Bringt uns das wirklich weiter?

Streik! Streik! Streik!


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Ja, so tönt es an der Basis der Apotheker-Volksseele, glaubt man dem Ton diverser Foren. Zeigen wir es denen allen mal! Einige Streiks haben stattgefunden ("mit großartiger Resonanz"), aber weit entfernt von einem bundesweiten Auftritt, der temporär die Apothekenmühlen medienwirksam erstarren ließe. Doch arbeiten wir zuerst das Wesen des Streiks auf. Wikipedia schreibt:

"Ein Streik ist im Arbeitskampf eine vorübergehende Niederlegung der Arbeit durch eine verhältnismäßig große Anzahl von Arbeitnehmern, die ein gemeinsames Ziel im Rahmen ihrer Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse erreichen wollen. Die kollektive Arbeitsniederlegung verletzt – nach dem kollektiven Arbeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland – nicht ihre Arbeitspflicht, da für die Dauer des Streiks das Beschäftigungsverhältnis als suspendiert gilt."

Auf der Website www.rechtswissenschaft-verstehen.de/lexikon/streik finden wir: "Das Streikrecht ist in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland verankert, erstreckt sich aber nur auf den so genannten organisierten Streik, der von den Gewerkschaften ausgerufen und geführt wird. Wilde Streiks, die in Eigenregie von den Arbeitnehmern initiiert und nicht von den Gewerkschaften genehmigt oder fortgeführt werden, sind rechtswidrig."

Streiken ist also insoweit erst einmal eine Angelegenheit von Arbeitnehmern und ihren Vertretern in Form der Gewerkschaften. Apotheken, vertreten durch ihre Inhaberinnen und Inhaber, sind aber keine Arbeitnehmer, auch wenn sie solche beschäftigen. Im Außenverhältnis sind sie Vertragsnehmer, vorderhand mit den Kostenträgern, überwiegend den gesetzlichen Krankenkassen.

Solche Verträge sehen kein Streikrecht vor. Verträge enthalten aber Kündigungsrechte und tunlichst Anpassungsregeln, falls sich für eine Partei ungünstige oder gar untragbare Veränderungen ergeben sollten. Im Zweifel gilt das gute alte Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Deshalb sind in allererster Linie ebendiese Verträge adressiert: Augen auf vor der Vertragsunterschrift! Wer hierbei die wirtschaftliche Dynamik des (pharmazeutischen) Tagesgeschehens nicht durchschaut, gehört nicht an den Verhandlungstisch!

Die Sache ist noch etwas komplizierter. Solange man zumindest eine rudimentäre Notversorgung sicherstellt, ist es insoweit keine völlige Aussetzung der Leistungspflicht. Weiterhin treffen solche Streiks weniger die Krankenkassen (im Gegenteil, diese sparen eher, wenn Leistungen unterbleiben) als vielmehr die Patienten. Die bindende Klammer ist der Kontrahierungszwang. Es bleibt jedoch die Tatsache, dass man auf den Sack schlägt und den Esel meint. Bei Piloten- oder Lokführerstreiks ist das nicht anders, mit einem entscheidenden Unterschied: Hier sind es tatsächlich Arbeitnehmer, die insoweit auf ihren Arbeitgeber auf dem Umweg über die Kunden Druck ausüben.

Da sind wir an einem entscheidenden Punkt: Als was sehen sich die Apotheken, vertreten vorderhand durch die Inhaber? Im Gefolge der vielen Regulierungen, Einschränkungen, aber auch festgelegten Honorare eher wie Arbeitnehmer (was sie rechtlich, siehe oben, nicht sind)? Oder eben wie Unternehmer? Diese Differenzierung sollten wir sehr ernst nehmen, in einer Zeit, in welcher sich rechtliche Grenzen immer weiter auflösen und man alles und jedes vermengt. Schnell wird man nämlich immer mehr den Arbeitnehmern angeglichen (bei "Scheinselbstständigen" ist das schon so). Am Ende werden indes die Abhängigkeiten nur noch stärker auf Kosten der sowieso schon bei den "freien Berufen" arg beschränkten Freiheiten. Die Gegenleistung dürften dagegen nur vage Versprechungen sein.

Der erfolgversprechendere Ansatz ist, wie angedeutet, die künftige Gestaltung der Lieferverträge. Diese gilt es schnellstmöglich zu kündigen und neu zu verhandeln. In einem vertragslosen Verhandlungs-Intermezzo würden Kassenrezepte nur noch als Privatrezepte akzeptiert. Der Druck wäre gewaltig! Künftig kommt es nicht nur auf auskömmliche Aufschläge (Hilfsmittel!) an, sondern auf eine möglichst von Bürokratie befreite Handhabbarkeit. Wegfallende Bürokratie und Retaxationen können unter dem Strich wertvoller sein als in Zeiten knapper Kassen eher symbolische Honorarerhöhungen, die zudem wiederum von der Politik angestoßen werden müssten.

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

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