„Nichts ist unmöglich …“

Auf in die Mangel- und Kriegswirtschaft?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Was waren das für Zeiten, als "Nichts ist unmöglich …" noch für harmlose Autowerbung stand. Und nun ist die einst pfiffige Kleinstwagen-Werbebotschaft "Reduce to the Max" (seinerzeit für den Smart) womöglich bald die Maxime für unser Alltagsleben.

Ein aggressives Russland, nun wieder das "Reich des Bösen", das bislang 14% bis 17% des Weltenergiemarktes für Öl, Kohle und Gas repräsentierte, hat derzeit noch das Potenzial, unsere komplexen Wertschöpfungsketten gründlich zu durchkreuzen.

Während Öl und Kohle auf dem Weltmarkt breit gehandelt und flexibel transportiert werden, sieht es bei Erdgas anders aus. Nicht ohne Grund werden teure Pipelines errichtet, denn die Verflüssigung von Erdgas, überwiegend Methan, auf 1/600stel zu LNG frisst bis zu einem Fünftel der enthaltenen Energie, plus Transportaufwand per Schiff. Alle 600 Flüssiggastanker der Welt haben eine Transportkapazität um 45 Mio. Tonnen LNG, entsprechend etwa 600 Terawattstunden Energieinhalt, sind Wochen für die Hin- und Rückfahrt unterwegs – und langfristig unter Vertrag, gern nach Asien. Schwimmterminals müssen fehlende LNG-Anlandestellen provisorisch ersetzen. Hierzulande benötigten wir bisher etwa 1.000 Terawattstunden (TWh) Gas pro Jahr, im Sommer 40 TWh im Monat, winters gern über 120 TWh, und bislang etwa die Hälfte davon aus Russland. Andere europäische Länder wie Italien sind ebenfalls stark auf Gas fixiert. Selbst wenn Nachbarländer jetzt die eine oder andere Terawattstunde kompensieren – allein diese Zahlen zeigen, dass ein mögliches Gasembargo ein sehr dickes Brett ist.

Könnten wir uns wenigstens durch puritanisches Sparen "befreien"? Den zwei Milliarden gasbeheizten Wohn-Quadratmetern könnten wir durch zwei bis drei Grad niedrigere Raumtemperatur 20 oder 30 KWh pro Jahr und Quadratmeter abluchsen – macht in der Summe 40 bis 60 TWh von 1.000 insgesamt.

Der Oldie Tempolimit würde je nach Tempogrenzen auf Autobahn und Landstraße unter 3 bis allenfalls 5 Milliarden Liter Kraftstoff im Jahr sparen – bei einem Gesamtverbrauch um 65 Mrd. Liter. Nebenbei büßt der Staat inklusive Mehrwertsteuer dann auch je Liter 56 Cent (Diesel) bzw. 78 Cent (Benzin) ein, während Russland für einen Liter Rohöl auch um 60 Cent erhält, abzüglich Krisendiscount bei Verkauf an "Freunde". Das ist also letztlich alles Symbolpolitik. Echtes Sparen liefe auf einen regelrechten "Kriegs-Lockdown" hinaus, gewisse Vorübung besteht ja bereits.

Dann droht schlichte Rationierung. Gäbe es z.B. nur noch 50 Liter Sprit je Auto und Monat (übertragbar), spart das fast 20 Milliarden Liter jährlich. Analoges wäre bei Gas zu erörtern, aber schwieriger umsetzbar. Fokussiert und mengenmäßig am wirksamsten würde man in der gashungrigen Industrie ansetzen, mit fatalen Auswirkungen auf die Produktionsketten.

Der energetische Impact von Nahrungsmitteln ist ebenfalls hoch. Un- bzw. gering verarbeitete Produkte schneiden viel günstiger ab – regionaler Wochenmarkt statt Vollsortimenter! Die Küche bliebe öfters kalt (Sie wissen schon, Energie …), aber mal ehrlich: Welches Lebewesen auf der Welt außer uns kocht schon? Fleisch würde womöglich zum raren Luxusgut. Schon allein, weil Futtermittelflächen für Energiepflanzen genutzt werden könnten. Und wenn die Produktionsketten für Medikamente und Medizinprodukte ins Trudeln kommen (das geht ziemlich fix …), dann herrscht auch in den Apotheken "new world order". Wohl dem, der über eine gut sortierte Rezeptur mitsamt Vorrat an Basiswirkstoffen verfügt.

So eine vermeintliche Autarkie, tatsächlich nur der Tausch von Abhängigkeiten, getragen von ganz viel Empathie, Wind, Sonne, Luft und Liebe, hat schon noch etwas sozialromantisch-Abenteuerhaftes mit vielen Unsicherheiten und Versatzstücken. Oder ist am Ende gar der Crash die Lösung? Lernen durch Leiden? Echte Not und Härte als heilsames Korrektiv einer wohlstandsverwöhnten "Generation Schneeflöckchen"? Betrachtet man so manche Diskussion, könnte da mehr dran sein, als man vernünftigerweise hofft.

Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Und so setzt sich am Ende vielleicht schneller als gedacht allseits die Vernunft durch, nicht nur "pecuniae causa", sondern im Angesicht eines für alle drohenden Schreckens ohne Ende.

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

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