Aussichten 2022

Der GKV-Markt wächst weiter


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Jedes Jahr Mitte Oktober tagt der "Schätzerkreis" der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). Nomen est omen, denn hier werden meist recht treffgenaue Schätzungen zur Ein- und Ausgabenentwicklung angestellt. Die Perspektiven für 2022 sehen gar nicht so schlecht aus.

Wenn auch abgeschwächt, dürften die Versicherten- und Mitgliederzahlen in der GKV weiter zunehmen – um geschätzte 48.000 bzw. 147.000 Personen. Eine immer noch leicht steigende Erwerbstätigkeit und die Probleme der privaten Krankenversicherer sind dafür wesentliche Gründe.

Beachtlich ist die weiterhin recht ordentlich sprudelnde Einnahmebasis. Um immerhin 36 Mrd. € sollen die beitragspflichtigen Einkünfte wachsen. Fast 16% Beitrag darauf bringen bereits 5,7 Mrd. € zusätzlich in die Kasse. Steigende Löhne und Renten machen es möglich, neben der relativ stabilen Beschäftigungslage. Letztere hat jedoch der Staat im Gefolge der Pandemie nur mit hohem Aufwand stabilisiert. Damit befinden sich die Sozialkassen immer noch in einer vergleichsweise stabilen Lage.

Kurs auf 300 Mrd. €?

Doch wachsen inzwischen die Ausgaben stärker als die Einnahmen, das Defizit nimmt zu. Um 4,4% oder absolut 12 Mrd. € (bzw. 4,2% je Versicherten) dürften die GKV-Ausgaben insgesamt steigen, die Einnahmen aber nur um 2,9%. Mit prognostizierten Gesamtausgaben von 284 Mrd. € ist die 300-Mrd.-€-Grenze nicht mehr allzu fern. Vergessen wir jedoch nicht, dass viele Sonderausgaben in der Corona-Pandemie vom Staat geschultert wurden und so an der GKV vorbeigingen. Weiterhin wurden die Staatszuschüsse an die GKV über die bis 2019 üblichen 14,5 Mrd. € hinaus erhöht; für 2022 stehen zusätzliche rund 7 Mrd. € im Raum.

Nichtsdestotrotz steigt das erwartete Defizit um etwa 10 Mrd. € auf 27,5 Mrd. €. Diese an und für sich üblichen Defizite müssen dann durch die Zusatzbeiträge je nach Finanzlage der einzelnen Krankenkassen aufgefangen werden. Rein rechnerisch wären das im Bundesdurchschnitt etwa 1,7% statt 1,2% bisher. Weitere Zuschüsse des Staates sind zu erwarten, um die Zusatzbeiträge nicht über 1,3% steigen zu lassen.

Erfreulich für die Apotheken: Die Rahmenvereinbarungen des GKV-Spitzenverbandes mit der kassenärztlichen Bundesvereinigung für 2022 sehen 5,3% höhere Arzneimittelausgaben vor. Auch wenn 5,1%-Punkte davon auf innovative Präparate entfallen und das Packungswachstum gering bleiben wird – es könnte schlechter laufen! Das gilt für die GKV-Finanzlage allgemein, auch wenn sich in die Wetterlage einige Wolken mischen und der Staat noch viele Probleme abpuffert.

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(21):7-7