Boxduell auf Augenhöhe

Liebe Leserinnen und Leser,

zu Beginn eine kleine Lektion aus der Lebensmittelbranche: Wer den Marktzugang hat, sitzt im Zweifelsfall immer am längeren Hebel. Die Drohung des Handels mit einer Auslistung wiegt nämlich viel schwerer, als ein potenzieller Lieferstopp der Erzeuger. Davon können (nicht nur) die Milchbauern ein Lied in Moll singen. Es gibt allerdings zwei Voraussetzungen, um diese Marktmacht realiter durchzusetzen: ein hoher Organisationsgrad und eine professionelle Verhandlungsführung mit nachweislicher Pokerkompetenz.

Freilich hat der hoch regulierte Arzneimittelmarkt mit seinen dezentralen Handelsstrukturen seine eigenen Gesetzmäßigkeiten. Dennoch offenbart der Vergleich einen klaren Blick auf den Casus knacksus des Ganzen: Während aufseiten der Krankenkassen Vollprofis am Verhandlungstisch sitzen, sind das aufseiten der Apotheken Berufsfunktionäre und Ehrenamtliche. Das ist in etwa so, als wenn ich mir Wladimir Klitschko zum Boxduell aussuchen würde. Und genauso sehen die Ergebnisse dann (leider) oft aus: Die Krankenkassen drücken ihre Forderungen durch, die Apotheker haben das Nachsehen.

Hier muss endlich "aufgerüstet" werden: DAV und Landesapothekerverbände brauchen zum Aushandeln der Lieferverträge ebenso Vollprofis wie die Kassen, damit endlich Verhandlungen auf Augenhöhe stattfinden! Dann lassen sich auch mal eigene Forderungen durchboxen – Stichwort sofortiges Ende des ganzen Retax-Unfugs. Oder man kann – ja, das ist möglich – Verhandlungen platzen lassen und sogar Verträge kündigen. Das würde wirklich Druck auf die Politik ausüben. Und es würde selbstständigen Unternehmern besser zu Gesicht stehen als ein Streik, der per Definition ein Instrument für Arbeitnehmer ist.

Es grüßt Sie herzlichst

Ihr

Dr. Hubert Ortner