Neue Dienstleistungen, bekannte Grenzlinien

Wer darf was?


Dr. Bettina Mecking

Die Vor-Ort-Apotheken müssen sich verstärkt auch durch neue patientenorientierte Dienstleistungen im Wettbewerb behaupten. Wie lösen sie dabei das Spannungsverhältnis zwischen dem eigenen pharmazeutischen Aufgabenkreis und der nicht erlaubten Ausübung der Heilkunde auf?

Mittlerweile gibt es ein breites Angebot verschiedener Schnell- und Labortests, sodass sich Apothekeninhaber zunehmend die Frage stellen, ob deren Abgabe bzw. Durchführung in der Apotheke rechtlich zulässig und zudem pharmazeutisch sinnvoll ist. Etliche neuartige Testgeräte sind dort bereits im Einsatz. Das Thema "Präventions-Diagnostik" scheint – insbesondere nach den Erfahrungen in der Pandemie – an Bedeutung zuzunehmen. Doch was gilt grundsätzlich?

  • Serviceleistungen, die zwingend ein ärztliches Fachwissen erfordern, fallen aus dem Betätigungsfeld des Apothekers heraus und dürfen von der Apotheke nicht angeboten werden, sofern nicht ausdrücklich – wie etwa bei den Grippeimpfungen – der Weg rechtlich geebnet wird. Apotheker, die zusätzlich im Besitz einer ärztlichen Approbation sind, dürfen dennoch in den Apothekenbetriebsräumen keine Sprechstunden abhalten.
  • Bei Dienstleistungsangeboten, die nur eine allgemeine Kenntnis erfordern, darf man die mittelbare Gesundheitsgefährdung nicht aus dem Auge verlieren, die dadurch entstehen kann, dass z.B. der mitgeteilte Messwert vom Kunden (falsch) interpretiert wird und demzufolge die notwendige Konsultierung eines Arztes unterbleibt.
  • Apothekern ist es nicht erlaubt, auf der Grundlage festgestellter Messwerte gegenüber dem Kunden Rückschlüsse auf eine konkrete Krankheit zu ziehen. Bei der Mitteilung von Mess- und Referenzwerten soll der Hinweis erfolgen, dass nur ein Arzt anhand dieser Werte eine Diagnose und Therapie erstellen kann.
  • Bei der Apothekenwerbung für die angebotenen Dienstleistungen ist darauf zu achten, ausreichend klarzustellen, dass gerade keine Diagnose vorgenommen wird.

Covid-19-Antikörperschnelltests

Vollständig geimpfte Personen erhoffen sich von einem Covid-19-Antikörpertest eine Antwort auf die Frage, ob ihr Immunsystem im Falle einer Infektion zurechtkäme oder ob eine Auffrischungsimpfung sinnvoll ist. Auch kann ein positiver Antikörpertest einen Hinweis auf eine zurückliegende Covid-19-Infektion geben, die bislang nicht als solche erkannt wurde. Die mit diesem Angebot verbundenen Fragen sind vielfältig.

Eine Abgabe solcher Tests an den Verbraucher ist nach der Medizinprodukte-Abgabe-Verordnung (§3 Abs. 4 MPAV) nicht möglich. Zwar wurde diese Vorschrift im Zuge der Pandemie dahingehend geändert, dass die Abgabe sogenannter SARS-CoV-2-Selbsttests an Laien erlaubt ist, jedoch gilt diese Ausnahme nach dem klaren Wortlaut nur bezüglich In-vitro-Diagnostika für den direkten Erregernachweis und mit einer Zulassung für die Eigenanwendung.

Sind Antikörperschnelltests in der Apotheke zulässig?

§24 Infektionsschutzgesetz (IFSG) erlaubt Personen unabhängig von ihrer beruflichen Qualifikation die Anwendung von patientennahen Schnelltests auf SARS-CoV-2. Diese Ausnahme gilt sowohl für direkte als auch für indirekte Nachweisverfahren und damit auch für Antikörperschnelltests. Das hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf Anfrage bestätigt.

Die wichtigen Anforderungen für den Umgang mit den Tests finden sich etwa in § 4 Medizinproduktebetreiberverordnung. Wie bei den (Antigen-)Schnelltests zur professionellen Anwendung dürfen auch die Antikörperschnelltests nur von Personen durchgeführt werden, die hierfür ausgebildet oder in den Umgang mit diesen Tests eingewiesen wurden, zum Beispiel durch einen Arzt. Indem man sich sorgfältig mit der Gebrauchsanweisung des Herstellers vertraut macht, kann man auch testspezifische Aspekte berücksichtigen.

Wie aussagekräftig ist das Ergebnis?

