Wirtschaftslage der Apotheken im 1. Halbjahr 2021

Gutes Ergebnis dank Corona-Sondereffekten


Christian Meyer

Im Jahr 2021 wurden die Arbeitsbedingungen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Apotheken erneut deutlich durch die Corona-Pandemie beeinflusst. Wir ziehen eine betriebswirtschaftliche Bilanz, was insbesondere die Sonderumsätze in den Apotheken bewirkt haben.

Nach einem weiteren Lockdown Anfang des Jahres verzeichneten die Apotheken in den folgenden Monaten ein hohes Umsatzwachstum durch Masken, Bürgertests und Impfungen. Die Umsätze der Apotheken legten daher im ersten Halbjahr 2021 um 10% zu. Ursache für das Wachstum sind die Preissteigerungen bei den Rx-Packungen und die Maskenumsätze. Die Bürgertestungen und die Vergütungen im Zusammenhang mit den Impfungen sowie den Zertifikaten haben ebenfalls einen Anteil.

Temporäre Umsatzsteigerungen, aber erhöhter Aufwand

Dennoch sollte das Umsatzwachstum nicht zu positiv gesehen werden. Denn neben diesem Boom der Corona-Sonderumsätze liegen die entscheidenden "realen" Apothekenkennzahlen gegenüber dem Vorjahr im Negativen:

  • die Kundenzahl sank im Durchschnitt pro Apotheke um fast 1.000 Kunden,
  • die Rezeptzahlen liegen rund 2,5% schlechter,
  • die Rx-Packungszahlen sind um 3,5% bis 4,5% gesunken.

Die weitere Entwicklung ist unklar. Wie lange werden Beschränkungen fortgelten, werden sie in einer vierten Welle sogar noch verschärft? Fallen aber perspektivisch die Corona-Sonderumsätze weg, wird es mit Umsatzzuwächsen schnell vorbei sein. Laut erster Prognose wird die Wachstumsrate im zweiten Halbjahr deutlich abnehmen, auch wenn erste Steigerungen bei den Erkältungsprodukten erkennbar sind. Zusätzlich wird deutlich: Die Kosten steigen überproportional zu den Umsätzen und belasten die Apothekenerträge.

Sondereffekte durch Corona

Um die Corona-Sondereffekte ermitteln zu können, haben wir für die Apotheken-Mandate der Treuhand Hannover diese buchhalterisch separiert.

Gratismaskenabgabe – befristet bis Mai 2021 –

Die Abgabe der Gratismasken begann im Dezember 2020 und zog sich bis in den Mai 2021 hin, sodass dieser temporäre Effekt für die Zukunft entfällt. Die Apotheken hatten unter enormen Zeitdruck und Personaleinsatz die Abgabe bewältigt. Masken haben allein 2021 den Apotheken durchschnittlich rund 80.000 € Umsatz gebracht. Was durch Masken zusätzlich an Umsatz hereinkam, war gewissermaßen ein Ausgleich für die deutlich schwächeren OTC-/Freiwahl-Umsätze. Schätzungsweise verloren die Apotheken im ersten Halbjahr 2021 etwa 50.000 € Non-Rx-Umsatz.

Die Vergütungen für die Schutzmasken waren im Verlauf der Monate bedingt durch wechselnde Verordnungen der Regierung sehr unterschiedlich; ebenso schwankten die Einkaufspreise für die Masken stark. Zudem haben einige Apotheken – teils aus Wettbewerbsgründen – auf die Eigenbeteiligung der Kunden verzichtet. So war es schwer, einen durchschnittlichen Ertragssatz zu ermitteln. Die Marge dürfte nach unseren Auswertungen aber für viele Apotheken im Bereich von über 70% liegen.

Insgesamt wurden in der Bundesrepublik 2,12 Mrd. € an Vergütungen (brutto, ohne Eigenbeteiligung) für Schutzmasken ausgezahlt. Leider wurden die Apotheken dafür teilweise von den Medien und einzelnen Kunden als "übervorteilt" bezichtigt. Rückblickend gesehen hat die Verteilaktion zu einem Imagegewinn der Apotheken beigetragen: Flächendeckend konnten Apotheken schnell die Kunden mit "günstigen" Masken versorgen und zum Schutz vor Corona beitragen.

