Big Data und Künstliche Intelligenz in der Apothekenpraxis

Alles KI oder was ...?


Torsten Roos, Frank Weißenfeldt

Künstliche Intelligenz (KI) und Big Data machen die Runde. Doch welche Relevanz hat die „Macht der Daten“ für das Gesundheitswesen? Inwiefern unterscheiden sich KI und Big Data? Und wie können Apotheken die neuen Möglichkeiten konkret nutzen und davon profitieren? Ein aktueller Status-quo-Bericht.

Die Digitalisierung verändert das Gesundheitswesen. In Krankenhäusern und Arztpraxen gewinnen die elektronische Patientenakte (ePA), Telemedizin und maschinelles Lernen immer mehr an Bedeutung. Die Anwendungsgebiete reichen von der Anamnese und Diagnose über Roboterassistenten im OP bis hin zu individualisierten Behandlungs- und Nachsorgeprozessen. Die Apotheke (Abb. 1) als integraler Teil der Versorgungslandschaft ist mehr denn je gefragt und kann aus der Analyse von Daten profitieren – und über neue digitale Angebote ihre Patienten besser versorgen.

Abb. 1: Big Data und KI werden auch den Apothekenalltag nachhaltig verändern. (Quelle: Adobe_Stock_Digilife_FORMAT)

KI bietet neue Möglichkeiten für Big Data

Was ist nun der Unterschied zwischen KI und Big Data (s. Kasten)? KI ist ein Segment in der Analytik von Daten, das wiederum aus verschiedenen Teilbereichen besteht. Hierzu die wichtigsten Definitionen:

  • Künstliche Intelligenz (KI): Die Fähigkeit von Maschinen, menschenähnliche Intelligenz zu imitieren.
  • Maschinelles Lernen: Ein Verfahren, mit dem Computer lernen zu lernen, ohne dazu explizit programmiert zu werden.
  • Deep Learning: Eine Art maschinelles Lernen, das auf künstlichen neuronalen Netzen basiert.

 

KI-Anwendungen ermöglichen die automatisierte Erfassung und Analyse großer Datenmengen (Big Data).

 

Big Data – was ist das genau?

„Daten sind das neue Gold, Data Science ist der neue Goldrausch.“ Dieses Zitat stammt von dem amerikanischen Mathematiker und Data Scientist Dhanurjay „DJ“ Patil. Wichtig sind beide Aspekte: Das Edelmetall muss geschürft (= erhoben) und gut verarbeitet (= analysiert) werden.

Der Begriff Big Data definiert sich darüber, dass Daten

  • in großen Mengen vorliegen,
  • in hoher Geschwindigkeit und großer Vielfalt anfallen,
  • einen ausreichenden Wert für möglichst viele Fragen haben und
  • eine hinreichende Qualität und Richtigkeit aufweisen.

 

Der Big Data „Produkt-Prozess“ beginnt mit der Produktdefinition. Zunächst starten Datenspezialisten mit der Erhebung und Validierung der Massendaten. Im Anschluss werden Thesen verifiziert, Ergebnisse modelliert und Algorithmen erstellt. Bedeutend ist die Performance: Wie führe ich eine gute und schnelle Daten-Analytik durch? Die Ergebnisdarstellung sowie die Gestaltung von Schnittstellen schließen sich an. Am Ende des Prozesses steht die Dokumentation.

Sie erfassen diese aus diversen Quellen, sammeln, bereinigen, transformieren sie, und unterstützen bei der Entscheidungsfindung.

Big Data und KI kommen aber auch bei der Prozessoptimierung zum Einsatz. RPA (Robotic Process Automation) lautet in diesem Kontext das „Zauberwort“. RPA-Tools automatisieren turnusmäßige, regelbezogene Aufgaben. Dadurch lassen sich z. B. die Rechnungsstellung oder wiederkehrende Aufgaben im Kundenservice automatisieren. Am bekanntesten sind KI-Tools für den Anwendungsbereich Natural Language Processing (NLP). NLP-Tools (das bekannteste ist ChatGPT) bieten die Möglichkeit, menschliche Sprache zu erkennen, zu verarbeiten und entsprechend zu handeln. Ferner werden KI-Tools auch für die Zusammenarbeit und Kommunikation von Teams genutzt. Collaboration Tools mit KI-Funktion werden u. a. im Projektmanagement eingesetzt und können z. B. E-Mails automatisch sortieren.

