Interview mit Daniel Zehnich von der apoBank

"Das Versorgungsangebot ist stabil geblieben"


Dr. Hubert Ortner

Weder die Zahl der Arztpraxen noch der Ärzte ist die akkurate Messgröße für die ambulante medizinische Versorgung – und damit auch die Zahl an Rezeptverschreibungen –, sondern die effektive "Arztzeit". Und die ist seit 2015 stabil geblieben, erklärt Daniel Zehnich.

Daniel Zehnich, Leiter Konzernstrategie und Gesundheitsmarkt der apoBank: "Die Zahlen zeigen, dass niedergelassene Ärzte auf dem Land im Schnitt oft höhere Überschüsse als in den Städten erzielen. Die Niederlassung auf dem Land lohnt sich also!"

Wie hat sich die Gesamtzahl der deutschen Arztpraxen nach den Zahlen der apoBank in den letzten fünf Jahren entwickelt? Bleibt die Basis der flächendeckenden medizinischen Versorgung stabil, gibt es eine Konsolidierung oder gar einen Zuwachs bei den Praxen?

Zehnich: Die Zahl ärztlicher Existenzgründungen, die wir als apoBank begleiten, war in den letzten Jahren leicht steigend. Die Gesamtzahl an Praxen ist in den letzten fünf Jahren allerdings um 6% gesunken [1] (s. Grafik im Artikel "Rekordinvestitionen bei Arztpraxis-Gründungen"). Ursachen dafür sind die Zusammenlegung von Praxen, der Trend zur Anstellung sowie Schließungen. Im selben Zeitraum ist die Anzahl an Ärzten im ambulanten Bereich um 5% gestiegen [1]. Das liegt vor allem daran, dass sich immer mehr Ärzte für eine Anstellung in einer Praxis entscheiden.

Genau genommen ist aber erst der durch die Mediziner erbrachte Versorgungsumfang der wirkliche Indikator dafür, wie viel "Arztzeit" für die ambulante Versorgung tatsächlich zur Verfügung steht: Dieser ist über die letzten fünf Jahre trotz steigender Ärztezahlen nahezu konstant geblieben, da immer häufiger Teilzeitarbeit in Anspruch genommen wird.

Fazit: Trotz rückläufiger Zahlen bei den Arztpraxen ist das bundesweite ambulante ärztliche Versorgungsangebot in den letzten fünf Jahren stabil geblieben.

Welche Tendenz erwarten Sie für die nächsten drei Jahre?

Zehnich: Der Trend zur Anstellung wird weiter zu einer rückläufigen Gesamtzahl an Arztpraxen führen. Auch die Möglichkeiten, in einer Kooperation Skaleneffekte durch gemeinsame Räume, Personal oder Geräte zu nutzen, tragen dazu bei, dass Ärzte sich zusammenschließen. Allerdings wird die Arztzeit dadurch nicht zwangsläufig weniger.

Wie stark schlägt sich die Entwicklung, dass es Ärzte, die eine Praxis übernehmen oder neu gründen wollen, viel häufiger in Städte und Ballungsgebiete als in ländliche Regionen zieht, in den Gesamtzahlen nieder? Verschärft sich die medizinische Unterversorgung auf dem Land?

Zehnich: Nach unseren Zahlen hat die Förderung der Niederlassung in ländlichen Gebieten in den letzten zehn Jahren durchaus Wirkung entfaltet: Seit 2010 hat sich der Anteil der ärztlichen Existenzgründer dort verdoppelt. Besonders die hausärztliche Versorgung auf dem Land bekam Auftrieb: Während der Anteil der 2009/2010 gegründeten hausärztlichen Praxen nur bei 6% lag, stieg er in den darauffolgenden zwei Jahren auf etwa 10%. Diese Größenordnung blieb bis heute stabil.

Die aktuellen Existenzgründungen in ländlichen Regionen genügen jedoch nicht, um dort eine zufriedenstellende ärztliche Versorgung zu gewährleisten. Wir beobachten in den letzten Jahren, dass Praxisschließungen die Anzahl der Gründungenübersteigen. Dabei zeigen die Zahlen, dass niedergelassene Ärzte auf dem Land im Schnitt oft höhere Überschüsse als in den Städten erzielen. Die Niederlassung auf dem Land lohnt sich also!

Wie hat sich Corona-Krise auf die Übernahme bestehender bzw. die Gründung neuer Arztpraxen ausgewirkt?

Zehnich: Wir spüren bislang keine großen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Niederlassungsgeschehen. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass Existenzgründungen eine längere Vorlaufzeit haben.

Das Interview führte Dr. Hubert Ortner

[1] Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung

Dr. Hubert Ortner, Biochemiker, Chefredakteur AWA, E-Mail: hortner@dav-medien.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(24):8-8