Darum prüfe, wer sich an eine Plattform bindet

Rechtliche Aspekte nicht vergessen!


Dr. Bettina Mecking

Das E-Rezept ist auf der Zielgeraden. So überlegen sich manche Apothekeninhaber aus verschiedenen Gründen zusätzlich bei einer Online-Plattform "Unterschlupf" zu suchen und mittels angebotener "Apps" einen begehrten Platz auf dem mobilen Endgerät der Patienten zu ergattern.

Mit dem elektronischen Heilberufsausweis sind die Weichen für eine sichere Anbindung an die Telematik-Infrastruktur gestellt. Das E-Rezept kann kommen. Nun geht es um die "digitale Sichtbarkeit". Doch beim Blick auf die rechtlichen Hürden sollte sich jeder Apothekenleiter vor Augen führen: Wie ist es um dieses eigene "Sichtbarbleiben" als selbstständiger Betrieb bestellt, wenn man die ausgewählte Partner-Plattform beispielsweise mit bekannten Buchungsportalen für Hotels vergleicht? In solchen Strukturen übt der Portalbetreiber eine – dem Apothekenwesen jedenfalls fremde – Kontrolle über die angeschlossenen Betriebe aus, und wird nicht zuletzt durch entsprechende Werbung nach außen die primäre Anlaufstelle für die Verbraucher.

Viele Unternehmen bieten in Deutschland niedergelassenen Apotheken derzeit neue Geschäftsmodelle an. Um die angepriesenen Vorzüge zu nutzen, muss sich die Apotheke auf der Plattform registrieren und hierzu umfangreiche vertragliche Verpflichtungen eingehen.

Je nachdem, um welche Funktionalitäten es geht, geraten unterschiedliche Rechtsaspekte in den Fokus. Nur apothekenrechtskonforme Vertragsgestaltungen gefährden nicht den Fortbestand der Betriebserlaubnis, was u.a. eine zuverlässige Einhaltung der speziell für die freien Heilberufler geltenden, rechtlichen Vorgaben voraussetzt.

Unterschiedliche Kooperationsangebote prüfen

Im Angebot sind Plattformen, über die Verbraucher in Deutschland Arzneimittel, verschreibungspflichtige wie nicht verschreibungspflichtige, bestellen können. In dieser "1:1"-Kooperation werden Arzneimittelbestellungen nicht über eine beteiligte, im Ausland ansässige Internetapotheke beliefert, sondern über in Deutschland niedergelassene Partnerapotheken. Insoweit umfasst dieses Angebot, dass Arzneimittelbestellungen und Verschreibungen, die auf der Plattform eingehen, nur an die angeschlossenen Partnerapotheken zugeleitet werden. Die niedergelassenen Apotheken vor Ort übernehmen dann im eigenen Namen die Auslieferung der Arzneimittel bzw. halten diese zur Abholung durch den Kunden bereit.

Um die Möglichkeit zu erhalten, Verschreibungen zugeleitet zu bekommen, wird für die teilnehmende Apotheke eine erhebliche monatliche Grundgebühr fällig. Darüber hinaus wird bei der Bestellung von nicht preisgebundenen Arzneimitteln eine prozentual am Nettoverkaufspreis ausgerichtete Transaktionsgebühr (bis 10%) berechnet.

Stresstest für das neu ausgestaltete Makelverbot

Solche Modelle müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, sowohl gegen das Zuweisungsverbot des §11 Abs. 1a Apothekengesetz (ApoG) zu verstoßen als auch im Hinblick auf die Gebühren im Zusammenhang mit dem vermittelten Absatz von Non-Rx-Arzneimitteln nicht mit §8 Satz 2 ApoG, also dem Verbot der Umsatzbeteiligung Fremder, im Einklang zu stehen.

Wie sich aus §11 Abs. 1 Satz 3 ApoG ergibt, gilt die Regelung ausdrücklich auch für die im Ausland ansässigen Versandapotheken.

Sinn und Zweck einer solchen Plattform ist, Verschreibungen, insbesondere in Zukunft Verschreibungen in elektronischer Form, zu sammeln und diese an Apotheken zu vermitteln. Als Gegenleistung muss die Apotheke einen Prozentsatz des Nettoumsatzes abführen.

Ein Plattformanbieter darf aber gerade nicht daran verdienen, dass er die Apotheken glauben lässt, sie müssten sich an der Plattform beteiligen, um nicht signifikante Umsatzeinbußen im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel zu erleiden. Solche Strukturen sind vom Gesetzgeber nicht gewollt.

