Ausweg aus dem Dilemma fehlender Fachkräfte

Wie Sie Personal jenseits der EU rekrutieren


Dr. Uwe Weidenauer

Der chronische Personalmangel zwingt Apothekeninhaber dazu, neue Wege zu gehen. Approbiertes Personal aus dem nicht-EU-Ausland zu rekrutieren, ist eine Option mit etlichen Herausforderungen. Wir geben Ihnen praxisnahe Tipps, wie Sie das erfolgreich meistern können.

Seit Jahren fällt die Anzahl an Apotheken in Deutschland, während die Gesamtzahl an Apothekenmitarbeitern steigt. Da die deutschen Apotheken chronisch über Personalmangel klagen, wird eine erfolgreiche Personalakquisition zunehmend zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor.

Gemäß der ABDA-Statistik "Die Apotheke 2021" sinkt die Apothekenzahl seit 2008 stetig: Von 21.602 ist die Anzahl in zwölf Jahren auf 18.753 gefallen, entsprechend einem Rückgang um 13%. Gleichzeitig stieg die Zahl der Apothekenarbeitsplätze stetig an und erreichte 2020 den bisherigen Rekordwert von 160.454. Damit steht fest, dass Apotheken, die weiterhin erfolgreich am Markt agieren wollen, einen kontinuierlich steigenden Personalbedarf decken müssen.

Wachsender Zustrom aus Syrien und dem Balkan

In den vergangenen Jahren ist die Personalakquisition aus dem nicht-EU-Ausland verstärkt in den Fokus gerückt, speziell durch die zahlreichen Syrer, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Des Weiteren bewerben sich zunehmend Approbierte vom Balkan – insbesondere aus Albanien und Bosnien-Herzegowina.

Wir möchten Ihnen in diesem Artikel exemplarisch den Prozess für approbierte Pharmazeuten vom Balkan vorstellen, da diese in der Regel das Hochschulstudium komplett anerkannt bekommen, was bei Kandidaten z.B. aus afrikanischen Ländern oder der arabischen Halbinsel nur selten der Fall ist.

Aufwendiger Prozess bis zur Berufserlaubnis

Prinzipiell benötigen alle Kandidaten eine Berufserlaubnis. Die Grundvoraussetzung für deren Erhalt sind Sprachkenntnisse auf geeignetem Niveau, die durch das B2-Sprachdiplom nachgewiesen werden müssen. Typischerweise machen die Kandidaten das Sprachdiplom in ihrer Heimat (meist in den lokalen Goethe-Instituten) und bewerben sich dann in Deutschland. Nach erfolgreicher Bewerbung benötigen sie einen Arbeitsvertrag, wobei die Bezahlung nach dem ADEXA-Tarifniveau erfolgen sollte. Eine geringere Bezahlung führt mitunter zur Ablehnung der Aufenthaltsgenehmigung, da Behörden eine sittenwidrige Ausbeutung bei untertariflicher Bezahlung unterstellen könnten!

Sobald alle erforderlichen Unterlagen (Ausbildungsnachweise aus dem Heimatland, Führungszeugnis, Gesundheitsattest etc.) beim Regierungspräsidium vorliegen, kann von dieser Behörde die Berufserlaubnis erteilt werden.

Grundsätzlich verlangen alle Bundesländer, dass spätestens bis zur Erteilung der Approbation eine C1-Fachsprachprüfung vorgelegt wird. Manche Bundesländer wie Bayern, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen verlangen das C1-Diplom vor Erteilung der Berufserlaubnis. Andere Bundesländer wiederum – unter anderem Baden-Württemberg und Hessen – verlangen dies erst vor Ablegung der Sachkenntnisprüfung (s.u.) zur Erlangung der deutschen Approbation. Mit der Berufserlaubnis können die Kandidaten bei der Botschaft im Heimatland dann ein Visum für die Bundesrepublik Deutschland beantragen.

Professionelle Hilfe dringend empfohlen

Erst wenn dieser ganze Prozess durchlaufen ist, darf der Kandidat nach Deutschland einreisen und beschäftigt werden. Sind nicht alle Voraussetzungen erfüllt und der Kandidat wird trotzdem beschäftigt, handelt es sich um ein illegales Arbeitsverhältnis. Aufgrund der Komplexität des Prozesses empfiehlt sich dringend eine Zusammenarbeit mit Fachleuten und/oder erfahrenen Vermittlungsagenturen! Diese stellen ggf. auch den Kontakt zu geeigneten Kandidaten her, was eine Menge Zeit und Geld sparen und vor möglichen Strafen schützen kann. Die Kosten für die Vermittlungsarbeit der Agenturen bewegen sich im zumindest niedrigen fünfstelligen Bereich (ab etwa 10.000 €).

