Diskussion zum Apothekenhonorar im Rahmen von „Apotheke & Wirtschaft“

„Wir halten es für wichtig und vernünftig, dass die Honorare angemessen erhöht werden“


Christina Grünberg

Wie viel Geld brauchen Deutschlands Apotheker, wie viele Apotheken braucht Deutschland? Zu dieser Grundsatzfrage gab es unlängst eine lebhafte, kontroverse Podiumsdiskussion – unter anderem mit dem SPD-Apothekenexperten Dirk Heidenblut. Der hält eine „angemessene“ Anhebung des Fixhonorars für nötig, ohne sich freilich einen exakten Wert entlocken zu lassen.

Geladen hatte im Zuge der Veranstaltung „Apotheke & Wirtschaft“ bei der INTERPHARM online AWA-Chefredakteur Dr. Hubert Ortner (Abb. 1). Zu den Gästen zählte auch der Berichterstatter der SPD für Apothekenthemen, Dirk Heidenblut, der aus terminlichen Gründen virtuell zugeschaltet wurde. Der Gesundheitspolitiker stellte klar, dass die Notwendigkeit, das Fixum anzuheben, für ihn außer Frage stehe. „Im Gesundheitsbereich halten wir es für wichtig und vernünftig, dass die Honorare angemessen erhöht werden.“

Abb. 1: Lebhafte Podiumsdiskussion: (v. l.) Prof. Dr. Reinhard Herzog, Dr. Kai Christiansen, Dirk Heidenblut, Dr. Hubert Ortner und Cosima Bauer. Foto: Moritz Hahn

Zudem unterstrich Heidenblut, dass das nicht der alleinige Weg sein könne. Ziel sei es auch, die Apotheken verstärkt für bestimmte Services zu bezahlen, wie man es im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) vorgezeichnet habe. Dem hielt der Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, Dr. Kai Christiansen, entgegen, dass die Apotheken zunächst einmal für die Arbeit, die im Kerngeschäft anfalle, fair honoriert werden müssten, bevor man über weitere Dienstleistungen nachdenken könne.

Inflationsausgleich als Minimalziel

Auch der Apothekenwirtschafts-Experte, Prof. Dr. Reinhard Herzog, zweifelte daran, dass aktuell genug Geld im System vorhanden sei. Bis zum Jahr 2019 wäre er tendenziell von einem Verteilungsproblem ausgegangen, sagte er – doch die Corona-Pandemie habe einiges durcheinandergebracht. Dass der Gesetzgeber in einer solchen Phase auch noch den Kassenabschlag erhöht habe, leuchtete Herzog nicht ein. „Das ist in der aktuellen Situation unverständlich.“

Zwar sei der Rohertrag je Apotheke seit 2004 relativ gleichmäßig um durchschnittlich 2 Prozent pro Jahr gestiegen, auf der anderen Seite hen sich aber auch die Kosten und das Arbeitspensum erhöht. Bis 2019 sei die Rechnung irgendwie aufgegangen – „wohl auch durch eine Strukturbereinigung, wenn man das so euphemistisch ausdrücken möchte“, führte Herzog aus. Doch dann kam Corona „und alle Zahlen, die man bis dahin kannte, konnte man vergessen. Und jetzt haben wir Inflation, Ukraine-Krieg und Energiekrise.“ Herzog bezeichnete die aktuelle Phase als „Zeitenwende“. Aus seiner Sicht werde die Politik nicht darum herumkommen, jetzt zumindest einen Inflationsausgleich für die Apotheken zu schaffen.

Der 12-Euro-Forderung der ABDA stand Herzog jedoch skeptisch gegenüber. „Wenn man mal ausrechnet, wo dann eine Durchschnitts- apotheke landet und wie das im Verhältnis zu einer durchschnittlichen Arztpraxis aussieht, wird das schwierig darzustellen sein.“ Für kleine Apotheken sei das vertretbar, aber bei großen „mit 100.000 Rx-Packungen im Jahr, da kommt schon satt was drauf“.

Sein Ansatz zielte eher auf eine Entlastung der Apotheken von bürokratischen Pflichten ab: „Wir müssen den Apothekenbetrieb attraktiver machen, ihn entmüllen und entrümpeln.“ So könne man vorhandene Personalkapazitäten umwidmen – denn mehr Geld allein werde nicht reichen, um das Personalproblem in den Griff zu bekommen. „Davon kann ich mir keine Apotheker, PTA und PKA backen“, gab Herzog zu bedenken.

