Ärztegroll gegen pharmazeutische Dienstleistungen

Was stört es eine deutsche Eiche …


Prof. Dr. Reinhard Herzog

… wer sich mit Haut und Haaren an ihr reibt? Doch wissen wir auch: Leert sich der Trog, verrohen die Sitten. So betrachtet, sind die Anwürfe aus der Ärzteschaft hinsichtlich unserer neuen, extra honorierten Dienstleistungen keineswegs überraschend. Über zwei Jahre Corona, in Aussicht stehende Gesundheitsreformen mit ersten Schattenwürfen, ein allgemein immer angespannteres Gesellschaftsklima: Da nehmen die Rangeleien zu. Ähnlich wie starke Nationen, die keine wirklichen Freunde, sondern nur Interessen und dazu passende strategische Partner haben, verfolgen Berufsgruppen und ihre Vertretungen grundsätzlich erst einmal ihre Vorstellungen.

Vor Ort sieht es dagegen ganz anders aus. Hier heißt es "leben und leben lassen", wobei die Spannbreite der praktischen Umsetzung sehr groß ist. Von sehr kollegialer Zusammenarbeit bis hin zur unterkühlt-reservierten, auf die eigenen Interessen fixierten "Koexistenz" ist alles dabei. Jeder kennt das und hat sich damit mal besser, mal schlechter arrangiert.

Nichtsdestotrotz sind die Vorstöße der Ärzte ernst zu nehmen. Offenkundig fungiert die Kassenärztliche Vereinigung im kleinen Hessen als Speerspitze gegen unsere Dienstleistungen. Neben grobem Geschütz und gezielter Provokation werden auch vermeintlich konstruktive, indes für uns maximal vergiftete Vorschläge für die künftige Durchführung unserer Dienstleistungen aufgefahren – als detailreiche Liste niedergeschrieben in einem "kollegialen" Brief an den Gesundheitsminister persönlich, der ja seines Zeichens ebenfalls Arzt ist. Diese Konstellation ist brisant. So bedient die Liste geradezu mustergültig den grassierenden Kontroll-, Bürokratie- und Dokumentationswahn – und hätte insoweit sogar von unseren wohlbekannten "Verkomplizierungsexperten" stammen können. Das macht es nicht besser. Jedenfalls wäre dieser Verhinderungskatalog geeignet, den Dienstleistungen jeden Reiz zu nehmen und sie so überhaupt nicht erst hochkommen zu lassen.

Man mag nun von diesen durchsichtigen Hilfsbremser-Aktivitäten halten, was man will – ohne die Ärzte geht es nicht! Da wie gesagt viel Sachverstand und Verständnis an der Basis vorhanden sind, kann es praktisch so laufen, Kontakt mit den Ärzten vor Ort aufzunehmen, die Thematik offen anzusprechen und geeignete Patienten zu identifizieren, welche die Apotheke ansprechen kann. Dieser kooperative Ansatz dürfte am weitesten tragen. Vielleicht werden die Dienstleistungen auf diesem Weg einmal eine verordnungsfähige Leistung!

Doch noch haben wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Dass Finanziers selbst bei kleineren Beträgen hadern, wenn es generell enger wird, ist nicht neu. So ist die jüngste Klageeinreichung des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen gegen den seinerzeitigen Schiedsspruch zu den pharmazeutischen Dienstleistungen nicht ganz überraschend. Das hat wohl keine aufschiebende Wirkung, sofern nicht ein Antrag auf Wiederherstellung ebendieser aufschiebenden Wirkung gestellt wird.

Also landen die Dienstleistungen entweder wieder zur Nachverhandlung vor der Schiedskommission, oder es wird bereits vor Gericht im Sinne eines Vergleichs entschieden. Strittig sind insbesondere die Modalitäten der Blutdruckmessung sowie die Honorarhöhe in toto bei allen Leistungen. Rein fiskalisch würde den Krankenkassen nur eine Reduzierung des insgesamt 180 Mio. € brutto umfassenden Honorartopfes nutzen (davon GKV rund 145 Mio. €). Dazu müsste der 20-Cent-Zuschlag je Rx-Packung gekappt werden, was kaum passieren wird. Somit läuft es wohl auf geringere Honorare und eine angepasste Leistungsbeschreibung der Blutdruckmessung hinaus. Die Kassen haben davon aber wenig, für manche Ärztefunktionäre sind wir dann immer noch zu gut bezahlt, und die Begeisterung der Apotheken wird nicht zuletzt aufgrund der nach wie vor im Detail ungeklärten Verteilungsfragen (Stichwort "Abstaffelung" je nach Priorisierungsgruppe) rasch sinken.

Wir starten also mit Gegenwind. In der Fliegerei ist das normal. Schauen wir, dass wir eigenständig eine stabile Flughöhe gewinnen können – allerdings nicht allzu hoch und am besten unter dem Radar segelnd, denn die Beträge sind für Höhenflüge noch viel zu gering.

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

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