Gesamtbetrachtung erforderlich

Wichtig ist es, alle Aspekte anzuschauen, die insbesondere auch in der Zusammenschau verdeutlichen, dass solche Angebote nicht vorrangig den Interessen der Patienten an einer optimierten Versorgung dienen, sondern lediglich der Profitmaximierung der zumeist als Kapitalgesellschaft organisierten Anbieter.

Durch diese Gestaltung besteht die mittelbare Gefahr, dass es zu einer Abhängigkeit der Apotheke von den Umsätzen über das Portal kommt. Damit besteht das Risiko, dass die Apotheken sich nachträglichen Änderungen der Konditionen ausgeliefert sehen. Diese Gefahren haben sich bei anderen Marktplätzen, etwa der Hotelreservierungen, bereits realisiert, da hier die Betreiber der Plattformen regelmäßig die Konditionen für sich verbessert haben.

Weitergehende Angebote

Wenn die Apotheken an Online-Plattformen angebunden sind, die telemedizinische Fernbehandlungen anbieten, stellt sich neben dem Aspekt der bedenklichen Weiterleitung von Verschreibungen die Frage, ob die angebotenen Leistungen dem Standard entsprechen, für den ausnahmsweise Fernbehandlungen zulässig sind.

Das grundsätzliche Werbeverbot für Fernbehandlungen ist zwar insoweit aufgehoben worden, jedoch bedeutet dies nicht, dass jegliche Bewerbung einer Fernbehandlung zulässig ist. Eine Ausnahme besteht nach §9 Satz 2 Heilmittelwerbegesetz (HWG) für die Fälle, in denen eine Werbung für eine Fernbehandlung vorliegt, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgt, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.

Soweit jedoch nur ein Online-Fragebogen ausgefüllt werden muss, der dann vermeintlich von geprüften Ärzten eingesehen wird, die dann – allein und ausschließlich auf Basis des ausgefüllten Fragebogens – eine Diagnose erstellen, ist eine solche ärztliche Leistung per se unzulässig und nicht durch die eingeschränkte Zulassung der Fernbehandlung gedeckt.

Denn hierbei erfolgt keine Kommunikation zwischen dem Arzt und dem Patienten. Eine solche setzt nämlich voraus, dass etwa im Rahmen einer Videosprechstunde der Patient und der Arzt gleichzeitig, wenn auch an unterschiedlichen Orten, miteinander kommunizieren. Zum anderen entspricht ein solches Vorgehen auch nicht den allgemein anerkannten fachlichen Standards, so wie sie in §9 Satz 2 HWG vorgeschrieben sind. Genau diese Situation findet sich vorliegend auch, da die telemedizinischen Dienstleistungen einen persönlichen ärztlichen Erstkontakt mit dem zu behandelnden Menschen erforderlich machen.

Kooperationspartner genau prüfen

Empfehlenswert ist es, zu prüfen, mit welchen Partnern die ausgesuchte Plattform selbst kooperiert. Denn möglicherweise hat man übersehen, dass eine solche Partnerschaft die Weiterleitung der Daten von niedergelassenen Apotheken in Deutschland an angeschlossene Plattformen beinhaltet.

Hier kommt es vor, dass die Daten der kooperierenden Apotheken an zweifelhaft agierende Plattformen weitergeleitet werden, damit diese dort als Partnerapotheken, die im Rahmen einer Bestellung durch die dortigen Kunden ausgesucht werden können, aufgelistet werden. So gelangen Bestellungen über verschreibungspflichtige Arzneimittel auf Basis von Verschreibungen, die von mit der Plattform verbundenen Ärzten ausgestellt wurden, an die in Deutschland niedergelassenen Apotheken. Diese müssen dann ihrerseits über die Belieferung entscheiden und wissen oft nicht einmal, wie sie überhaupt zur Anlaufstelle geworden sind.

Wer das nicht will, muss ausdrücklich der Weiterleitung der Daten zum Zwecke der Veröffentlichung an die Plattform widersprechen!

Beachte: Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird am 07.10.2021 darüber entscheiden, ob eine private Krankenversicherung über eine App für ärztliche Fernbehandlungen durch im Ausland ansässige Ärzte werben darf. Verfahren, die das Makelverbot zum Gegenstand haben, sind ebenfalls in der gerichtlichen "Pipeline". Hiervon sind richtungsweisende Erkenntnisse zu erwarten.

Dr. Bettina Mecking, M.M., Fachanwältin für Medizinrecht, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(19):14-14