl auf spezielle Ausnahmefälle beschränkt.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(19):16-16