Winter der Entbehrungen?

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

schon werden die Tage langsam wieder kürzer, und selten haben wir mit so bangen Gefühlen auf die dunkle Jahreszeit geblickt. War es in früheren Generationen üblich, dem Winter hohen Respekt zu zollen und frühzeitig Vorsorge auch durch kluge Vorratshaltung zu treffen, so haben wir uns daran gewöhnt, dass alles und jedes sofort verfügbar ist. Ob Kiwi aus Übersee oder eben alle Teile einer Produktionskette „just in time“ – die gescholtene Globalisierung mitsamt ausgefeilter Logistik machten es möglich. So komplex-effektiv diese Systeme sind, so anfällig sind sie gegenüber Störfeuer. Wer da die Backen aufbläst, aber nur auf dem letzten Loch pfeifen kann, oder erst das Prinzip des Dominospiels erfasst, wenn die Steine schon fallen, der darf sich nicht wundern, wenn es heißt: Lernen durch Leiden! Ungeachtet aller politischen Vielschichtigkeit laufen wir Gefahr, uns in geradezu abenteuerliche Sackgassen zu manövrieren, aus denen selbst Unmengen Geld nicht mehr hinausführen. Da geht es nicht nur um „Convenience“ oder die Mäßigung eines bisweilen überbordenden Konsums. So zählt die Chemie- und Pharmabranche zu den größten Abnehmern des nunmehr knapp werdenden Erdgases, wie übrigens auch die Glasindustrie, die u.a. hochspezielles Pharmaglas (z.B. für Spritzampullen) herstellt.

Neben so manch ungewohnten allgemeinen Einschränkungen und erneutem Corona-Chaos könnten uns daher nie gekannte Arzneimittelengpässe drohen. Genießen Sie also die Sonnenstrahlen, bevor Sie bald womöglich um die nötigste Grundversorgung Ihrer Patienten kämpfen müssen – und dafür zum Dank einen noch höheren Kassenrabatt zahlen dürfen!

Hochsommerliche Grüße aus Tübingen,

herzlichst, Ihr

Prof. Dr. Reinhard Herzog