Approbierte im PTA-Modus

Wenn alle rechtlichen Anforderungen erfüllt sind, dürfen die Kandidaten als Apotheker/in unter Aufsicht mitarbeiten. Früher war das rechtlich nur zulässig bei dem Arbeitgeber, für den die Berufserlaubnis erteilt wurde. Doch sind mittlerweile fast alle Bundesländer dazu übergegangen, die Berufserlaubnis auf alle Apotheken des jeweiligen Bundeslandes auszudehnen.

Zwar gehören die Kandidaten mit der erteilten Berufserlaubnis zum pharmazeutischen Personal, sie dürfen aber dennoch keine pharmazeutischen Tätigkeiten ohne Aufsicht ausführen. Somit sind die Vertretung von Approbierten oder das Ableisten von Notdiensten streng untersagt. Im Prinzip entspricht das Tätigkeitsprofil dem einer Pharmazeutisch-technischen Assistentin (PTA) ohne Beratungsbefugnis.

Erfolgsfaktor 1: Unterstützung bei der Sprachprüfung

Für die Beantragung der Sachkenntnis-Prüfung – faktisch das dritte pharmazeutische Staatsexamen – verlangen die Regierungspräsidien die Einreichung sämtlicher Unterlagen des Studiums mit Lehr- und Prüfungsinhalten in deutscher Übersetzung. Hiermit wird die Gleichwertigkeit der Ausbildungen geprüft und ein sogenannter "Defizitbescheid" erstellt. Um die Examensprüfung absolvieren zu können, wird spätestens an diesem Punkt eine C1-Fachsprachprüfung verlangt, welche die zuständige Apothekerkammer abnimmt. Eine gute Vorbereitung auf die Sprachprüfung ist sicherlich die Mitarbeit im Apotheken-Handverkauf, da die Prüfungen häufig als simulierte Beratungsgespräche abgehalten werden. Allgemeine sprachliche Defizite können beispielsweise in Volkshochschulkursen ausgebessert werden.

Nach erfolgreicher Sprachprüfung kann das dritte pharmazeutische Staatsexamen in Angriff genommen werden. Auch hier sollten die Apothekeninhaber die Kandidaten aktiv unterstützen. Ein Besuch der Unterrichtsveranstaltungen der Apothekerkammern sowie von privaten Anbietern ist hier zu empfehlen. Nach erfolgreich bestandener Prüfung kann dann die deutsche Approbation beantragt werden. Wie bei deutschen und EU-Antragsstellern auch, muss die Zuverlässigkeit durch ein polizeiliches Führungszeugnis und die gesundheitliche Eignung per ärztlichem Attest nachgewiesen werden.

Erfolgsfaktor 2: Wohnraum und soziale Eingliederung

Aufgrund der akuten Wohnungsnot – speziell in den wirtschaftlichen starken Regionen Deutschlands – empfiehlt sich der Ankauf oder die Anmietung von Betriebswohnungen, welche die Apothekenleiter den Kandidaten zumindest für die ersten Monate als "Landeplattform" stellen sollten. Das hilft den neuen Mitarbeitern, anzukommen und für sich und ihre Familien herauszufinden, was die optimale Wohnlage für sie ist.

Einwanderer aus Bosnien und Herzegowina leben seit Jahrhunderten nebeneinander in einer Bevölkerung verschiedener Religionen und Glaubensrichtungen. Insgesamt gestaltet sich das Zusammenleben sehr tolerant, und Menschen bosnischer Herkunft sind durch ihre gesellschaftliche Prägung erfahrungsgemäß sozial leicht integrierbar. Apothekenleiter sowie die Apothekenteams sollten die soziale Einbindung der neuen Mitarbeiter in der Anfangszeit aktiv unterstützen.

Einwanderer aus Albanien sind überwiegend muslimischen Glaubens und nur in der Minderheit Christen. Auch hier gibt es in der Regel keinerlei Probleme mit der Integration und schlussendlich auch der Akzeptanz bei der Apothekenkundschaft. Bei Absolventen albanischer Hochschulen ist bezüglich des Ausbildungsniveaus grundsätzlich Vorsicht geboten: In der Regel sind die Hochschulen in Kroatien, Serbien und Bosnien-Herzegowina besser ausgestattet und bieten ein höheres Ausbildungsniveau. Dieses prüft schlussendlich das Regierungspräsidium im Rahmen der Zulassung zur Prüfung. Dabei handelt sich jeweils um Fall-zu-Fall-Entscheidungen.

Dr. Uwe Weidenauer, Apothekeninhaber, Geschäftsführer Gesundheit247 GmbH, 69469 Weinheim, E-Mail: awa@gesundheit247.academy

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(23):8-8