Arzneimittel-Therapiesicherheit AMTS in der Apotheke

Kaum gestartet, schon ausgeträumt?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

„Krankenkassen sollen automatisierte AMTS-Prüfung vornehmen dürfen“ – so unlängst die Überschrift auf unserem Schwesterportal DAZ online. Kranken- und Pflegekassen sollen gemäß Referentenentwurf zum Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz datengestützte Auswertungen zum individuellen Gesundheitsschutz ihrer Versicherten, zur Verbesserung der Versorgung und zur Verbesserung der Patientensicherheit vornehmen und dazu ihre Versicherten individuell ansprechen dürfen (§ 287a SGB V). Eine automatisierte Verarbeitung der Versichertendaten soll zu den genannten Zwecken zulässig sein, so für die Früherkennung von seltenen Erkrankungen, die Überprüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit zur Erkennung von Gesundheitsgefahren, die risikoadaptierte Früherkennung von Krebsrisiken oder die Identifizierung akuter, schwerwiegender Gesundheitsgefährdungen. Patienten-Widerspruch dagegen soll möglich sein.

Die ausdrückliche Nennung der Arzneimitteltherapiesicherheit lässt aufhorchen. „Patientinnen und Patienten bekommen ihre Arzneimittel oft von unterschiedlichen Leistungserbringern verschrieben, ohne dass zwangsläufig überprüft wird, ob bereits wirkstoffgleiche Präparate mit unterschiedlichen Handelsnamen verschrieben worden sind oder potenziell lebensgefährliche Arzneimittelwechselwirkungen durch bestimmte Kombinationen drohen. Diese Daten laufen bei den Krankenkassen zusammen, so dass dort eine entsprechende automatisierte Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit im Einzelfall erfolgen kann“ – so jedenfalls das Bundesgesundheitsministerium BMG.

In der geplanten Neufassung des § 287a SGB V konkretisiert das BMG, wie eine Kasse mit erkannten Problemen umgehen muss: „Sofern bei einer Verarbeitung eine konkrete Gesundheitsgefährdung bei Versicherten identifiziert wird, sind diese Versicherten umgehend über die bestehende Gefährdung zu unterrichten. Diese Unterrichtung ist als unverbindliche Empfehlung auszugestalten, medizinische Unterstützung eines Leistungserbringers in Anspruch zu nehmen.“ In sehr dringenden Fällen soll die Kontaktaufnahme sogar telefonisch erfolgen, sonst elektronisch oder in Schriftform. Vorgaben hinsichtlich der Beseitigung der Gefährdung dürfen nicht gemacht werden, die Therapiefreiheit der Leistungserbringer wird nicht eingeschränkt. Versicherte sollen nach einem Hinweis auf mögliche Kreuzmedikationen medizinischen Rat einholen, anstatt selbständig Medikamente abzusetzen.

Die Reaktionen der Apothekerschaft darauf sind erstaunlich verhalten, obwohl die Sprengkraft kaum übersehen werden kann. Oder verknüpfen sich damit gar Chancen? So haben die Krankenkassen einen Vorsprung hinsichtlich der Datenbasis, denn dort läuft alles Verschriebene zusammen. Diesen Nachteil kann die Apotheke erst durch einen späteren Zugriff auf die elektronische Patientenakte wettmachen. Dafür hat sie einen besseren Überblick über die Selbstmedikation, aber eben auch nur das, was in der eigenen Apotheke gekauft wurde bzw. freiwillig seitens der Kunden berichtet wird. Unter dem Strich aber: leichter Daten-Vorteil Krankenkassen. Als nächstes steht die Frage nach den Auswerte-Tools im Raum. Hier verfügen die Apotheken über ganz gute Software. Wenn auch im Detail oft noch nicht ideal, so haben die Apotheken an dieser Stelle einen klaren Vorsprung. Doch der kann sich schnell auflösen, je nachdem, inwieweit die Krankenkassen hier einsteigen. Deren Programme werden andere sein, mit Schwerpunkt auf automatisiertem Screening von Auffälligkeiten.

Und was passiert bei erkannten Risiken? Wer ist dann der primär adressierte Problemlöser? Hier wird es interessant. Am Ende müssen in jedem Falle die Ärzte handeln, um die erkannten Medikationsprobleme aus der Welt zu räumen, denn ihnen obliegt die Therapie- und Verschreibungs-Hoheit. Doch wer nimmt dann noch den „Umweg“ über die Apotheke? Werden sich die Ärzte in der Apotheke rückversichern? Eher nein. Das umso mehr, je weiter die entsprechende Softwareausstattung in den Praxen voranschreitet – was nun einen Schub bekommen könnte. AMTS in der Apotheke: Dieses Lieblingsthema wird man neu einordnen müssen, und ARMIN braucht einen Sturzhelm. Die ABDA lehnt die neuen Möglichkeiten der Kassen indes rundweg ab. Ob das reicht?

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

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