Sparen ist angesagt, aber:

"Verschone mein Haus, …


Prof. Dr. Reinhard Herzog

… und zünde lieber andere an!" Dieses bekannte Sankt-Florians-Prinzip kommt immer dann zum Vorschein, wenn Unangenehmes zu adressieren ist. Und was gibt es Schlimmeres als den beherzten Griff eines Fremden in den eigenen Geldbeutel? Da geht es gar nicht nur um die Beträge an sich, die angesichts eines ganz ordentlichen finanziellen Ausgangslevels oftmals verkraftbar erscheinen. Es sind diese Fremdbestimmung und Missachtung, dieses Ausgeliefertsein, diese eigene Machtlosigkeit, welche aufs Gemüt und die Motivation schlagen. Die andere Seite der Medaille ist, dass man (Schmerzens-)Geld bekommt und nicht unbedingt marktgerecht verdienen muss; das kann in positiver wie negativer Richtung wirken.

Ungeachtet dessen sind dunkle Wolken am Kassen-Finanzhimmel aufgezogen. Optimistisch gerechnet werden dieses Jahr die Kranken- und Pflegekassen auf 1.600 Mrd. € beitragspflichtige Einkommen (davon fast 300 Mrd. € Renten) zugreifen, was bei 16% Beitragssatz einschließlich Zusatzbeitrag 256 Mrd. € einspielen würde. Drei Milliarden Euro kommen aus geringfügiger Beschäftigung. Aus den Vermögenstöpfen der Kassen gibt es nicht mehr viel zu entnehmen, die wurden bereits geschröpft. Gleichzeitig dürften die reinen Leistungsausgaben plus Verwaltung 285 Mrd. € erreichen oder gar überschreiten. 2023 knacken die GKV-Ausgaben womöglich die 300 Mrd. €, spätestens aber 2024. Der Staat, der in früheren Jahren stets um 14,5 Mrd. € zugeschossen hat, in der Spitze der Pandemie 29 Mrd. € (plus viele Milliarden, die gar nicht über die Kassenhaushalte liefen, wie Tests etc.), wird diese immer weiter aufklaffende Differenz nicht auffangen wollen und wohl auch nicht mehr können. Das wird aber schnell eine zweistellige Milliardensumme, wie man anhand der obigen Zahlenskizze unschwer erkennt. Was nun?

Als erstes fällt die Abhängigkeit von der Bemessungsbasis auf. 1% mehr oder weniger beitragspflichtige Einkünfte schlagen mit 2,5 Mrd. € ein. Daher der Ruf: "Arbeit, Arbeit, Arbeit", egal, wie sinnbefreit sie sein mag. Hauptsache ordentlich bezahlt. Und die Renten als (die kleinere) Einnahmesäule folgen bekanntlich der Lohnentwicklung. Die Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung hängt jedoch gerade am seidenen Faden. Inflationäre Verwerfungen tun das Ihre dazu.

Also ran an die Ausgaben! Ob in der Summe 32 Mrd. € für Krankengeld, Fahrtkosten und häusliche Krankenpflege in einer Krankenkasse richtig adressiert sind, muss grundsätzlich diskutiert werden. Schauen wir weiter: 30% der Gesamtausgaben (letztere betrugen 2021 inklusive 8 Mrd. € Vermögensentnahme 284 Mrd. €) machten die Krankenhäuser aus, je rund 16% die Arznei- und Verbandmittel sowie ambulanten Ärzte, knapp 6% die Zahnärzte mit Zahnersatz, gut 4% die Verwaltung. Der Wertschöpfungsanteil (Rohertrag) der Apotheken lag, ohne Spezialrezepturen, bei 2,0% an den Gesamtkosten.

Eine Möglichkeit wäre, strikt gemäß des Umsatz- bzw. Wertschöpfungsanteils zu sparen. Je einzusparende Milliarde Euro wären die Apotheken mit 20 Mio. € dabei, die Krankenhäuser mit 300 Mio. €, die Ärzte mit 160 Mio. €, die Pharmaindustrie mit reichlich 100 Mio. €. Wären da nicht die Beschäftigtenzahlen: Krankenhäuser 1,2 Millionen, Arztpraxen über 700.000, Apotheken um 200.000 (je nach Zählweise), Pharmaindustrie gut 120.000. Lobbygruppen zählen eben vor allem nach Köpfen!

Bleibt der Blick auf die Leistungen. Da traut sich Politik nur ungern heran (wie an Eigenleistungen und Zuzahlungen), denn das gibt Ärger mit der Wählerschaft. Gleichwohl liegen im explodierenden Bereich der Hochkostenmedizin enorme Einsparpotenziale. Einmal, was die Indikationsstellung angeht, ein ethisches Minenfeld. Zum anderen, was die Preisgestaltung betrifft.

2021 machten die "Hochpreis-Arzneimittel" (Herstellerpreis ab 1.200 €) 17 Mrd. € zu Taxpreisen brutto nur für die GKV aus. "10% gehen immer" – das würde bereits 1,7 Mrd. € einbringen. In dieser Richtung passiert ja nun auch was. Würde die Abrechnungsbasis der Apotheken entsprechend abgesenkt, wären diese (3%-Aufschlag!) mit gut 40 Mio. € dabei. Das Gesundheitswesen ist und bleibt ein Haifischbecken. Wird ein bisher auf Corona monothematisch fixierter Gesundheitsminister das gebändigt bekommen?

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

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