Authentifizierung in der Digitalwelt

Der Schlüssel zu allem


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Digitalisierung klingt, erst recht im "digitalen Neuland", zu oft eher wie eine Drohung denn eine Verheißung besserer Zeiten. Vereinfachung wird allenthalben versprochen. In der Realität sehen wir regelhaft eine Verkomplizierung der Vorgänge sowie die Verlagerung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf die Kunden. Am Ende ist der Zeitaufwand viel größer. Komplexitäten und Abhängigkeiten steigen, nebst Risiken, und können von "Otto Normalverbraucher" gar nicht mehr in ihrer Tiefe erfasst werden. Zum Dank obenauf gibt es beträchtliche Kosten (= die Einnahmen anderer!). Es ist geradezu erstaunlich, wie man die Anschaffungskosten für die vielen elektronischen Gerätschaften, die laufenden Gebühren für Internet- und mobile Dienste sowie den Wartungs-, Instandhaltungs- und Update-Aufwand nonchalant unter den Tisch fallen lässt! Man bucht das wohl unter allgemeine Lebenshaltungskosten wie Kleidung oder Nahrung und vermeidet jeden weiteren Zusammenhang.

Ungeachtet dessen liegt eine der wichtigsten Ursachen von Zeitverlust, Ärger und Sicherheitsrisiken im schlichten Zugang zur immer stärker vernetzten Digitalwelt. Die heutigen "Passworte" und "Zugangsdaten" zu zig Anbietern sind mehr Problem denn Lösung. Findige Digital-Apologeten haben dafür natürlich etwas parat – "Passwortmanager", die teils hunderte von Zugangsdaten verwalten sollen. Wehe, wenn das in falsche Kanäle gerät, oder man selbst nicht mehr darauf zugreifen kann, und sei es, weil der Anbieter schlicht von der Bildfläche verschwindet. Der heutige Zugangs-Wirrwarr erweist sich als eine der stärksten Bremsen auf dem Digitalisierungspfad – und als die größte sicherheitstechnische Schwachstelle. Anschauungsmaterial bietet gerade das E-Rezept, richtig lustig wird es mit der elektronischen Patientenakte.

Bis heute fehlt ein konsistentes Authentifizierungsprocedere für die Rechnernutzung und damit auch eine einfache Signaturmöglichkeit. Ob es zusätzlich anonyme Zugänge geben sollte, um Bürger vor übergriffigen Institutionen und Staaten zu schützen, mag eine ernsthafte Diskussion wert sein, ändert aber nichts an den jetzigen Unzulänglichkeiten im offiziellen Digital-Alltag.

Neu ist das Thema beileibe nicht. Rechner- und Smartphone-Anbieter haben allerlei insbesondere biometrische Methoden entwickelt und verfeinert: erst Fingerprint-Sensoren, dann die Gesichts- und Stimmerkennung. Einzeln für sich haben diese Methoden ihre Schwächen, in der Summe sind sie hochwirksam. Wenn jede Firma jedoch ihr eigenes (Konten-)Süppchen kocht, ist der gesellschaftliche Nutzwert wieder sehr begrenzt.

Hier kommt der Staat als zentraler Verwalter aller Identitäten ins Spiel, traditionell seine Hoheit. Seit jeher gibt es deshalb "Pässe". Diese in die Digitalwelt zu transferieren, erfolgt zwar seit geraumer Zeit ("elektronischer Chip-Pass"). Doch der Durchbruch als Standard-ID-Methode steht aus, da zu kompliziert und wenig alltagstauglich. Zudem fehlt ein grundlegendes Konzept einer allumfassenden Bürgerakte, welche alle relevanten Informationen, bis hin zu Gesundheitsdaten, bündelt. So haben wir weiterhin nur Stückwerk, und ein jeder meldet sich täglich x-mal bei allerlei Institutionen und Anbietern an. Neben einem Universal-Ausweis, der übrigens nichts weiter können muss, als eindeutig auf eine Person zu referenzieren (alles andere läge in Datenbanken), böte sich – ja, ein Reizthema ersten Grades – ein schlichtes Implantat ("Chip") an. Ein "biosensorischer Handshake" könnte es eindeutig an den Träger binden. Ein Tausch zur Verhinderung von Identitätsdiebstahl wäre somit nicht einfach möglich.

Spätestens der "Chip" unter der Haut – bei Haustieren längst Usus – dürfte bei den meisten Mitbürgern die Bedenken vor dem übergriffigen Überwachungsstaat hochkochen lassen. Unzweifelhaft steckt in der Authentifizierungsthematik, ob mit oder anderweitig biometrisch auch ohne Chip, ein enormes Wertschöpfungs- und Sicherheitspotenzial. Letzteres mag wiederum Kritiker an den Spruch erinnern: "Freiheit stirbt mit Sicherheit!" Bei Licht betrachtet, stirbt diese trotzdem seit geraumer Zeit aus einer Vielzahl von gesellschaftspolitischen Gründen, ohne dass wir davon wenigstens Vorteile im Alltag hätten – im Gegenteil. Überwinden wir also wenigstens die "digitale Kleinstaaterei"!

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

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