Kostenfreie Bürgertestung – befristet bis 10. Oktober 2021 –

Den Masken folgte die nächste Aktion der Bundesregierung: die Bürgertests. Durch Verordnungen wurde es Apotheken und anderen Leistungserbringern ermöglicht, Antigen-Schnelltests durchzuführen. Die Testungen wurden über die regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen mit Pauschalhonoraren vergütet und die Sachkosten erstattet; teils gab es in einzelnen Bundesländern sogar Anschubfinanzierungen. Nicht alle, aber doch mehrere tausend Apotheken haben vor Ort alleine oder gemeinsam mit Partnern Corona-Bürgertests angeboten. Während die Apotheken, die für ihr Tun stets mit ihrer Betriebserlaubnis in Haftung sind, die umfangreichen Anforderungen an diese Testzentren penibel erfüllten, wurden auch fachfremde Betreiber per Allgemeinverfügung zugelassen. Berichtet wurde in diesem Zusammenhang von einzelnen "schwarzen Schafen" mit nicht korrekter Durchführung bzw. Abrechnung.

Für testende Apotheken gab es damit einen weiteren, temporären Umsatzschub. Nach Auswertung bei Treuhand-Apotheken konnten wir durchschnittlich einen höheren fünfstelligen Testumsatz bis Ende Juni ermitteln. Auch nach Berücksichtigung von Personal- oder Einrichtungskosten verbleibt in den meisten Apotheken ein Ertrag. Um ein Bild von der betriebswirtschaftlichen Situation zu bekommen, haben wir uns die testenden Apotheken näher angesehen. Tabelle 1 zeigt eine erste Bilanz bis Juni 2021.

Es wurde ein Vergleich der testenden Apotheken zu einer Gruppe von ähnlich großen Apotheken ohne Bürgertestung gezogen. Demnach haben die testenden Apotheken durchschnittlich 69.000 € an Testumsatz bis Ende Juni erzielt. Darauf entfielen etwa 25.000 € an zusätzlichen Kosten. Da die Personalkosten nicht deutlich gestiegen sind, kann davon ausgegangen werden, dass viele Apotheken die Testung mit dem vorhandenen Apothekenpersonal oder mit Minijobbern bewältigt haben. Am Ende lag der Gewinn (bezogen auf den Gesamtbetrieb) dieser Apotheken um 1,7%-Punkte über dem Wert der nicht-testenden Apotheken.

Die Durchführung von Corona-Schnelltests bleibt auch nach dem Ende der kostenlosen Bürgertest ab dem 11. Oktober eine apothekenübliche Dienstleistung. Apotheken werden dann – von definierten Ausnahmen abgesehen – den Kunden ein Honorar von meist rund 15 € bis 25 € brutto in Rechnung stellen.

Fraglich ist, ob die Billigkeitsregelung des Bundesministeriums der Finanzen, nach der die Durchführung von Corona-Tests gemäß §4 Nr. 14 Buchtstabe a UStG als steuerbefreit behandelt werden kann, auch nach dem 11. Oktober noch zur Anwendung kommt. Das Bundesministerium hat bisher noch nicht die "FAQs" dazu angepasst. Insgesamt wird die Nutzung von Schnelltests abnehmen, da immer mehr Menschen in Deutschland geimpft sind. Damit schwindet auch die betriebswirtschaftliche Bedeutung für Apotheken im 2. Halbjahr 2021.

Impfzertifikate für 1. und 2. Impfung – auslaufende Bedeutung erwartbar –

Als die Kassenärztlichen Vereinigungen (bzw. die Ärzte) und die Impfzentren bei der nachträglichen Ausgabe von Impfzertifikaten zunächst nicht liefern konnten, waren die Politik und der Gesetzgeber froh, dass die Apotheken bereit waren, dies zu übernehmen.

Nachdem die gesetzliche Regelung da war, haben Apotheken binnen weniger Tage viele Millionen Impfdokumente mit erheblichen Personalaufwand auf korrekte Angaben zur Impfung geprüft (auch in Bezug auf Fälschungen) sowie nachträglich digitale Zertifikate ausgestellt.

"Belohnt" wurden sie von der Bundesregierung dann mit einer abrupten Vergütungskürzung von 18 € auf 6 € brutto je Zertifikat. Mittlerweile können auch Genesenen- und Booster-Zertifikate erstellt werden; diese werden auch zu 6 € brutto vergütet. Die Vergütungen der Impfzertifikate sind betriebliche Erträge und werden von der Treuhand Hannover ebenfalls gesondert erfasst, sodass durchschnittliche Werte ermittelbar sind. Bis Ende Juni haben die Apotheken hier durchschnittlich etwa 10.500 € erzielt, siehe dazu Tabelle 2.

