Künftig mehr als heute

Eigentum belastet


Prof. Dr. Reinhard Herzog

„Eigentum verpflichtet“ – die Sozialpflichtigkeit des Eigentums ist weithin bekannt. Der einschlägige Artikel 14 Grundgesetz sei hier verkürzt zitiert:

1. Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

2. Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

3. Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. […]

Man kann auch sagen: Eigentum und Erbschaften mit „Wenn und Aber“, der Ermessensspielraum des Gesetzgebers ist offenkundig. Das Streben nach etwas Eigenem ist bei vielen Zeitgenossen ausgeprägt, aber hierzulande weniger als andernorts, wie die im internationalen Vergleich weit überdurchschnittliche Mieterquote von gut 50 % zeigt. In Polen ist gerade einmal jeder Siebte Mieter, in Spanien jeder Vierte. Andersherum in unserer Hauptstadt Berlin: Hier mieten über 80 %, und das findet seinen (umverteilungs-)politischen Widerhall, erst recht mit sich weiter zuspitzender Wohnungsmalaise. Das bleibt nicht ohne Folgen, auch für uns, wo sich ja viele Kolleginnen und Kollegen eine Apotheke im eigenen Haus wünschen – erschwinglich nur noch auf dem Land oder in abgelegenen Regionen, und damit fangen andere (Apotheken-)Probleme an.

Der neueste Paukenschlag heißt Wärmewende und entfaltet enteignungsgleiche Wirkungen. Das Ziel der CO2-Reduktion sei außer Frage. Nur kann man das klüger oder dümmer, langsamer oder schneller, sehr teuer und Werte vernichtend oder sinnvoll optimiert angehen. Halten wir die heutigen, groben Eckwerte fest: 4 Milliarden Quadratmeter Wohnfläche und 175 KWh je qm an Heizenergiebedarf (mit Warmwasser, was 25 % ausmacht). Das erfordert etwa 700 Terawattstunden (TWh) jährlich. Würde man dies theoretisch alles durch Wärmepumpen ersetzen, bräuchten diese 175 bis 230 TWh elektrische Energie (bei einer „Arbeitszahl“ von drei bis vier, d. h., je Energieeinheit Strom für den Wärmepumpenbetrieb gewinnt man drei bis vier Einheiten Wärme). Heute werden insgesamt um 500 TWh Strom in der Republik verbraucht. Da müssen noch einige Windräder, Solarpanels und Speicher (!) her. So erfordert die Wärmewende auch Energieeinsparungen. Mit Wärmepumpen ist es nicht getan, es muss flächendeckend energetisch saniert werden.

Da sind wir beim Finanziellen. 1.000 € je qm Sanierungs- und Umstellungskosten sind heute nicht zu hoch gegriffen. Wir rechnen mit 30 Jahren Amortisations-/Lebensdauer und 3 % Zins, macht Kapitalkosten von 63 € / qm jährlich. Wartungs- und Folgekosten sowie Wertzuwachs lassen wir außen vor. Dafür sparen wir je Quadratmeter pro Jahr 35 kg (heutige Gasheizung) bis 47 kg (Ölbasis) CO2 – falls der Strom denn CO2-frei erzeugt wird, und ohne den Baumaterial-„Footprint“. Wir sparen zudem – optimistisch – 100 KWh je qm Energie ein, nach früheren Preisen fossiler Energieträger (0,06 € / KWh) somit 6 €, in heutigen Preisen eher 10 € bis 15 €. Dafür verwenden wir teureren Strom (z. B. 0,30 € / KWh bei etwa 20 KWh/qm Wärmepumpenbedarf, also 6 €/qm p. a.). Es bleiben rund 55 € je qm Kosten; auf die Tonne CO2 umgerechnet sind das rund 1.200 € bis 1.600 € „Vermeidungskosten“. Selbst bei halb so hohem Sanierungsaufwand sind die Vermeidungskosten enorm. Sogar Klimaaktivisten fordern CO2-Preise von maximal 200 €. Wird dagegen CO2 großtechnisch an der Entstehungsquelle abgeschieden und verpresst (CCS), kostet das übrigens unter 100 € je Tonne. Viele Länder der Welt erproben das gerade intensiv.

Den deutschen Weg muss man sich leisten können, wobei: Ausgaben einerseits sind ja Einnahmen von anderen! Ein Weg, der gerade für den Altbestand auf dem Land enteignungsgleich ist, denn viele Häuser sind kaum die Sanierungskosten wert und können von der dortigen, oft älteren Einwohnerschaft gar nicht geleistet werden. Die strukturellen Konsequenzen, auch für Landapotheken, wie Abwanderung oder gar die Aufgabe von Wohngebäuden, sind enorm. Eigentum verpflichtet? Das auch, aber vor allem: (Immobilien-)Eigentum belastet! Überlegen Sie es sich gut mit dem Traum von der Apotheke in eigenen Räumen. Schauen Sie zumindest ganz genau auf die Bausubstanz!

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Liebe Leserin, lieber Leser, dieser Artikel ist nur für Abonnenten des AWA zugänglich.

Sie haben noch keine Zugangsdaten, sind aber AWA-Abonnent?

Registrieren Sie sich jetzt:
Nach erfolgreicher Registrierung können Sie sich mit Ihrer E-Mail Adresse und Ihrem gewählten Passwort anmelden.

Jetzt registrieren