Strategisch in die Zukunft

Faktenbasiert mit den richtigen Werkzeugen


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Mit den ersten Marktdaten von 2022 im Rücken gilt es, sich für das laufende Jahr klug aufzustellen. Manches, wie Corona, scheint überwunden, dafür „brennt die Hütte“ an anderen Stellen. Allerlei „Tools“, per Download bei uns bequem zu bekommen, leisten jedoch wertvolle Hilfestellung.

Ein genauer Blick auf die Entwicklung des Apothekenmarktes sowie der eigenen Kennzahlen lohnt sich unbedingt - wir liefern Ihnen auf der neuen AWA-Website die passenden Tools dazu. (© AdobeStock/insta photos)

Um mindestens 5 % auf etwa 63 Mrd. € dürfte der Umsatz aller bundesdeutschen Offizin-Apotheken im letzten Jahr gestiegen sein, jedenfalls hochgerechnet auf Basis von Marktdaten der Datendienstleister IQVIA und Insight Health. Was wirklich konkret an der Apothekenbasis angekommen ist, werden die Apotheken-Wirtschaftstage der Standesorganisationen im Mai zeigen.

Überraschend und in dieser Deutlichkeit nicht ganz erwartet ist die Zunahme der Packungszahlen. Um etwa 4 % legten die GKV-Verordnungen zu, der Gesamtmarkt an verschreibungspflichtigen Präparaten um gut 3 %. Zweistellig oder nur knapp darunter, je nach Datenquelle, wuchs der OTC-Markt nach Stückzahlen – höchst beachtlich! Corona-Nachholeffekte spielen eine Rolle, aber nicht nur.

Angesichts von gut 2 % weniger Apothekenbetriebsstätten werden sich die Werte je Betrieb nochmals in hellerem Licht darstellen. Umsatzzuwächse im Bereich von 7 % bis 8 % und Absatzsteigerungen in der Gegend von 8 % bis nahe 10 % sind realistisch. Die statistische Durchschnittsapotheke bewegt sich um 3,5 Mio. € Nettoumsatz. Nach Bereinigung um von nur sehr wenigen Apotheken erbrachten Spezialumsätzen wie Parenteralia verbleiben voraussichtlich rund 3,2 Mio. €.

Die Roherträge werden zwar damit nicht ganz Schritt halten, aber dennoch historisch kräftig zulegen. 700.000 € dürften die neue Durchschnittsmarke (ohne Spezialsegmente) markieren, im Westen eher etwas darüber, in den neuen Bundesländern jedoch ein Stück darunter. Im Gefolge der höheren Absatzzahlen steigen wieder die Kundenzahlen. Nicht wenige Apotheken haben somit weniger ein Einnahmen-, sondern ein Kapazitätsproblem: Sie werden quasi überrannt, es fehlt aber insbesondere an personellen Ressourcen – und immer häufiger an Ware!

Spielverderber Inflation

Vergessen wir jedoch nicht, dass sich die erfreulichen Zahlen in einem Inflationsumfeld mit einem Verbraucherpreisanstieg (Gesamtindex) von rekordverdächtigen + 7,9 % im Jahr 2022 relativieren.

Indes fallen die branchen- und warengruppenspezifischen Inflationsraten enorm auseinander: Gesundheitsleistungen wurden zu Jahresende 2022 nur um 2,2 % teurer, Kaltmieten um 1,9 %, Schuhe + 5 %, Freizeit- und Kulturangebote um knapp 6 %, Verkehr und Mobilität + 8 %, Nahrungsmittel dagegen fast + 20 %, und, nicht verwunderlich, Energieträger + 25 % bis gut + 50 %. Abbildung 1 illustriert dies vereinfacht in Anlehnung an das „Preiskaleidoskop“ des Statistischen Bundesamtes (www.destatis.de).

Abb. 1: „Preiskaleidoskop“ – Inflation in den einzelnen Wirtschaftsbereichen

Dieses Kaleidoskop grenzt zum einen größere Bereiche wie das Gesundheitswesen ab, unterteilt diese aber nochmals weiter (wie z. B. in Arzneimittel, Arztkosten usw.). Das sind die farbigen „Kuhflecken“ in den jeweiligen Branchensegmenten. Somit wirkt sich die individuelle inflationäre Betroffenheit sehr unterschiedlich aus. Nicht zuletzt durch starre Gebührenordnungen und zahlreiche staatliche Eingriffe bedingt, hinken die Preise im Gesundheitswesen massiv hinterher. Mehrheitlich besteht hier eben keine Preissetzungsmacht. Was in „normalen“, inflationsarmen Zeiten einen veritablen Schutz bedeutet, schlägt in Zeiten wie den aktuellen negativ zurück.

