Die unzureichende Vergütung der Heimverblisterung

Müssen Apotheken Pflegeheime subventionieren …?


Prof. Dr. Thomas Schmid

Die Pleite einer der größten verblisternden Apotheken hierzulande wirft ein Schlaglicht auf den harten Preiswettbewerb bei der Verblisterung für Pflegeheime. Zu diesem tragen einige Apotheker durch ihr eigenes Verhalten ebenso bei wie systembedingte Faktoren – Stichwort unzureichende Vergütung. Es wird Zeit, dass sich alle Beteiligten zusammenraufen, um Ausfälle in der Versorgung zu vermeiden.

Die Heimverblisterung wird nur unzureichend vergütet und ist deshalb für viele Apotheken ein Zuschussgeschäft. (© AdobeStock/Karin_und_Uwe_Annas) 

Zu niedrige Vergütung als Grundproblem

Ende Oktober wurde ein Insolvenzverfahren über eine Braunschweiger Apotheke eröffnet, die mit etwa 60 versorgten Heimen und knapp 5.000 versorgten Heimbewohnern zu den größten im apothekenüblichen Rahmen verblisternden Apotheken zählen dürfte. Für die wirtschaftliche Schieflage der Apotheke wurde von Kennern des Betriebs nicht zuletzt der intensive Preiswettbewerb in der Verblisterung verantwortlich gemacht. (s. auch Kasten). Dabei sind die (zu) niedrigen Vergütungen der Verblisterung keine Randerscheinung, sondern Standard. Die Zwischenergebnisse einer unlängst durchgeführten Befragung unter Pflegeheimen deuten darauf hin, dass der Median der Vergütung pro Wochenblister durch die Heime bei unter 2 Euro liegt. Selbst das kostenlose Verblistern ist alles andere als ausgemerzt. Und das bei Selbstkosten, die bei Blisterzentren im Bereich von 3 Euro je Wochenblister zu verorten sind. Bei selbst verblisternden – insbesondere manuell arbeitenden – Apotheken dürften sie sogar deutlich höher liegen.

 

Es braucht eine konzertierte Kraftanstrengung

Bei der Insolvenz der Braunschweiger Apotheke scheint noch einmal alles gut zu gehen: Die betroffene Apotheke saniert sich in Eigenverwaltung und kann damit die betroffenen Heime weiter mit Blistern versorgen. Dennoch sollte der Fall zum Anlass genommen werden, das Problem der unzureichenden Vergütung in der Heimversorgungs-Verblisterung grundlegend anzupacken. Ansonsten droht eine Entwicklung wie bei den aktuellen Versorgungsengpässen bei Fertigarzneimitteln – auch die hatte sich bei genauem Hinsehen schon Jahre im Voraus angekündigt.

So würde die Regelinsolvenz eines großen verblisternden Heimversorgers mit einem Insolvenzverwalter, der die Verblisterung aus wirtschaftlichen Gründen einstellt, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem signifikanten Versorgungsengpass führen. Schließlich ist in Anbetracht der allgegenwärtigen Personalengpässe schwer vorstellbar, dass mehrere tausend Patienten kurzfristig und nahtlos von umliegenden Blisterzentren, verblisternden Apotheken oder gar wieder den Pflegeeinrichtungen selbst versorgt werden könnten. Deshalb ist es an der Zeit, dass alle Beteiligten – Apotheker, Blisterzentren, Pflegeeinrichtungen und deren Verbände sowie die Politik – sich zusammensetzen, um gemeinsam eine dauerhaft tragfähige Lösung für eine angemessene Vergütung der Heimverblisterung zu finden!

Problem mit vielen Ursachen

Einige Apotheker tragen zweifellos durch ihr eigenes Verhalten nicht unerheblich zu diesem Unterbietungswettbewerb bei. Dazu gehören in allererster Linie natürlich diejenigen, die keine kostendeckenden Preise oder gar kostenloses Verblistern anbieten. Aber vielleicht machen es sich manche der Mitbewerber auch zu einfach, die sich z. B. aus falsch verstandener Kollegialität nicht mit aller Macht und zur Not auch mit harten Bandagen gegen die oft weithin bekannten „Preisführer“ zur Wehr setzen.

Klar ist aber auch, dass die Pflegeeinrichtungen bzw. deren Verbände und das Vergütungssystem eine Mitverantwortung für die mangelhafte Wirtschaftlichkeit der Verblisterung im Heimsetting tragen. So gibt es immer wieder Berichte über Heime und deren Dachorganisationen, die auf nicht kostendeckende Preise oder gar eine kostenlose Verblisterung pochen und ihre Kosten damit zu Lasten der Apotheken drücken. Das ist unfair, weil die Verblisterung nachweislich zu erheblichen Personalkosteneinsparungen auf Seiten der Heime führt. Selbst konservative Schätzungen gehen davon aus, dass eine durchschnittliche Pflegeeinrichtung für vollstationäre Dauerpflege etwa eine halbe Fachkraft einspart, wenn sie die Arzneimittel verblistern lässt.

Ebenfalls zu bedenken ist, dass die Vergütung der Arzneimittel laut Arzneimittel-Preisverordnung (AMPreisV) für deren Abgabe in der Offizin und nicht für eine aufwändige Verblisterung konzipiert wurde. Und nicht zuletzt scheint die Politik bisher kein Interesse daran zu haben, das Problem aktiv anzugehen. Das erstaunt insofern, als die Verblisterung für Heime – angetrieben durch die akute Personalknappheit – insgesamt wächst und inzwischen etwa die Hälfte der Einrichtungen die Dauermedikation ihrer Heimbewohner von Apotheken patientenindividuell neuverpacken lässt.

 

Prof. Dr. Thomas Schmid, Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten, 87435 Kempten, E-Mail: thomas.schmid@hs-kempten.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(02):9-9