Vor den Kopf gestoßen

Liebe Leserinnen und Leser,

Applaus für erschöpfte Pflegekräfte, warme Worte für Corona-müde Apotheker: Wenn hohle Gesten und leere Phrasen an die Stelle echter Wertschätzung treten, dann ist der Tatbestand der Heuchelei zweifelsohne erfüllt. Anstatt die unzähligen Extrameilen zu honorieren, die Apotheker während der Pandemie gegangen sind, stößt das BMG sie mit seinem Testballon namens "GKV-Finanzstabilisierungsgesetz" regelrecht vor den Kopf: Sollte dieses eins zu eins umgesetzt werden – bezeichnenderweise ist der Entwurf kurz nach seinem Auftauchen schon wieder in der Versenkung verschwunden – dann würden die darin aufgeführten Maßnahmen voll auf Ihre Erträge durchschlagen und diese um 230 Mio. € im Jahr schmälern. Das Signal ist verheerend: Was auch immer Politiker sonntags in irgendwelchen Talkshows von sich geben, ist ein paar Montage später – wenn die nächste Sparrunde ansteht – nicht mehr relevant.

Genau das Gegenteil wäre vonnöten: Schließlich geht die Schere zwischen explodierenden Kosten – abzulesen an der aus dem Ruder laufenden Inflation – und weitgehend gedeckelten Einnahmen immer weiter auseinander. Ist dem Bundesgesundheitsminister ein flächendeckendes Apothekennetz wirklich ein Anliegen? Auch dann, wenn die Kameras ausgeschaltet sind? Dann sollte er endlich die längst überfällige Strukturreform des Apotheken-Honorars mit dynamischem Inflationsausgleich anpacken, statt den nächsten Aderlass vorzubereiten. Und dabei die Corona-Einmaleffekte tunlichst herausrechnen. Oder erwartet er allen Ernstes, dass die Apotheker es einfach stillschweigend ertragen, dass ihre Erträge nicht mehr tragen? Eine unerträgliche Vorstellung.

Es grüßt Sie herzlichst

Ihr

Dr. Hubert Ortner