Der kräftige Umsatz- und Kunden-Rebound dürfte sich im Jahr 2023 so nicht fortsetzen, während es andererseits offen ist, wann sich der Kostendruck wieder abschwächen wird. Als zeitfressende, kostenintensive Bürde erweist sich die aktuelle Mangelverwaltung („Lieferengpässe“), bei weiterhin angespannten Personalressourcen.

Was tun?

Da ein zusätzlicher warmer Geld- wie Personalregen in nächster Zeit nicht zu erwarten ist, gilt es, mit dem Vorhandenen zu haushalten. Dies spielt sich in dem Dreieck Angebots-/Leistungsumfang mitsamt Marketing, Zeit und Personal sowie Konsolidierung auf Betriebsebene ab (Abbildung 2).

Abb. 2: Das „magische Dreieck“ für schwierigere Zeiten

Ohne die Kunden unbotmäßig zu vergraulen – erst recht, wenn sich Ihre Konkurrenz-Apotheken in Rufweite befinden – können Sie sehr wohl dezent an Ihrem Angebotsumfang arbeiten.

Neue Angebotsausrichtung

Es beginnt mit dem Marketing: Welchen Umfang benötigen Sie, und welche Zielrichtung soll es haben? Lassen sich die Streukreise besser und zielgenauer abstecken? Ziehen Preisargumente je nach Umfeld noch, und für welche Präparate? Lautet die neue Botschaft nicht vielmehr Zuverlässigkeit – wir machen das Beste aus angespannten Situationen, aber alles hat seinen vernünftigen Preis? Müssen Kunden mit Tinnef aller Art beschenkt werden? Müssen Sie pauschal 3 % Rabatt auf Kundenkarte einräumen, was viele gar nicht wahrnehmen, oder belohnen Sie nicht lieber wirklich gute Kunden?

Zum Angebot gehören auch die Öffnungszeiten. Lassen sich diese gerade im Sinne der Personaleinsatzplanung anpassen und durch Lieferdienste und (Internet-)Vorbestellungen auffangen?

Schon länger verschiebt sich deshalb das Betriebsgeschehen in Richtung Backoffice, dort jedoch zu günstigeren Stundensätzen. Wie können Sie das nutzen, um teure (und knappe) Handverkaufsstunden „nach hinten“ zu leiten? Und: Welche Wartezeiten sind heute, freilich lageabhängig, akzeptabel, wenn im Gegenzug die Lieferfähigkeit stimmt, man also nicht „umsonst“ angestanden hat?

Bei dieser Gelegenheit hinterfrage man kritisch alle Angebote, die über die unverzichtbaren Basisfunktionen der Apotheke hinausgehen: In welchem Verhältnis stehen beispielsweise Aufwand und Ertrag für (beratungsintensive) Kosmetik und Spezialsegmente oder diverse Zusatz-Dienstleistungen, und welchen strategischen Profilierungswert haben sie andererseits?

Begrenzte Ressource Zeit

Dies leitet nahtlos zum Thema „Zeit“ über. Wer mehr als nur eine Handvoll Mitarbeiter hat, für den lohnen sich beinahe immer Personalplanungs-Tools sowie Programme zur Optimierung der innerbetrieblichen Kommunikation. Wer den Faktor Zeit bildlich vor Augen hat und planerisch damit umgehen muss, macht sich mehr Gedanken, wer zu welchen Kosten was tut. „Fehlallokation“ ist nach wie vor ein Problem – Mitarbeitende machen Dinge, für die sie im Grunde nicht geeignet oder schlicht zu teuer und überqualifiziert sind. Gern ist dies zwar der Personalnot geschuldet, bisweilen aber auch einfach (teure) Nachlässigkeit.

Bündeln und verschlanken

Das größte Rad, welches Sie drehen können, firmiert unter gesamthafter „Konsolidierung“: Zu kleine, unrentable Betriebe (Filialen) sollten baldmöglichst aufgelöst werden. In Filialverbünden erhöhen diese „Underperformer“ Ihre wirtschaftliche Anfälligkeit („Gewinnverwässerung“), auch wenn sie (noch) ein paar Euro einspielen. Bei bislang auf engem Raum konkurrierenden Apotheken sollte stets über eine friedliche Zusammenführung in kollegiale Partnerschaften, alternativ „goldene Handschläge“ nachgedacht werden. Nach wie vor liegen hier die größten Potenziale, nicht zuletzt, weil sich so das Personalproblem am wirksamsten entschärfen lässt.

