Chronischer Personalmangel in Apotheken

Fallen Sie nicht durchs digitale Suchraster!


Michael Jeinsen

Wer neues Fachpersonal für seine Offizin sucht, sollte die Spielregeln des leer gefegten Arbeitnehmermarktes kennen und beherzigen. Social-Media-Posts zum Innenleben Ihres Apothekenteams können ein Schlüssel sein, um wechselwillige PKA, PTA oder Apotheker anzulocken.

Viele Apotheken können ihren Personalbedarfnicht mehr decken: Stellenanzeigen und Headhunter bringen kaum noch Kandidaten, die langfristig ins Apothekenteam passen. Zudem stehen die Erwartungen der Bewerber an Entlohnung und Arbeitsbedingungen oft im krassen Gegensatz zur erwart- und beobachtbaren Leistung. Unvollständige Apothekenteams jedoch sind chronisch überlastet, die Arbeitsqualität sinkt, Fehler schleichen sich ein. Durch Vakanzen derart angespannte Arbeitssituationen belasten den Teamgeist, Konflikte nehmen zu, Motivation und Einsatzbereitschaft sinken. Und weil die Öffnungszeiten kaum noch mit Angestellten abgedeckt werden können, gleichen die Inhaber unbesetzte Stunden selber aus. Dadurch fehlt es an Zeit und Ressourcen, sich den neuen Anforderungen eines modernen Recruitings im digitalen Zeitalter zu stellen. Eine Negativspirale mit gefährlicher Dynamik.

Wer ein vollständiges und zufriedenes Apothekenteam haben möchte, muss heute mehr bieten als "Tarifgehalt + X", denn die Mitarbeiter von morgen erwarten Sinn und Selbstverwirklichung statt Lohnarbeit in vorgegebenen Routinen. Allein mit Geld scheitern Apotheken immer öfter an einer Kernforderung junger Leute: der Vereinbarkeit von beruflichem und privaten Leben – neudeutsch "Work-Life-Balance". Darüber hinaus wollen nachrückende Fachkräfte im Job eigene Akzente setzen und wissen, warum sie etwas tun. Genau hierin liegt auch eine große Chance für Apotheken – um diese zu nutzen, braucht es jedoch erst ein grundsätzliches Umdenken.

Recruiting 2.0: Der Arbeitgeber bewirbt sich

Der aktuelle Arbeitnehmermarkt gibt die Regeln vor, wie sich neues Personal rekrutieren lässt: Wenn nämlich allein die Kandidaten darüber entscheiden, wo sie sich bewerben wollen, sollten Sie sich als Apothekeninhaber/-leiter exakt dort ansprechend und unverwechselbar als Arbeitgeber präsentieren, wo sich junge Fachkräfte informieren.

Die bisherigen Personal-Suchwege scheitern immer häufiger, weil Arbeitnehmer sich heute quasi selbst aussuchen können, wo sie arbeiten wollen. Suchende Apotheken sollten daher gezielt auf Initiativbewerbungen setzen. Und die können nur von dorther kommen, wo diese Fachkräfte Informationen aufnehmen, liken und teilen – also den neuen Medien. Das zeigt sich schon daran, dass die sozialen Plattformen voll von Apotheken-Stellenanzeigen sind. Nur haben diese meist einen grundsätzlichen Fehler: Sie informieren zwar darüber, dass Apotheken neue Mitarbeiter suchen, bieten aber in der Regel keinerlei Informationen – oder, noch besser, Infotainment –, was potenzielle Kandidaten dort vorfinden werden.

Online hakt es in der Branche noch gewaltig, und nur wenige Apotheken sind mit ihren Webseiten und ihrer Präsenz in den neuen Medien wirklich konkurrenzfähig. In den allermeisten Fällen mangelt es an interessanten Themen auf den Team- und Karriere-Seiten. Oft fehlen solche komplett. Apothekenpräsenzen auf Facebook, Instagram & Co. duplizieren meist lediglich den Webseiten-Content – von den Öffnungszeiten über den Notdienstkalender bis zum aktuellen Sonderangebot.

Sind es nicht so gut wie immer Dinge, die "hinten" passieren, die eine spontane Job-Wechselbereitschaft auslösen? Denn heute entscheiden eben – ob einem das als Arbeitgeber passt oder nicht – allein die online Suchenden darüber, welche Arbeitgeber in die engere Auswahl kommen. Und das tun sie ganz nach ihren eigenen Spielregeln.

Nachrichten-Tortenstücke als Appetit-Macher

Was können Sie nun als Apothekeninhaber/ -leiter konkret dafür tun, nicht durchs "Suchraster" der jungen Generation zu fallen und damit von vornherein als möglicher Arbeitgeber ausgeschlossen zu werden …?

