Steuerliches Desaster: Verkauf wegen drohender Zwangsversteigerung

Die teuren Folgen einer Ehescheidung


Helmut Lehr

Wenn die Ehe zerbricht, ist die weitere Nutzung des gemeinsamen Eigenheims nicht selten problematisch. Steuerliche Risiken tun ihr Übriges. Vor einem Verkauf sollte die Situation grundlegend analysiert werden, um nicht Gefahr zu laufen, Spekulationssteuer zahlen zu müssen.

Wer eine Immobilie im Privatvermögen besitzt und diese innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist veräußert, muss den erzielten Gewinn versteuern. Ausgenommen von der Spekulationssteuer sind selbstgenutzte Objekte. Bei welchen Fallgestaltungen noch eine Selbstnutzung vorliegt, ist insbesondere bei Scheidungen nicht immer eindeutig.

Ein Fall aus der Praxis

Die Eheleute Niedermeyer hatten im Dezember 2010 je zur Hälfte ein Eigenheim erworben. Wegen Ehestreitigkeiten ist Herr Niedermeyer im August 2017 ausgezogen, seine Frau und der gemeinsame minderjährige Sohn blieben weiterhin dort wohnen. Die Ehe wurde im Juni 2019 förmlich geschieden. Im Rahmen einer sog. Scheidungsfolgenvereinbarung veräußerte Herr Niedermeyer im August 2019 seinen hälftigen Miteigentumsanteil an seine frühere Gattin. Diese hatte zuvor mit einer Zwangsversteigerung des Objekts gedroht.
Hinweis: Weil die Zehnjahresfrist zum Zeitpunkt des Verkaufs noch nicht abgelaufen war, versteuerte das Finanzamt den Gewinn, den Herr Niedermeyer aus der Veräußerung erzielt hat.

So wie der im Beispiel beschriebene Fall liegt, könnte Herr Niedermeyer insbesondere mit zwei Argumenten versuchen, das Finanzamt umzustimmen:

  • Zum einen könnte er anführen, dass er gar keinen Veräußerungswillen gehabt habe, weil er lediglich der angedrohten Zwangsversteigerung entgehen wollte.
  • Zum anderen könnte er argumentieren, dass sein Miteigentumsanteil quasi unentgeltlich durch seinen Sohn genutzt wurde, was wiederum als Selbstnutzung gewertet werden könnte.

Zur Erinnerung: Die Spekulationsbesteuerung greift nicht für solche Objekte, die zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Dafür genügt bereits eine Nutzung im Jahr der Veräußerung und in den beiden Jahren zuvor (vgl. AWA 24/2019).

Finanzgericht fährt harte Linie

In einem vergleichbaren Fall blieben diese Argumente vor Gericht allerdings erfolglos. Mit Urteil vom 11.3.2021 (Aktenzeichen: 11 K 2405/19) hat das Finanzgericht München entschieden, dass der Spekulationsgewinn zu versteuern sei. Die Annahme einer echten Zwangslage aus steuerlicher Sicht setze voraus, dass der Verkäufer sein Eigentum aufgeben musste, ohne dass er darauf maßgeblich einwirken konnte (wie etwa bei einer tatsächlich stattfindenden Zwangsversteigerung). Weil er hier jedoch gegenüber der Zwangsversteigerung einen besseren Preis erzielen wollte, hätte er insoweit schon aus freien Stücken gehandelt.

Zum zweiten Argument wurde Folgendes geurteilt: Zwar ist die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung an nahe Angehörige zur alleinigen (!) Nutzung steuerlich betrachtet – zumindest in gewissen Bereichen – durchaus einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken gleichzustellen. Allerdings sei es einem minderjährigen Kind kaum möglich, einen eigenständigen Haushalt zu führen, zumal die Mutter ebenfalls im gleichen Haushalt lebte.

Ob der Bundesfinanzhof die Sache genauso streng beurteilt wie das Finanzgericht München, ist offen. Zu vergleichbaren Konstellationen gibt es – soweit ersichtlich – bis dato noch keine oberste Rechtsprechung. Das Revisionsverfahren ist jetzt unter dem Aktenzeichen IX R 11/21 anhängig. In ähnlichen Fällen sollte der Steuerbescheid vorsorglich offengehalten werden.

Besser ist es allerdings, gar nicht erst in die Steuerfalle hineinzutappen. Dazu darf – wenn es irgendwie möglich ist – der Verkauf erst nach Ablauf der Zehnjahresfrist erfolgen.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(24):18-18