Fehler, die Kunden den Apotheken nicht verzeihen

Wie man seine Kunden effektiv verscheucht


Karin Wahl

Über Kundenbindung wird viel geschrieben, und deshalb unterweisen wir Sie diesmal in der gegenteiligen "Kunst" – wie man diese schnell wieder los wird. Daraus lässt sich gut ableiten, an welchen Stellschrauben sich zu drehen lohnt, damit Ihre Offizin ein Kundenmagnet bleibt.

Die Initialzündung für diesen Artikel war eine unschöne Erfahrung an einem kalten, nieseligen November-Spätnachmittag in der Warteschlange vor einer Apotheke. Diese umfasste bis zu zwölf Personen, die im wörtlichen Sinne im Regen stehen gelassen wurden: Mütter mit rebellierenden Kindern, Senioren mit Rollator und Kunden, die "eigentlich" nur eine Vorbestellung abholen wollten und frierend auf der Stelle traten. Empörung lag in der Luft und immer wieder hörte man den Reizwortsatz für Apotheker: "Das nächste Mal bestelle ich online!"

Dabei sind die meisten Apothekenkunden entweder alt und krank oder anderweitig schutzbedürftig wie etwa Säuglinge und Kleinkinder. Gerade für diese Zielgruppe sollte der Besuch in der Offizin positiv verlaufen.

Exkurs 1: Probleme niemals auf "Kunde König" abwälzen

In dem Negativbeispiel, das zu Beginn des Artikels geschildert wird, hat die Autorin beim Personal nachgefragt, was die konkreten Gründe für die chaotischen Zustände waren. Offensichtlich bedienten an diesem Tag nur zwei – anstatt der üblichen sechs – Mitarbeiterinnen am HV-Tisch. Das lag daran, dass die Chefin erkrankt war, zwei Kolleginnen ihren freien Tag hatten und die sechste Mitarbeiterin gerade Medikamente ausfuhr. Zudem waren die beiden HV-Kräfte noch sehr jung und hatten wenig Berufserfahrung.
Das Fass zum Überlaufen gebracht hatten schließlich zwei besonders "schwierige" Kunden, die den ganzen Betrieb mit ihren Fragen zusätzlich aufgehalten haben. All das zusammen hat letztlich zu der langen Warteschlange mit den zwölf "Opfern" geführt.
Die Kunden interessiert aber nicht, warum wer nicht da war, sondern sie ärgern sich schlicht darüber, dass sie in der Kälte und im Regen warten müssen. Das Personalmanagement des Apothekeninhabers ist allein sein Problem – wird dieses auf die Kunden abgewälzt, dann sind diese schneller weg als man bis drei zählen kann!

Haben wir unsere Corona-Hausaufgaben gemacht?

Es steht zu befürchten, dass der zweite Corona-Winter, der vor der Tür steht, noch heftiger ausfallen dürfte als der letztjährige. In diesem Kontext lautet die Gretchenfrage: Haben wir Apotheker unsere Lektionen im letzten Jahr gelernt und in den Sommermonaten, als die Pandemie scheinbar pausiert hat, unsere Hausaufgaben gemacht? Tatsächlich haben viele Apotheken in der Corona-Pandemie einen super Job gemacht, waren ausgesprochen kreativ und haben die Ehre des Berufsstandes hoch gehalten. Nicht umsonst sind wir von der Regierung als systemrelevant erklärt worden!

Stammpersonal mit Aushilfen entlasten

Das gilt es auch in diesem Winter wieder unter Beweis zu stellen, etwa indem man der Pandemie angepasste Personaleinsatzpläne aufstellt und dazu – sofern möglich – frühere Mitarbeiter wieder rekrutiert. Diese können dann als Aushilfen das Stammpersonalentlasten, indem sie sich zum Beispiel um die Warenannahme, buchhalterische Aufgaben oder das Auffüllen und Ausfahren der bestellten Ware kümmern, Stammkunden anrufen, ob sie außer den bestellten Artikeln noch etwas aus der Apotheke brauchen etc. Auf diese Art entlastet, kann das erfahrene Personal in der Offizin seine volle Konzentration auf die Kunden – gerade auch die "schwierigen" – richten und den Bedienvorgang steuern.

