Kindergeld in der Übergangszeit zwischen zwei Studiengängen

Auf die 4-Monatsfrist kommt es an


Helmut Lehr

Für volljährige Kinder in Berufsausbildung erhalten Sie Kindergeld, wenn diese das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Der Kindergeldanspruch besteht auch für sogenannte Übergangszeiten – hier müssen Sie allerdings genau rechnen.

Ein Anspruch auf Kindergeld besteht regelmäßig, wenn sich der Nachwuchs noch in Berufsausbildung befindet. Zur Berufsausbildung im Sinne des Kindergeldrechts gehört auch ein Studium. Wurde die Berufsausbildung beendet, können Sie sogar für eine Übergangszeit von höchstens 4 Monaten bis zum Beginn der nächsten Ausbildung Kindergeld beanspruchen. Die 4-Monatsfrist ist allerdings gar nicht so einfach zu berechnen, insbesondere wenn nicht klar ist, zu welchem Zeitpunkt die Berufsausbildung beginnt bzw. endet. Zweifelsfragen ergeben sich hier gerade bei Beendigung eines Studiums.

Beispiel: Melissa, die Tochter von Apothekerin Gerhards, ist im Mai 1995 geboren. Sie war ab März 2017 an einer Hochschule im Masterstudiengang "Management" eingeschrieben. Nachdem die Hochschule den erfolgreichen Abschluss zunächst mündlich mitgeteilt hatte, stellte sie den Abschluss und die Abschlussnoten Ende Oktober 2018 online. Melissa holte ihre Zeugnisse Ende November 2018 persönlich im Prüfungsamt ab. Im März 2019 bewarb sie sich für ein weiteres Bachelorstudium im Fach Politikwissenschaft. Dieses nahm sie im April 2019 auf. Die Familienkasse gewährte das Kindergeld bis einschließlich Oktober 2018 und wegen des Bachelorstudiums ab April 2019. Außerdem wurde Kindergeld für den Monat März 2019 gezahlt, da Melissa in dieser Zeit sich um einen Ausbildungs-/Studienplatz bemüht hat, was als eigener Begünstigungstatbestand zu werten ist.

Hinweis: Nach Ansicht von Frau Gerhards bestand der Anspruch auf Kindergeld auch für die Zeit von November 2018 bis Februar 2019, weil Melissa ihr Masterstudium erst im November 2018 beendet habe und die Monate Dezember 2018 bis März 2019 als maximal 4-monatige Übergangszeit zu werten seien bzw. (hilfsweise) das Bachelorstudium bereits im März mit der erfolgreichen Bewerbung begonnen habe.

Bundesfinanzhof definiert Beginn und Ende des Studiums

In einem vergleichbaren Fall hat der Bundesfinanzhof der Auffassung der Familienkasse zugestimmt und die Klage zurückgewiesen (Urteil vom 7.7.2021, Aktenzeichen: III R 40/19). Danach endet ein Hochschulstudium, wenn das Kind die letzte nach der einschlägigen Prüfungsordnung erforderliche Prüfungsleistung erfolgreich erbracht hat. Zudem muss das Kind eine schriftliche Bestätigung über sämtliche Prüfungsergebnisse entweder von der Hochschule zugesandt bekommen haben oder jedenfalls objektiv in der Lage gewesen sein, sich eine solche Bescheinigung über das Online-Portal der Hochschule erstellen zu können. Im Streitfall war deshalb maßgebend, dass die Hochschule die Noten im Oktober online gestellt hatte. Den Beginn des Bachelorstudiums sah der Bundesfinanzhof noch nicht mit der Bewerbung im März, sondern im April, da erst mit Semesterbeginn konkrete Ausbildungsmaßnahmen stattgefunden hatten.

Keine Rolle spielen nach Ansicht des Bundesfinanzhofs das Datum der Aushändigung der Zeugnisse oder der Exmatrikulation. Auch die Dienstanweisung der Finanzverwaltung bzw. Familienkassen zum Kindergeld stellt für den Beginn eines Studiums auf den Semesterbeginn ab – und für das Ende regelmäßig auf die Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse.

Hinweis: Hätte sich Melissa bereits einige Monate früher für das Bachelorstudium (bzw. nachweisbar um einen Ausbildungsplatz) beworben, hätte auch für diese Zeit ggf. Kindergeld beansprucht werden können. Der Anspruch kann auch für einen längeren Zeitraum bestehen, z.B. wenn ein Studium aufgrund des Vergabeverfahrens erst im nächsten Jahr aufgenommen werden kann und dieser Ausbildungswunsch weiterhin besteht.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(22):18-18