Grundsätzlich bewährt haben sich "Nachrichten-Tortenstücke", die von gestressten Chefs, langer Vakanzen-Mehrarbeit, hochnäsigem Praxispersonal oder frechen Anrufern genervten Fachkräften zeigen, dass es auch anders geht. "Good News" aus dem Apothekenalltag bauen solche User auf, machen neugierig und motivieren im Idealfall schlussendlich, es mal mit dieser (= Ihrer Apotheke) zu versuchen.

Dazu ein aktuelles Beispiel aus der eigenen Praxis, anlässlich eines Besuchs einer von uns betreuten Apotheke in jüngster Vergangenheit. Dort wurden wir quasi hinter den HV "befohlen", denn dort gäbe es Torte, von der wir unbedingt ein Stück probieren müssten.

Die Torte zum zehnten Jubiläum der Potsdamer Nowares-Apotheke war von der Ehefrau des Inhabers Matthias Gartschock als Dank an alle Mitarbeiter gestiftet worden. Sie stand mitten auf dem Besprechungstisch, und jeder konnte sich bedienen. Es herrschte eine offene, vertraute und gelöste Stimmung. So sieht ein funktionierendes Team aus!

Solche Mini-Ereignisse sind deshalb besonders wertvoll, weil sie dazu beitragen, das Team zusammenzuhalten – schließlich ist jede Kündigung eine zu viel, zumal wenn sie sich durch solche kleinen Investitionen hätte verhindern lassen. Aber es gibt in dem Beispiel auch einen Aspekt, der über das bestehende Team hinausgeht: Warum nicht solche Ereignisse wie die "Apothekentorte" in Ihren sozialen Medien teilen? Das wirkt sympathisch und authentisch – und bringt Traffic auf den Social-Media-Account Ihrer Apotheke. Im Idealfall sogar eine Initiativbewerbung ...

Mitarbeiterbindung und -gewinnung gehören zusammen

Fluktuationen und Vakanzen sind Gift für jede Apotheke: Das Restteam muss Mehrarbeit leisten, die Nachfolgesuche kostet Zeit und Geld, zudem unterminieren häufige Personalwechsel die Kundenbeziehung. Deshalb wird es zunehmend wichtiger, sich präventiv online um eine zukünftige Vollbesetzung zu kümmern.

Das ist übrigens einfacher, als gedacht: Wetten, dass auch in Ihrer Apotheke jedes Teammitglied mal eine besondere Ehrung verdient hat – und sei es nur der neue Kaffeevollautomat in stressigen Zeiten? Und wetten, dass es Woche für Woche spannende Themen gibt, die neben Ihren Kunden auch potenzielle neue Mitarbeiter interessieren?

Wer also online Themen aufgreift, die für die eigenen Mitarbeiter relevant sind, hat zugleich auch gute Chancen, einen attraktiven Ersteindruck im World Wide Web und insbesondere in den sozialen Medien zu hinterlassen. Bieten Sie dann auch noch attraktive Zusatzleistungen jenseits des Gehalts an, die es bei keiner anderen Apotheke im direkten Wettbewerbsumfeld gibt, haben Sie sehr gute Chancen, wechselwillige Fachkräfte für die eigene Apotheke zu begeistern.

Praxistipp Social-Media-Posting

Damit Ihre "Nachrichten-Tortenstücke" auf Facebook, Instagram & Co. auch bei potenziellen neuen Mitarbeitern verfangen, sollten …

  • die eigenen Mitarbeiter die Postings selbst interessant genug zum Teilen finden – am besten, weil sie selbst eingebunden waren, wie bei der schmackhaften Apo-Torte, und
  • die geposteten Themen so authentisch rüberkommen, dass darauf reagierende Kandidaten später nicht mutmaßen, sie wären "Fake News" aufgesessen.

Literatur

  • Weitere relevante Artikel zum Thema Personalrekrutierung finden Sie unter anderem in den Ausgaben AWA 3/2021 sowie AWA 23/2021.
  • Der Autor dieses Beitrags hat gemeinsam mit Michael Jeinsen, zertifizierter Berater Heilwesen und IKH-Dozent, mehrere Bücher zu Absicherungsthemen in Apotheken herausgebracht – zuletzt im DAV. Aktuell entwickelt er gemeinsam mit Jeinsen unter dem Namen ApoTeam+ ein Mitarbeiterbindungs- und Fachkräftegewinnungs-Konzept für Apotheken.

Heiko Beckert, Journalist, Kommunikate GmbH, 12209 Berlin, E-Mail: info@kommunikate.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(11):8-8