Frostige Aussichten vor der Apotheke

Die Crux der meisten Apotheken ist, dass die kleine Offizin mit den Hygienevorschriften fast nicht kompatibel ist. Damit bleibt nur der Ausweg, die Zahl der in die Apotheke gelassenen Kunden auf zwei, maximal drei Personen zu limitieren – mit all den Konsequenzen, die der nasse und kalte Winter mit den vor der Türe wartenden Kunden mit sich bringt.

Freilich gibt es auch positive Beispiele von Kollegen, die leerstehende Räume in der Nachbarschaft zu Testzentren umfunktioniert oder ihren Lieferdienst deutlich ausgebaut haben – ergänzt durch Anrufe oder Prospekte, um den fehlenden HV- und Freiwahlumsatz aufzufangen.

Leider haben viele Apotheken – das Beispiel am Anfang war nur eines von vielen, wenngleich ein besonders drastisches – ihren "Laden" in den letzten Jahren einfach laufen lassen, in der Annahme, dass die Kunden ohnehin auf sie als einzige Apotheke am Ort angewiesen seien. Das ist ein großer Irrtum! Die Kunden von heute sind viel selbstbewusster als noch vor 30 Jahren.

Corona ist nicht an allem schuld

Der Versandhandel, der die gut verpackte Ware diskret an die Wohnungstür liefert, ist sicher ein großer Gewinner dieser Entwicklung, die man in den letzten Jahren beobachten konnte.

Zusätzlichen Rückenwind bekommen die Versender durch die coronabedingte Ausnahme- und Krisensituation in vielen niedergelassenen Apotheken, die schlicht mit der Situation überfordert sind.

Es wäre jedoch zu einfach, das Apothekensterben, das sich nun schon einige Jahre beobachten lässt, alleine auf die Folgen der Pandemie zu schieben: Schließlich mussten auch schon vor Beginn der Corona-Krise zahlreiche Apotheken das Handtuch werfen.

Die Gründe dafür sind vielschichtig: Viele Apotheker sind müde, träge oder schlicht unwillig, sich auf neue Entwicklungen einzulassen und zum Beispiel etwas Geld in die Hand zu nehmen, um die eigene Offizin optisch moderner zu gestalten und damit für die Kunden aufzuwerten.

Manche Maßnahmen hätten nicht einmal viel Geld gekostet und dennoch Umsatzzuwächse beschert. So haben Apotheken viele Kunden regelrecht verscheucht und in die Arme der Versender getrieben.

Exkurs 2: Warum Kunden sich von Apotheken abwenden

  • Exklusive Öffnungszeiten inklusive Mittagspause, während die umliegenden Geschäfte durchgehend geöffnet haben. Das war und ist eines der Hauptärgernisse bei Kundenbefragungen!
  • Zu wenig und zum Teil schlecht ausgebildetes Personal, das nicht aktiv berät und die Kunden zu wenig beachtet
  • Fehlende Beratungsecke für eine diskrete Beratung
  • Schlechtes Betriebsklima
  • Der Chef ist selten präsent, damit fehlt die Vorbildfunktion
  • Schlechte Beleuchtung und dunkle Einrichtung
  • Lieblose Schaufenstergestaltung
  • Kaputte Außenbeleuchtung
  • Abgetretener Bodenbelag
  • Fehlende Barrierefreiheit
  • Sprachprobleme zwischen Kunden und Mitarbeitern
  • Eingeschränkter Lieferservice
  • Personal ohne Namensschild und Berufsbezeichnung
  • Zu wenig Fortbildung und Personalschulungen
  • Kein gelebtes QMS

Niemand kann sich auf den Lorbeeren von gestern ausruhen

Deshalb unsere Empfehlung: Apotheker sind immer noch ein angesehener Berufsstand, der allerdings sein Licht zu oft unter den Scheffel stellt. Doch kann es sich heutzutage niemand mehr leisten, sich auf den Lorbeeren vergangener Tage auszuruhen – dafür ist die Konkurrenz einfach zu groß: Gerade die Versender nutzen jede Schwäche bei den Vor-Ort-Apotheken aus und schlagen für sich Kapital daraus. Deshalb gilt es mehr denn je, auf der Höhe zu Zeit zu bleiben und das Fachwissen, die qualifizierte Beratung sowie den Kundenservice hochzuhalten – dann gibt es keinen Grund, pessimistisch in die Zukunft zu blicken!

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Unternehmensberatung e.K., 70195 Stuttgart, E-Mail: karinruthwahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(24):10-10