„Tools“ nutzen

Über allem steht ein fundiertes wirtschaftliches Verständnis des eigenen Betriebs. Wie sieht Ihre Einnahmen- und Kostenstruktur aus, wie erklärt sich Ihre Rohgewinnmarge, welche herausragenden Abhängigkeiten bestehen?

An diesen Punkten setzt der „Werkzeugkasten“ an (siehe untenstehende Infokästen): Von der umfassenden Unternehmens-Simulation mit allen Einflussgrößen bis hin zur Bearbeitung von Detailfragen – Rechenhilfen und Checklisten gestatten Ihnen, den zahlreichen Ansatzpunkten und „Baustellen“ ein fundiertes (Zahlen-)Gerüst zu geben. Mehr Wissen und Verständnis ist bares Geld wert, und kann viel Zeit und Ärger ersparen!

Der neue AWA-Webauftritt

Unter der neuen Webadresse www.apotheke-wirtschaft.de (www.dav-awa.de, die alte Adresse, wird weitergeleitet) finden Sie nun einen modernen Webauftritt im Stil unseres Verlagshauses, dem Deutschen Apotheker Verlag. Wir bitten Sie, sich aus technischen Gründen neu zu registrieren. Bei dieser Gelegenheit können Sie jetzt auch ein eigenes Passwort vergeben.

Neben einer komplett neuen Oberfläche finden Sie eine ganze Reihe neuer Informationen, Beiträge und News. Stolz sind wir auf das komplett neue Online-Tool zu den aktuellen Marktdaten, welches uns von dem bekannten Datendienstleister Insight Health zugeliefert wird – das Solvena-Panel. Umsätze, Absätze, Kassendaten bundesweit oder nach Regionen aufgegliedert: Bleiben Sie auf dem Laufenden!

Ihr Werkzeugkasten steht bereit!

Unsere neue Internetpräsenz ab März 2023 strukturiert unseren Download-Bereich neu in die Bereiche Rechentools, Checklisten und Musterverträge. Als AWA-Abonnent stehen Ihnen alle Dateien zum kostenfreien Herunterladen zur Verfügung. Der Downloadbereich wird laufend aktualisiert und ergänzt.

Rechentools

Zum einen finden Sie mit der Excel-Mappe ApoTools_2023.xlsm eine ganze Sammlung von Blättern, mit welchen Fragen des laufenden Betriebs rechnerisch durchdrungen werden können. Ob „elektronische BWA“, eine Spannenschätzung, ein Mehrjahres-Zukunftsszenario, Deckungsbeitragsrechnung, Umgang mit der Ressource Zeit bis hin zur Apotheken-Wertberechnung: Über 30 Einzelblätter warten auf Sie!

Ihre gesamten Betriebe können Sie wirtschaftlich in den Mappen Apofix_Filiale_2023.xlsm und ApoSim_2023.xlsm abbilden, dann an allen relevanten „Stellschrauben“ drehen – und die Auswirkungen bis hinab auf die Ebene des Netto-Verfügungsbetrages zumindest näherungsweise (angesichts der Komplexität des Steuerrechts) betrachten. „Spielen und staunen“ …

Eine weitere Excel-Mappe widmet sich der kurz- und mittelfristigen Liquiditätsplanung (Liquiditaetsplanung_2023.xlsm), gerade für Neugründer. Die wirtschaftlichen Umrisse einer Heimbelieferung liefert die Datei Onlinetool_Heimversorgung_2023.xls.

Checklisten

Vieles strukturiert und erledigt sich einfacher, wenn man eine Gedankenstütze in Form einer Checkliste hat. Hier finden Sie eine breite Auswahl, ob zur Standortanalyse, Auswahl eines EDV-Systems, ausführliche Großhandelsrabatt-Checkliste, und vieles zum Thema Mitarbeitende. Schauen Sie einfach vorbei!

Musterverträge

Hier finden Sie Vertragsmuster für einen Apotheken(ver-)kauf, Mietvertrag, Arbeitsvertrag und andere mehr. Bitte beachten Sie, dass es sich hierbei um unverbindliche Vertragsentwürfe handelt, die Sie ggf. unter Hinzuziehung von Rechtskundigen individuell prüfen und anpassen sollten!

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(05):4-4