Neue Rekordpreise in Sicht

Energie – der neue Luxus?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

"Jetzt geht es rund" – so sprach es der Spatz und flog in den Ventilator. Tatsächlich geht es gerade richtig rund auf den Energiemärkten. Das Preiskarussell dreht sich immer schneller und könnte sogar das eine oder andere Unternehmen vor existenzielle Probleme stellen – sofern dieser Trend sich verstetigen sollte. Märkte sind schon verrückt. Notierte Öl noch im März 2020 kurzfristig unter zehn US-Dollar je Barrel, werden heute Preise von über 80 Dollar aufgerufen. Je Liter Sprit macht allein diese Differenz rund 0,40 € aus. Erdgas war jahrelang für gut 6 Cent je Kilowattstunde zu haben, in wenigen Monaten haben sich aber die Weltmarktpreise fast verdreifacht. Es bleibt abzuwarten, was davon wirklich an die Kunden durchgereicht wird. Das entscheidet sich daran, wie lange diese Preiskapriolen anhalten. Übertreibungen an den Märkten fallen gern wieder schnell in sich zusammen, denn hohe Preise locken auch mehr Anbieter an.

Oder ist es diesmal anders? Stehen wir tatsächlich vor einer facettenreicheren Energiewende, welche uns langfristig ungeahnt hohe Energiepreise bescheren wird? Nicht wenigen Öko-Vertretern käme es ja geradezu gelegen, wenn Energie ein Luxusgut würde.

Rechnen wir zuerst ein wenig. Eine Apotheke benötige 30.000 Kilowattstunden (kWh) für das Heizen (z.B. mit Gas, 6 Cent je kWh) und 20.000 kWh Betriebsstrom für Licht, EDV sowie diverse Gerätschaften (Preis aktuell 30 Cent je kWh). Modellhaft schlagen wir jetzt kräftige 10 Cent je Kilowattstunde auf die Heizenergie auf, sowie nochmals 10 Cent auf den Strompreis. Das macht nach Adam Riese unter dem Strich 5.000 € mehr pro Jahr an Energiekosten. Das ist nicht schön, aber weit entfernt von einer Existenzbedrohung. Andere Branchen leiden da viel stärker. Volkswirtschaftlich nimmt das jedoch schnell dramatische Züge an, insbesondere wenn andere konkurrierende Regionen der Welt diese Probleme so nicht haben sollten.

Aber halt – werden die "erneuerbaren Energien" nicht immer billiger? Tatsächlich betragen die Kosten je Kilowattstunde Solar- und Windstrom nur noch wenige Cent, Tendenz weiter fallend, und sind somit billiger als klassische Energieträger. Dies gilt aber nur auf der Ebene der technischen Erzeugung. Die ganzen Zuschläge und Umlagen kommen auch hier obenauf. Noch relevanter ist aber, dass es mit der Erzeugung nicht getan ist, solange das Problem der Speicherung nicht gelöst ist, bei durchschnittlich nicht einmal 2.000 Sonnenstunden im Jahr und einer ebenfalls überschaubaren Zahl an Windstunden.

Hierzu ein kleines Gedankenexperiment: Ihr Rechner, vor dem Sie täglich sitzen, soll allein mit Solarstrom betrieben werden. Welche Kapazität müsste ein Pufferakku haben, um auch eine Woche ohne Sonnenschein überbrücken zu können, und was würde das kosten? Es wären, bei etwa 40 Watt für ein Notebook und 12 Stunden Betriebszeit täglich, drei bis vier Kilowattstunden Kapazität vonnöten, das Gewicht dafür betrüge mehrere zehn Kilo.

Heutige stationäre Batteriespeicher als Fertiggeräte kosten 500 € und mehr je kWh, die reinen Akkuzellen um 100 €. Aber selbst 100 € für einen Speicher, der nur für einige Cent Energie (zum Gestehungspreis) speichert, sind nicht gerade billig und machen die Speicherkosten zur kritischen Größe. Das erst recht, da die Akku-Lebensdauer begrenzt ist. Die alternative Nutzung von Solar- und Windstrom zur Erzeugung von Wasserstoff oder Gas (und deren anschließende Verbrennung) ist über die gesamte Wirkungskette indes so verlustbehaftet, dass ebenfalls hohe Kosten je Energieeinheit drohen. Also spricht tatsächlich sehr viel für hohe Energiepreise auch am langen Ende.

Da vielen heutigen Energieerzeugerländern zudem perspektivisch die Einnahmequellen ausgehen, werden sie jetzt noch herauspressen, was geht, selbst wenn sie dadurch die Weltwirtschaft in den Würgegriff nehmen. So stark kann eine Rezession den Bedarf gar nicht bremsen, wie durch massive Verteuerung hereinkommt – sofern sich nur alle Anbieter halbwegs einig sind. Man kann es drehen, wie man will: Der weiße Elefant einer langen Energiekrise steht im Raum. Nur wollen ihn viele Illusionisten noch nicht sehen. Legen Sie schon einmal ein bisschen was zusätzlich zur Seite – vielleicht die 5.000 € pro Jahr für eine helle und warme Apotheke?

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(21):19-19