Das Ergebnis eines Antikörperschnelltests, so das BMG, ist nicht geeignet, eine bereits durchgemachte Infektion im Nachhinein nachzuweisen und somit auf Basis einer einfachen Impfung den Status "vollständig geimpft" zu erhalten. Dazu bedürfe es eines Antikörpertests aus einem zertifizierten diagnostischen Labor (gemäß Richtlinien der Bundesärztekammer oder durch Akkreditierung nach DIN EN ISO 15189).

Darüber hinaus fehlt aktuell ein offizieller Schwellenwert, ab dem eine Immunität sicher angenommen werden kann. Zudem ist nicht gesichert, ob der Neutralisationstiter eines Patienten allein ausschlaggebend ist und unmittelbar gleichgesetzt werden kann mit dem Schutz vor einem schweren Covid-19-Krankheitsverlauf. Es wird angenommen, dass auch die T-Zell-Antworten oder die Reaktivierung von Gedächtnis-B-Zellen eine Rolle spielen. Es gibt Daten, die einen Zusammenhang zwischen hohen spezifischen Antikörpertitern gegen das Spike-Protein und einem hohen Schutz vor einer Infektion und vor allem vor schweren Verläufen aufzeigen. Ist der Antikörperspiegel jedoch niedrig, ist das nicht automatisch gleichbedeutend mit einem geringen Impfschutz. Auch bei einem niedrigeren Antikörperspiegel konnten zum Teil hohe spezifische T-Zell-Antworten nachgewiesen werden.

"Schnelltests zum Nachweis von Antikörpern stellen aufgrund von zum Teil geringer Sensitivität, Spezifität und des qualitativen Formats kein geeignetes Mittel dar, um virusspezifische Antikörper zu bestimmen", lässt zudem das Robert-Koch-Institut in seinen einschlägigen Publikationen verlauten. Auch für eine Akutdiagnostik seien Antikörpernachweise aufgrund der niedrigen Serokonversionsraten in den ersten ein bis zwei Wochen nach Infektionsbeginn nicht geeignet.

Wegen dieser begrenzten Aussagekraft der Ergebnisse, die in der Regel lediglich eine qualitative Aussage treffen bzw. eine Tendenz aufzeigen, aber keine Gewissheit geben können, ist fraglich, ob Antikörperschnelltests derzeit die Kriterien erfüllen, die an eine apothekenübliche Dienstleistung zu stellen sind. Vielerorts wird daher die Durchführung der Antikörperschnelltests in der Apotheke aufgrund einer unbefriedigenden Genauigkeit dieser Schnelltests kritisch gesehen. Ein Apotheker darf eben lediglich das Testergebnis mitteilen. Für eine medizinische Einordnung des Ergebnisses und eventuelle, daraus resultierende Maßnahmen sollte dem Kunden ein Arztbesuch empfohlen werden.

Vitamin D-Tests in Apotheken

Zur Abklärung eines möglichen Vitamin D-Mangels, gerade im Winter, kommen "Schnelltests für die patientennahe Diagnostik" zur Anwendung. Bei diesen Methoden gibt es eine größere Messunsicherheit. Eine zuverlässige interne oder gar externe Qualitätskontrolle existiert hier regelhaft nicht. Ringversuche zeigen, dass die Methodenunterschiede bei der Vitamin-D-Bestimmung erheblich sind. Die entsprechend hohen Messwertdifferenzen machen es erforderlich, methodenspezifische Zielwerte festzulegen. Das ist den meisten Verbrauchern nicht bewusst. Die Entscheidung, ob es dann sinnvoll ist, Vitamin-D-Präparate zusätzlich einzunehmen, sollte einem Arzt überlassen werden.

Nichtsdestotrotz kann ein Vitamin-D-Schnelltest aus der Apotheke einen ersten Anhaltspunkt über einen eventuellen Vitamin-D-Mangel liefern. Dennoch: Die Angabe eines Vitamin-D-Wertes ohne methodenspezifischen Referenzbereich samt Einheit ist gefährlich und im Grunde wertlos. Leider berücksichtigen viele Veröffentlichungen und die meisten Fachgesellschaften diesen Umstand nicht.

"Immunpass" aus der Apotheke?

Daneben gibt es Angebote wie die Erstellung einer "persönlichen Immunkarte", auf welcher vor allem der QR-Code des offiziellen digitalen Impfzertifikats aufgedruckt ist.

Grundsätzlich dürfte nichts gegen eine solche "Offline-Weiterverarbeitung" durch die Apotheke sprechen. Wer allerdings diese Karte als "Immunpass" anpreist, kann rechtliche Probleme bekommen, weil den Verbrauchern so vorgespiegelt wird, nun ein amtliches Dokument in den Händen zu halten, das überall Anerkennung findet. Oft geht es aber nur darum, etwas alternativ zum Smartphone-Code in den Händen zu halten, was rechtlich unkritisch ist.

Dr. Bettina Mecking, M.M., Fachanwältin für Medizinrecht, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(22):12-12