Krankheiten vorbeugen – passt das zur Apotheke?

Erfahrungen aus der ländlichen Region


Marcus Krause

Vorsorgen statt Nachsorgen! Bei uns rückten schon vor drei Jahren die Früherkennung, der Erhalt der Gesundheit und die Verlangsamung chronisch fortschreitender Krankheitsverläufe in den Fokus. Doch ist die Apotheke dafür überhaupt der richtige Ort? Ein Erfahrungsbericht.

Im Juli 2021 sprach ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening in einem Interview einmal wieder das riesige Potenzial der Prävention an. In unseren Betrieben beschäftigen wir uns nun seit Anfang 2018 intensiv mit Präventionskonzepten in der Apotheke – mit welchen Erfahrungen?

Sind Dienstleistungen in der Apotheke neu?

Die Messung von Blutdruck, Glukose oder Cholesterin gehört bei den meisten Apotheken zum Standardangebot und wird von den Kunden mehr oder weniger häufig nachgefragt und genutzt.

Schaut man in die Nachbarländer, so gehören dort noch weitaus mehr präventive Maßnahmen zum täglichen Geschäft. Es wird geimpft, Wundkontrollen werden durchgeführt, Fettwerte bestimmt oder es werden umfangreiche Blutdruckscreenings erstellt. Oftmals sind Apotheken in die Primärversorgung eingebunden. In Italien organisieren Apotheken Termine für Fachärzte oder Krankenhausbesuche. In England möchte der National Health Service (NHS) Patienten mit geringfügigen Gesundheitsstörungen möglichst gleich in der Apotheke versorgt sehen. In Frankreich dürfen Apotheker impfen und unter bestimmten Voraussetzungen die Impfstoffe sogar selbst verordnen.

Wer honoriert die Leistungen?

In vielen Apotheken sind die aktuellen Dienstleistungen eher so kalkuliert, dass sie sich, wenn überhaupt, gerade einmal selbst tragen oder aber sich sogar nur in Verbindung mit erwarteten Rezepteinlösungen oder Zusatzverkäufen rechnen. Doch Corona brachte hier neue Impulse.

Plötzlich gab es Dienstleistungen, die der Kunde nicht selbst bezahlen musste, sondern die von außen finanziert wurden. Verteilen von Masken, Corona-Schnelltests, Botendiensthonorare oder die Erstellung von Impf- und Genesenenzertifikaten sind erste Schritte, die zeigen, wo die Reise hingeht. Hinsichtlich Geschwindigkeit und Qualität der Umsetzung braucht sich kaum eine Apotheke zu verstecken. Dass es vereinzelt schwarze Schafe gibt, ist kein neues Phänomen, wurde aber erstmals durch eine größere Medienpräsenz sichtbar gemacht.

In Anbetracht dieser Sach- und Erfahrungslage ist für die Zukunft abzusehen, dass Präventionsleistungen und die Übertragung von Dienstleistungen in die Apotheke das Gesundheitssystem finanziell und organisatorisch entlasten können. Sie rücken damit zudem näher und niedrigschwelliger an die Kunden. Doch gilt es noch einen Rahmen für die auskömmliche Honorierung zu schaffen.

Was sagen die Kunden?

Wie bei allen grundlegenden Richtungsänderungen funktioniert nichts über Nacht. Die Kunden müssen sich an die Angebote gewöhnen, diese wahrnehmen und mit der Apotheke verbinden. Dafür bedarf es Marketingaktionen und auch einer gewissen Änderung in der Wahrnehmung der Apotheke, die in den letzten Jahren etwas gelitten hat. Völlig etabliert haben sich Venenmesstage, Vitamin D-Bestimmungen oder Hautanalyse-Aktionen. Unsere Kunden haben diese Aktionen trotz Corona-Zeit vermisst und nachgefragt.

Seit 2019 haben wir die Möglichkeit geschaffen, einen umfangreichen Herz-Kreislauf-Check anzubieten. Er besteht aus Blutdruck-, BMI- und Lungenfunktionsmessungen plus einer Kapillarblutanalyse zur Ermittlung des Cholesterinprofils.

Erweitert wurde dieses Angebot mit der Messung des HbA1C-Wertes, bei dem wir mit einem führenden Homecare-Anbieter aus den USA arbeiten. Dank rascher Terminvergabe haben Kunden ohne lange Wartezeiten wie ansonsten in einer Arztpraxis die Möglichkeit, einen Check durchführen zu lassen. Der noch hohe Preis für das Material zum Durchführen der Tests schreckt zwar den einen oder anderen Kunden ab, dennoch sehen wir eine steigende Nachfrage. Das positive Feedback ermutigt uns, hier weiter zu investieren.

