Wenn die Photovoltaikanlage zur steuerlichen "Liebhaberei" wird

Auffassung kurzfristig geändert


Helmut Lehr

Erst im Juni dieses Jahres hatte das Bundesfinanzministerium verfügt, dass kleinere Photo-voltaikanlagen auf Antrag steuerlich als Privatsache betrachtet werden können. Wegenzahlreicher Zweifelsfragen wurde diese Verwaltungsanweisung schon wieder "ersetzt".

Seit einigen Monaten macht die Finanzverwaltung den Steuerbürgern ein verlockendes Angebot zum Bürokratie-Abbau: Danach können kleinere Photovoltaikanlagen steuerlich als sog. "Liebhaberei" behandelt werden. Das hat den Effekt, dass insoweit keine Gewinnermittlungen mehr eingereicht und erzielte Überschüsse nicht versteuert werden müssen. Die Kehrseite der Medaille ist freilich die fehlende Verrechnungsmöglichkeit von etwaigen Verlusten, die mit der Anlage erzielt werden bzw. wurden (vgl. AWA 20/2021).

Ort des Stromverbrauchs entscheidet

Das erste Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 2. Juni 2021 (Aktenzeichen: IV C 6 – S 2240/19/10006 :006) kam durchaus überraschend: Trotz der enormen Breitenwirkung war es vergleichsweise knapp gefasst und wirkte zumindest in Teilen unausgegoren. Wegen der bestehenden Unklarheiten sah sich das Bundesfinanzministerium offenbar genötigt, umgehend nachzulegen. Mit Schreiben vom 29.10.2021 (Aktenzeichen: IV C 6 – S 2240/19/10006 :006) wurde die bisherige Verwaltungsanweisung nur knapp fünf Monate später ersetzt.

Nun kommt es nicht mehr zwingend darauf an, auf welchem Gebäude die Anlage installiert ist, sondern auf welche Weise der Strom verbraucht wird. Von der Vereinfachungsregelung werden deshalb Anlagen erfasst, deren Strom neben der Einspeisung in das öffentliche Stromnetz ausschließlich in den zu eigenen Wohnzwecken genutzten Räumen verbraucht wird. Der Verbrauch des erzeugten Stroms in einem häuslichen Arbeitszimmer ist unschädlich. Ein (teilweiser) Verbrauch durch einen Mieter oder zu anderweitigen eigenen oder fremden betrieblichen Zwecken (z.B. Strom fürdie Apotheke) muss technisch (!) ausgeschlossen sein.

Betriebliches Arbeitszimmer ist wohl unproblematisch

Es spricht einiges dafür, dass Sie vor diesem Hintergrund den Antrag auch für solche Anlagen stellen können, die sich auf Ihrem privaten Wohnhaus befinden, in dem Sie ein Zimmer als "betriebliches Arbeitszimmer" für die Apotheke nutzen. Ganz zweifelsfrei ist diese Auslegung derzeit aber noch nicht.

Mehrere Anlagen werden zusammengerechnet

Das Bundesfinanzministerium hat zunächst klargestellt, dass Anlagen mit einer installierten Leistung (im Sinne des § 3 Nummer 31 EEG 2021) von bis zu 10,0kW/kWp von der Vereinfachung umfasst werden. Die installierte Leistung bleibt auch dann maßgebend, wenn die maximale Werkleistungseinspeisung aufgrund besonderer Regelungen im EEG auf 70% der Leistung begrenzt ist.

Die Finanzverwaltung hat nun auch ausdrücklich verfügt, dass es auf die Summe der installierten Leistungen aller Photovoltaikanlagen einer steuerpflichtigen Person ankommt.

Antragsfrist

Der Antrag auf Liebhaberei ist für Altanlagen, die vor dem 31.12.2021 in Betrieb gingen, bis zum 31.12.2022 zu stellen. Für sogenannte ausgeförderte Anlagen, die vor dem 1.1.2004 in Betrieb genommen wurden, kann erst nach Ablauf einer 20-jährigen Betriebsdauer zur "Liebhaberei" gewechselt werden.

Es gilt aber nach wie vor, dass Sie diese Thematik vorab sehr gründlich mit Ihrem steuerlichen Berater besprechen sollten, da das Schreiben des Bundesfinanzministeriums weitere Regelungen enthält, die es zu beachten gilt. Das Hauptaugenmerk ist darauf zu richten, ob der Antrag, so er denn gestellt werden kann, überhaupt sinnvoll ist, oder womöglich zu einer Aberkennung von Verlusten aus der Vergangenheit führt.

Auch für Blockheizkraftwerke

Denken Sie daran, dass die Regelungen auch für vergleichbare Blockheizkraftwerke mit einer installierten elektrischen Gesamtleistung von 2,5kW gelten.

Achtung – gesetzliche Neuregelung geplant!

Als ob die Verwirrung bei den Photovoltaikanlagen jetzt nicht schon groß genug wäre, plant der Gesetzgeber eine erneute, womöglich sogar noch viel weitergehende Änderung. Der Bundesrat hat nämlich erst vor Kurzem die Bundesregierung und den Bundestag aufgefordert, noch für den laufenden Veranlagungszeitraum 2021 gesetzlich vorzuschreiben, dass die Erzeugung von Strom aus Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von bis zu 30kW generell einkommensteuerfrei bleibt (vgl. BR-Drucksache 776/21). Auch das hätte eine Schattenseite: Als Folge daraus könnten wohl keine Ausgaben mehr geltend gemacht werden.

Beispiel aus der Praxis

  • Herr Langner betreibt seit dem 1.1.2020 auf seinem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhaus und auf seinem Ferienhaus an der Nordsee, das nicht vermietet wird, je eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von jeweils 4 kW/kWp.
  • Er kann die Vereinfachungsregelung der Finanzverwaltung in Anspruch nehmen, mit der Folge, dass steuerliche Liebhaberei unterstellt wird und die Abgabe einer Gewinnermittlung für die Anlagen nicht erforderlich ist.
  • Hätten beide Anlagen eine installierte Leistung von je 6 kW/kWp, wäre die Grenze überschritten und Herr Langner könnte die Vereinfachungsregelung nicht beanspruchen – auch nicht für nur eine der beiden Anlagen!
  • Übrigens: Erfreulicherweise hat das Bundesfinanzministerium klargestellt, dass – anders als zunächst befürchtet – die Inanspruchnahme der Vereinfachungsregelung nicht zum rückwirkenden Verlust etwaiger Steuervergünstigungen nach § 7g Einkommensteuergesetz (Investitionsabzugsbetrag und Sonderabschreibung) führt, sofern die entsprechenden Jahre bestandskräftig veranlagt sind.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(23):16-16