Prof. Dr. Reinhard Herzog

Liebe Leserinnen und Leser,

der klügere Werbespruch aus den 1990er Jahren für den seinerzeitigen Kleinstwagen Smart lautete: „Reduce to the Max“. Reduzieren, dabei das Beste daraus machen: Die Maxime aller effizienten, wettbewerbsorientierten Systeme! Unsere Gesellschaft, gerade das Gesundheitssystem, hat den Pfad nutzenorientierter Effizienz schon lange verlassen. Man regt sich über 4 % Verwaltungskostenanteil der GKV auf – übersieht aber gern, dass Experten schon vor Jahren den Bürokratie- und Verwaltungsanteil im Gesundheitswesen selbst auf fast 25 % taxiert haben. Kaum jemand in der Praxis dürfte daran zweifeln.

Zu diesen schon lange metastasenartig wuchernden Ineffizienzen, mit Bürokatie nur unzureichend umschrieben (höchste Effizienz entfalten sie aber als Arbeitslust- und Motivationskiller), kommt nun noch materieller (Medikamenten-)Mangel hinzu. Ein Mangel, der global betrachtet übrigens gar keiner ist, sondern namhaft auf unserer morschen, da totregulierten Basis fußt. Wenn Softwarehäuser seit langem kaum mehr hinterherkommen, die ganzen Austausch- und Abgaberegeln nachzuhalten, sagt das alles. Und wenn es für jede noch so kleine Änderung umfangreiche Gesetzespakete braucht, dann zeigt das, dass man in dieser Gesellschaft offenkundig den Glauben an ein vernunftbegabtes, eigenverantwortliches Leben vor dem Tode verloren hat.

So betrachtet, sollten Sie es eigentlich dem System gleichtun: Reduce to the Min, Null-Risiko-Strategie, beamtenartiger Formalismus, Warteschlangen, pünktlich Feierabend. Schulterzucken gegenüber den Patienten, Verweis auf die Politik und Kostenträger – beschweren Sie sich gefälligst dort!

Aber haben Sie dafür einen Heilberuf gewählt? Genau das ist das Problem, was immer wieder auf die Füße fällt, aber dem Beruf noch einen Sinn gibt – und das Honorar eben nicht nur als zunehmend inadäquates Schmerzensgeld dastehen lässt.

Genießen Sie draußen das aufkeimende Blütenmeer, mit herzlich-kollegialen Grüßen,

Ihr

Prof. Dr. Reinhard Herzog

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