Fitness-Tracker, Uhren und Co.

Die Revolution beginnt am Handgelenk


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Ein wenig Spielerei darf auch mal sein. Der Autor gehört zwar nicht zu den steten „First Movern“, die immer das Allerneueste brauchen, hohe Preise zahlen und dafür zudem noch manch Kinderkrankheiten ausbügeln dürfen. In den meisten Fällen (wenn man nicht gerade selbst die Speerspitze für die Erschaffung höchster Innovationen markiert) erweist es sich als klüger, ein wenig abzuwarten, zu schauen, wohin der Trend geht, und auf sinkende Preise bei besserem Reifegrad zu setzen.

Im Falle nicht allzu teurer Gadgets überwiegt doch die Neugier – verbunden mit der schlichten ökonomischen Erkenntnis, dass man notfalls nur ein wenig Elektronikschrott produziert hat. Fitnessuhren sind ein solcher Fall. Es ist wirklich erstaunlich, welche rasanten Fortschritte die Technik dort macht. Inzwischen sind Blutdruck-, Sauerstoff-Partialdruck-, gar rudimentäre EKG-Messungen Standard. 3D-Sensoren können selbst feine Bewegungsmuster erkennen und nachzeichnen. Präzision und Richtigkeit (für letztere muss man die Uhren bisweilen noch mit ganz althergebrachten Verfahren individuell und relativ aufwendig kalibrieren) sind beachtlich. Inzwischen erreicht die nicht-invasive Blutglukose-Messung die Marktreife, Adieu Teststreifen.

Ein wesentlicher Grund für den Fortschritt ist, neben immer preisgünstigerer, trotzdem leistungsfähigerer Sensorik, die steigende Rechenleistung selbst in einer solchen kleinen Uhr. Das ermöglicht komplexe Auswertealgorithmen, den Rest erledigen „Apps“. Vieles ist tatsächlich Mathematik, weil die Zielgrößen indirekt abgeleitet werden müssen. Und was hat das mit den Apotheken zu tun? Mehr, als viele heute denken. Abgesehen von der Tatsache, dass solche „Consumer Electronics“ kaum den Weg über den Apothekentisch finden – die Geräte-Ära der Apotheke endete gefühlt mit Handgelenks-Blutdruckmessern und invasiven Blutzucker-Testgeräten: Extrapolieren wir die Entwicklungssprünge auf die Sicht von vielleicht zehn, fünfzehn Jahren, dann wird der Leistungsumfang unser Geschäftsfeld massiv tangieren können. Wo ein Markt, da ein (künftiges) Angebot.

Das Thema Diabetes ist schon geraume Zeit dabei, sich in diverse Techniksphären zu verteilen, oft an der Apotheke vorbei. Mit der wirklich nicht-invasiven Glukosemessung wird das noch einmal einen Schub erhalten. Weitere Parameter wie der HbA1c-Wert sind auf dem Schirm der Ingenieure. Der nächste Schritt wäre die Messung gängiger Arzneistoff-Blutspiegel (neben Drogen und Alkohol). Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein.

Für diffizilere Fälle wäre die Brücke heutiger invasiver Verfahren zu alltagstauglichen Methoden in Form von kaum spürbaren Microneedle-Patches möglich, die optional angeschlossen werden und so weit mehr Messmöglichkeiten erschließen könnten. Dergestalt scheint selbst ein kontinuierliches Monitoring von Arzneimittel-Blutspiegeln oder verschiedensten Biomarkern nicht allzu fern zu liegen.

Messungen sind nun das eine, die Verarbeitung und Interpretation der Daten mitsamt einer Ableitung von Handlungskonsequenzen das andere. Die Verknüpfung der Fitness-Daten mit einer individuellen Risikovorhersage ist heute bereits in diversen „Apps“ angelegt. Dabei wird es nicht bleiben. Selbst so eine Uhr ist heute vernetzt, hängt am Internet und somit absehbar an allerlei Datenbanken (von wem betrieben?), und könnte mit Health Professionals jeglicher Couleur verbunden sein.

Dienstleistungen, in denen der Berufsstand sein künftiges Heil sucht, wie AMTS oder Prävention, können sich entsprechend verlagern. Das wird alles nicht von heute auf morgen passieren, sondern über Jahre prozesshaft verlaufen. Diese Prozesse haben jedoch bereits begonnen. Die sanfte Revolution beginnt tatsächlich am Handgelenk. Wir stehen bislang als Zuschauer daneben, unter anderem, weil wir in der Vertriebskette derartiger Elektronik und daran anknüpfender Software keine Rolle spielen. Sicher gibt es momentan drängendere Themen, aber wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Das könnte sich hier wieder bewahrheiten, wenn man sich verlagernde Zukunftsmärke nicht rechtzeitig erkennt und es versäumt, sie in seine Zukunftskonzepte einzubauen, weil man sich seiner althergebrachten Sache zu sicher ist.

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, Heilpharm.andmore@t-online.de

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