Mit steigender Umsatzgröße konnten die Apotheken – sicher erwartbar – höhere Vergütungen erzielen. Das Spektrum reicht von 6.000 € bis 21.000 € für die erstellten Zertifikate. Für die Folgemonate ab Juli werden noch weitere Erträge dazu kommen. Jedoch werden bei den anstehenden Booster-Impfungen eher die Ärzte ein Zertifikat ausstellen, sodass Apotheken weniger beteiligt sein werden.

Abgabe von Impfstoffen an Ärzte – dauerhafter Effekt, aber mit Vergütungsabschlag –

Seit April werden die niedergelassenen Ärzte und Betriebsärzte über die klassische Wertschöpfungskette Industrie-Großhandel-Apotheken mit Corona-Impfstoffen versorgt. Da die Liefermengen zunächst kontingentiert waren, waren komplexe Bestellregelungen seitens der Ärzte einzuhalten und von den Apotheken umzusetzen. Zudem sind die Apotheken mit dem Inkasso der Großhandelsvergütung beauftragt.

Die Apothekenvergütung je Durchstechflasche ist zunächst auf 6,58 € (netto) und seit Juli auf 7,58 € fixiert worden – die ABDA hatte 18,08 € je Vial als betriebswirtschaftlich angemessenen reklamiert. Dauerhaft wird es bei den Impfstoffen nur eine Vergütung unterhalb der Arzneimittelpreisverordnung (i.e. Kombimodell) geben, obwohl es eine Routineversorgung der Apotheken sein wird.

Da keine Informationen über die Gesamtvergütungen der Apotheken veröffentlich werden, kann man nur Schätzungen vornehmen. Bisher wurden 156 Mio. € an Vergütungen an die Beteiligten ausgezahlt. Nur ein Teil davon entfällt auf die Apotheken. Schätzungsweise ergibt sich bis Ende Juni gerade mal ein durchschnittlich mittlerer vierstelliger Eurobetrag je Apotheke. Ab diesem Herbst ist davon auszugehen, dass die behördlichen Corona-Impfzentren nach und nach geschlossen und in mobile Impfteams umorganisiert werden. Zudem werden die Impfungen immer mehr in die Arztpraxen verlagert werden, was den Apotheken zusätzlichen Umsatz im 2. Halbjahr 2021 sichern wird.

Was bleibt für die Zukunft?

Nach derzeitigem Stand werden Auffrischungsimpfungen (absehbar "für alle"), Tests (vor allem, aber nicht nur für Ungeimpfte) sowie die Ausstellung von Zertifikaten für die "3 G" (Getestete, Geimpfte, Genesene) auf Dauer bleiben, so dass das Leistungsportfolio der Apotheken nicht nur temporär, sondern dauerhaft dementsprechend erweitert bleibt – auch falls demnächst der ausgerufene Pandemiezustand aufgehoben wird.

Die Umsatzverteilung über alle Apotheken hat sich durch die Zuwächse enorm verschoben. Die typische Apotheke liegt nun über 2 Mio. € Umsatz, der Median über 2,5 Mio. € und die Durchschnittsapotheke hochgerechnet auf Ende 2021 bei 3 Mio. € netto.

Der Mehrumsatz durch Corona-Vergütungen (i.e. Masken, Testungen, Impfstoffe, Zertifikate) erhöhte deutlich den Gewinn. Corona verursacht in den Apotheken aber auch erheblichen Mehraufwand: Die Betriebskosten sind im 1. Halbjahr 2021 im Durchschnitt um rund 18.000 € gestiegen. Gleichzeitig sanken aber die Rx-Packungszahlen, und es gab bei den rezeptfreien Arzneimitteln Rückgänge sowie weitere Abwanderungen in den Versandhandel.

Fazit

Anders gesagt: Im "Kerngeschäftunter der Corona-Decke" ist nicht alles im Lot! Die verbesserten Betriebsergebnisse 2020 und 2021 sind mehrheitlich Corona-bedingt und temporär. Sie müssen also bei einer seriösen betriebswirtschaftlichen Analyse der Ausgangslage herausgerechnet werden, wenn man erfahren will, wie es zum Start in die E-Rezept-Phase um die Normalität der Apotheke bestellt ist.

Im Ergebnis werden die Apotheken feststellen, dass der um Corona-Sonderumsätze und -erträge bereinigte Rohgewinn bis zum Ende des Jahres 2021 für eine Durchschnittsapotheke um bis zu 27.000 € fallend sein könnte. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Kosten und damit im Saldo der Gewinn bis Ende 2021 entwickeln.

Christian Meyer, Diplom-Ökonom, Treuhand Hannover GmbH, Steuerberatungsgesellschaft, 30519 Hannover, E-Mail: christian.meyer@treuhand-hannover.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(21):12-12