So nutzen Sie KI und Big Data für die Apothekenpraxis

Im zweiten Teil dieses Artikels wechseln wir nun von der Theorie in die Praxis. Wo bringen Ihnen KI-Tools und Big Data als Apothekeninhaber den größten Nutzen für die Praxis?

Wir haben vier zentrale Bereiche herausgegriffen: Marketing, Sortiments- und Lager-Management, Apothekenteam und Prozesse sowie Patientenberatung und e-Business. Wir zeigen Ihnen, welches Optimierungspotenzial KI-Anwendungen und Big Data dort konkret entfalten können.

Marketing

Ein zentraler Aspekt im Apothekenmarketing ist die passgenaue Kalkulation der Preise für OTC-Arzneimittel und weitere rezeptfreie Produkte für die eigene Kundschaft. Dazu wurden in den letzten Jahren spezielle Preisoptimierungs-Tools für Apotheken wie z. B. Solvena TruePrice entwickelt.

Ausgehend vom regionalen Wettbewerbsumfeld und unterschiedlichen Preiselastizitäten hat die Apotheke dadurch immer den „richtigen“ Preis, ohne dass das Team viel Zeit in die ansonsten aufwändige Preispflege investieren muss.

KI und Big Data ermöglichen ferner, das Kaufverhalten der Kunden besser zu verstehen und die Kommunikation gezielt darauf abzustimmen. Beispiele dafür sind personalisierte Empfehlungen und Angebote basierend auf den individuellen Kundenbedürfnissen.

Zudem lassen sich durch den Einsatz von KI und Big Data präzise Absatz-Vorhersagen erstellen. Besondere Aktionen, Frequenzmarketing und Promotions am POS werden dadurch gezielt gesteuert. Auch SEO-Aktivitäten (Suchmaschinenoptimierung) zur Verbesserung der Sichtbarkeit von Marken und Produkten im Internet sind weitere Anwendungsfelder im Marketingumfeld.

Sortiments- und Lagermanagement

KI-basierte Bedarfsprognosen dienen auch dem Bestands- und Category-Management und helfen, das Apothekensortiment an veränderte Marktentwicklungen anzupassen. So lassen sich z. B. solide Vorhersagen treffen, um einerseits Engpässe, andererseits einen zu hohen Lagerbestand zu vermeiden. Dadurch werden die Lieferfähigkeit gesichert und die Kosten gesenkt.

Apothekenteam und Prozesse

Eine weitere Anwendung von KI für die Apothekenpraxis ist die Entlastung des Teams von routinemäßigen, zeitaufwendigen Aufgaben mit dem Ziel, dass sich die Mitarbeiter auf die Beratung der Patienten konzentrieren können.

Patientenberatung und e-Business

Last but not least lässt sich die Medikamentenhistorie der Patienten für Prävention, Adhärenz und Arzneimitteltherapiesicherheit KI-gestützt effizienter nutzen.

Kennen Sie alle Ihre Patienten? Was für den einzelnen Apotheker und das pharmazeutische Fachpersonal kaum möglich ist, kann durch entsprechende KI-Anwendungen ebenfalls sichergestellt werden.

Chatbots wie ChatGPT oder T5 bieten darüber hinaus die Möglichkeit, eine Beratung in der Muttersprache der Patienten zu unterstützen.

Fazit

Künstliche Intelligenz wird den Apothekenalltag verändern. Bei allen Diskussionen um die Regulierung von KI sollte eines nicht übersehen werden: KI-Anwendungen bieten Apotheken zahlreiche Vorteile und könnten sich sogar zu einem wirksamen Hebel entwickeln, um dem akuten Fachkräftemangel zu begegnen. Ohne geeignete Daten – Stichwort Big Data – gibt es jedoch weder maschinelles Lernen noch Deep Learning, und die Künstliche Intelligenz läuft quasi im „Leerlauf“. Insoweit ist das strukturierte und systematische Sammeln von Daten eine Grundvoraussetzung für die weitere digitale Transformation im Gesundheitswesen.

 

Torsten Roos, MBA International Finance, Geschäftsführer, Insight Health GmbH 65529 Waldems-Esch, E-Mail: TRoos@insight-health.de

Frank Weißenfeldt, Diplom-Betriebswirt und MBA, Senior Business Development Manager, Insight Health GmbH 65529 Waldems-Esch, E-Mail: FWeissenfeldt@insight-health.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(02):10-10