Wie ist die Stimmung?

Von ärztlichen Verbänden, Vereinigungen und aus den eigenen Reihen hört man skeptische Meinungen und vereinzelt Ablehnung, die zum Teil nicht unbegründet sind. Prävention in der Apotheke bedeutet aber auch, gegebenenfalls an den Arzt zu verweisen, statt ihm etwas zu nehmen. Medikationskontrollen, Patienten-Coachings oder Vorsorge und Früherkennung können individuelle Risiken erheblich mindern. Oft scheuen Kunden bei vorerst kleineren Beschwerden den Gang zum Arzt, weil Termine schwer zu bekommen sind – und verschleppen so manches.

Schon immer waren in Apotheken separierte Beratungsräume verpflichtend und dedizierte Beratungszimmer keine Seltenheit. Die Möglichkeiten sind also gegeben. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheke vor Ort kann viele negative Vorbehalte auflösen.

Aber ohne eine entsprechende Honorierung, egal ob durch Kunden oder fremdfinanziert durch Kassen und staatliche Mittel, wird es unmöglich, betriebswirtschaftlich sinnvolle Angebote zu gestalten. Schon jetzt wird es von Jahr zu Jahr schwieriger, eine Apotheke rentabel zu betreiben. Viele Apotheken, oft in strukturschwachen Regionen, werden geschlossen. Selbst die heute schon angebotenen Leistungen bedürfen einer Basisfinanzierung und somit nicht zuletzt auch einer expliziten Anerkennung der Arbeit.

Was ist mit dem Personal?

Qualifiziertes Personal zu finden ist schwer. Die Mitarbeiter sind bereits jetzt schon oft am Limit. Botendienst, Präqualifizierungen, Notdienste, der enorm gewachsene Dokumentationsaufwand, Rezepturen, die Corona-Thematik samt Tests und vieles mehr benötigen heute fünf bis sechs Personen, wo früher drei gereicht haben.

Oft passen die neuen Aufgaben weder zum Berufsbild noch zur Ausbildung. Der Unmut ist so vorprogrammiert. Neues Personal sprengt rasch das Budget, und so verschieben sich allmählich die Berufsbilder. Auch hier ist zu überdenken, welchen Stellenwert das Berufsbild PTA und PKA in Zukunft haben sollen, da sich zu wenig Approbierte auf dem Markt befinden. Mehr Befugnisse für die PTA, um den Inhaber zu unterstützen, und als rechte Hand eine aufgewertete PKA für die kaufmännischen Prozesse können viel Luft für Neues schaffen.

Neue Tätigkeitsfelder und innovative Präventionsangebote ziehen dabei einen hohen Aufwand an zusätzlichen Schulungen und Weiterbildungen nach sich. Das stellt gerade kleinere Teams vor große Herausforderungen. Einige Tage Weiterbildung bedeuten für den Rest des Teams nämlich allzu oft schlicht Überstunden. Meist arbeitet der Inhaber einfach mehr, um die Lücke auszugleichen.

Sonderqualifikationen sollten sich zudem im Gehalt widerspiegeln. Viele Apotheken möchten ihren Mitarbeitern gern ein höheres Gehalt zahlen, den zusätzlichen Ausbildungen und Schulungen entsprechend auch über Tarif, sind dazu aber nicht in der Lage. Dass hierunter die Attraktivität der Apothekenberufe leidet, ist offensichtlich.

Fazit

Dienstleistungen und Services im Bereich der Prävention bieten die enorme Chance, das Gesundheitssystem ganz erheblich unterstützen und entlasten zu können. Unter der Voraussetzung einer entsprechenden Vergütung tragen sie zudem indirekt zur flächendeckenden Versorgung mit Arzneimitteln bei, da dann auch kleinere Apotheken eine Chance zum Überleben haben.

Dafür bedarf es noch einiger Änderungen an den Vergütungsmodellen. Befugnisse und Kompetenzen müssen neu abgesteckt, Berufsbilder angepasst werden. Aufseiten der Kunden wird sich die Wahrnehmung und Erwartungshaltung neu ausrichten müssen, einschließlich der Bereitschaft, zunehmend privat Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen. Präventionsleistungen in Apotheken sind nicht mehr wegzudenken. Ihre flächendeckend-auskömmliche Etablierung ist jedoch noch ein Langstreckenlauf.

Marcus A. Krause, Apothekenmanagement, Sindy-Krause-Apotheken, 08107 Kirchberg, E-Mail: marcus.krause@sindy-krause-apotheken.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(19):10-10