Umverteilung würde viel Unfrieden stiften

Aus Berlin mehren sich derweil die Signale, dass die Politik plant, insbesondere Apotheken in strukturschwachen Regionen zu stärken und zu diesem Zweck auch erwägt, einen neuen Verteilungsmechanismus einzuführen. Heidenblut betonte, die Gesundheitspolitik wolle „die Apothekenstruktur überall abgesichert haben“. Man müsse dabei auch über das Thema Verteilung nachdenken, denn die Entwicklungen der vergangenen Jahre hätten die Apotheken in recht unterschiedlichem Maß betroffen. Er sprach sich klar dafür aus, grundsätzlich mehr Geld ins System zu geben, gleichzeitig gelte es aber, das Kernproblem nicht aus den Augen zu verlieren: Die Arbeit in den Apotheken müsse überall wieder attraktiv werden – nicht nur in Berlin im Ärztehaus.

Herzog warnte vor den Schattenseiten einer wie auch immer gearteten Umverteilung. „Das wird sehr viel Unfrieden stiften“, sagte er. Dabei sei der Finanzierungsbedarf einer möglichen Strukturförderung gar nicht so groß, wie oft angenommen. Seiner Schätzung nach dürfte man am Ende etwa 1.000 bis 2.000 Apotheken in Deutschland identifizieren, die förderungsbedürftig sind. Um jede dieser Apotheken etwa 100.000 Euro im Jahr extra zukommen zu lassen, brauche es insgesamt rund 100 bis 200 Mio. Euro. „Mit relativ wenig Geld könnte man also schon eine recht potente Strukturförderung betreiben“, fasste Herzog zusammen. „Diesen Betrag sollte man schon irgendwie aus dem Gesamtetat herausschneiden können, ohne eine Verteilungsdiskussion innerhalb des Berufsstands anzufangen.“

12 Euro sind keine Fantasie-Forderung

Die Politikwissenschaftlerin Cosima Bauer vom Beratungs- und Forschungsunternehmen May + Bauer hält eine reine Erhöhung des Apothekenhonorars ebenfalls für wenig zielführend. „Es gibt hierzulande einen gesetzlichen Versorgungsauftrag“, erinnerte sie. Wenn man die Präsenzapotheken also in der Fläche erhalten wolle, „dann kostet das sicherlich auch Geld“. Eine Erhöhung des Fixums für alle Apotheken gleichermaßen nütze allerdings einem Betrieb in einer schwierigen Situation „zwar ein bisschen, aber nicht so viel wie nötig. Eine Apotheke in einer guten Situation spürt die Auswirkungen hingegen vielleicht gar nicht so sehr.“ Das Geld mit der Gießkanne zu verteilen, ergebe insofern keinen Sinn.

Kai Christiansen drängte es an dieser Stelle, einen Punkt klarzustellen: Die Diskussion erwecke den Eindruck, als gebe es „einige wenige Apotheken, denen es schlecht geht, und viele, denen es gut geht“. Das sei ein Trugschluss: Bei genauerem Hinsehen zeige sich, dass inzwischen Apotheken überall schließen – sowohl auf dem Land als auch in der Stadt. „Die durchschnittliche Apotheke erwirtschaftet einen jährlichen Umsatz von rund 3 Mio. Euro. Aber man muss auch sehen: 60 Prozent der Apotheken in Deutschland kommen nicht auf diesen Wert.“ Deshalb hielt er die Forderung der ABDA für absolut gerechtfertigt: „12 Euro sind keine Fantasie-Forderung.“

Christiansen pochte daher darauf, das Packungshonorar zunächst „durch die Bank weg“ zu erhöhen – denn mit diesem Honorar finanzierten Apotheken andere Leistungen, zum Beispiel die politisch gewollten Impfungen. „Wenn ich mich an die Vorgaben der Bundesapothekerkammer halte, schaffe ich es, pro Stunde vier Menschen zu impfen. Was muss ich da als Inhaber verdienen, damit sich das lohnt?“ Ähnlich verhalte es sich mit den pharmazeutischen Dienstleistungen, konkret der Medikationsanalyse. „Aus betriebswirtschaftlicher Sicht müsste ich das meinen Mitarbeitern verbieten.“ Um weiterhin solche gesellschaftlich sinnvollen Aufgaben wahrzunehmen, müsse gewährleistet sein, dass die ureigenste Aufgabe der Apotheken – die Arzneimittelabgabe – ausreichend bezahlt werde.

 

Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ online, Hauptstadtredaktion Berlin, E-Mail: c.gruenberg@dav-medien.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(09):8-8