Eckpunktepapier zur Apothekenreform

Kampfansage oder Anstoß zur Besinnung?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Die Überraschung, eher Überrumpelung, ist der Politik und namhaft unserem Bundesgesundheitsminister kurz vor Weihnachten geglückt, als das Eckpunktepapier in die traute (Vor-)Festtagsrunde platzte. Dies noch als „größte Apothekenreform seit langem“ zu titulieren, fällt nicht schwer, da seit Jahren kaum etwas bewegt wurde. Bei Lichte betrachtet ist es jedoch eher ein Reförmchen.

Angesichts der Erwartungen des Berufsstands muss man wohl wieder konstatieren: „Es hätte schlimmer kommen können“ – und es kam schlimmer. Kurz zusammengefasst: Es wird bei den Rx-Fertigarzneimitteln ein mittlerer dreistelliger Millionenbetrag von der prozentualen Aufschlagskomponente zum Festzuschlag hin umverteilt („1 : 1“, wie auch immer konkret umzusetzen). Der Notdienstzuschlag wird um sieben Cent je Rx-Packung erhöht – das macht im Schnitt gut 3.000 € mehr für Nachtdienste pro Jahr und Apotheke. Der Kassenrabatt wird planmäßig um 0,19 € netto je Rx-Packung zurückgeführt, somit endet das durchschnittliche Sonderopfer von rund 7.000 € p. a. Berufsstrategisch bedeutsam wäre die Aufweichung der Präsenzpflicht von Approbierten, Telepharmazie und qualifizierte PTA sollen es richten. Ab 2027 soll das Honorar regelmäßig mit den Kostenträgern im Rahmen der Selbstverwaltung verhandelt werden – Chance und Risiko zugleich. Der Rest, wie Entbürokratisierung, flexiblere Öffnungszeiten, erleichterter Zugang von ausländischen Approbierten, Einbindung in Präventionsprogramme und manches mehr: Nice to have, aber nicht „kriegsentscheidend“. Dagegen: Was wird aus den angesammelten 270 Mio. für pharmazeutische Dienstleistungen? Hierzu Schweigen.

Der Berufsstand könnte nun tatsächlich vor einem „Krieg“ stehen. So wie es Handelskriege gibt und Arbeitskämpfe, wenn Positionen zu weit auseinanderliegen und die Kompromissbereitschaft gering ist, kann man dieses Eckpunktepapier durchaus als Kriegserklärung auffassen, wenn man die Forderungen der Berufsvertretung und das „Angebot“ gegenüberstellt. Hier gewünschte 160.000 € Zusatzertrag je Apotheke bzw. 12 € Festzuschlag je Rx-Packung, dort nur ein marginales Notdiensthonorar-Plus um den Preis weiterer Abkopplung vom Marktgeschehen. Und nun?

Kampf liegt in der Luft. Doch um was? Ein Eckpunktepapier markiert Eckpunkte, wenn auch noch keine endgültigen Formulierungen. Aber es ist unrealistisch und käme einem Gesichtsverlust der Verfasser gleich, wenn es grundlegend umgekrempelt würde. Aus einem Angebot von 50 Mio. € zaubert man keine Milliarden. Wohl nicht mal mehr eine einzige Milliarde, bei andererseits gut 3,3 Milliarden, welche die ABDA-Forderungen kosten würden. Der Spielraum scheint sich auf Marginalien zu beschränken. Abgesehen davon, inwieweit die Apotheken überhaupt kampffähig sind. Mental mögen sie bereit sein, aber wie steht es um die konkreten Fähigkeiten, das Durchhaltevermögen und den Umgang mit möglichen Gegenreaktionen? Parallelen zur Bundeswehr tun sich auf.

Für eine Kriegsführung gilt: Definiere klare, aber auch realistische Ziele vor dem Hintergrund der eigenen Kampfkraft – und habe immer eine Exit-Strategie in der Hinterhand, wenn die Ziele nicht mehr erreichbar sind. Was passiert, wenn man das nicht beherzigt, sehen wir im Großen. Unsere Möglichkeiten scheinen da doch begrenzt. Selbst die gern vorgebrachte Kündigung der Lieferverträge führt nicht geradewegs in einen Zustand kaufmännischer Freiheit („Rezepte werden nur noch privat abgerechnet“). Es gelten Kündigungsfristen, Kontrahierungszwänge, weiterhin die Arzneimittelpreisverordnung u. a. m. Um das eigene Gesicht zu wahren, werden die Apotheken nun weiter protestieren und „eskalieren“ müssen. Erfolgsgarantie sieht jedoch anders aus.

Und der Plan B? Diese vorliegenden Eckpunkte bieten im Grunde nichts, was man nun haben müsste. Man kann gut darauf verzichten. Lieber keine Reform als eine schlechte Reform! Wirksam würde das sowieso erst ab 2025 – da wird bereits wieder gewählt. Eine neue Regierung könnte dann eine zukunftstragende Reform ab 2027 auf den Weg bringen. Klugerweise sollte man sich darauf konzentrieren. Und Karl Lauterbach wird mit einem Scheitern seines Werks gut leben können, dazu ist es viel zu unbedeutend, auch und gerade für die Kostenträger.

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

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