Leitfaden für Impulskäufe in der Apotheke

Die richtigen Reize in der richtigen Dosis setzen


Andreas Kinzel

Damit Impulskäufe funktionieren, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein: Die Ware sollte zum geplanten Kauf passen, auf Augenhöhe präsentiert werden – sowohl physisch als auch zwischenmenschlich –, und die Kunden dezent an ihre Bedürfnisse erinnern. Diese sollten am Ende überzeugt sein, wenn sie im wörtlichen Sinn zugreifen – und sich nicht bloß überredet fühlen.

Damit Spontankäufe funktionieren, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. (© AdobeStock/wolfhound911)

Ein Sprichwort sagt: „Weniger ist mehr“. Das gilt auch für die Warenpräsentation. Zu viel, zu unklar, zu aufdringlich heißt, den Kunden zu verwirren (Consumer Confusion), was dieser i. d. R. mit Nichtkauf quittiert. Andererseits müssen wir Impulse zum Spontankauf geben. Diese „Einladung zum Kauf“ kann über das Beratungsgespräch oder durch optische Reize geschehen.

Die Kunden an ihre Bedürfnisse erinnern

Wer von uns kennt das nicht: An der Kasse liegt mehr im Einkaufswagen als geplant und dennoch sind es Artikel, die wir scheinbar brauchen. Wir laden am Regal, aber vor allem an Aufstellern ein, und erinnern uns dort an Dinge, die wir brauchen könnten.

Insofern ist es wichtig, dass wir die Kunden an ihre Bedürfnisse erinnern. Sicherlich liegt darin im übertragenen Sinne eine gewisse Verführung. Es gilt, die Kunden einzuladen – nicht jedoch sie zu überreden. Wir müssen ihre Aufmerksamkeit auf die eigenen Bedürfnisse lenken. Nur dann greifen sie im wörtlichen Sinne zu. Zu beachten ist, dass sie nur dann zufrieden sind, wenn sie die Ware wirklich brauchen können und die Entscheidung (scheinbar) selber treffen. Also sollten wir ihnen ein Angebot machen, optisch und verbal. Dann greifen wir in die Sichtwahl oder selber zum Aufsteller und präsentieren ihnen das Produkt. Doch wenn wir erst zum Schub oder Automaten greifen müssen, vielleicht gar eine Bestellung nötig ist, ist der Spontankauf schon vertan. Liegt andererseits die Ware schon mal auf dem HV, kaufen die Kunden erfahrungsgemäß häufiger.

Auf die Optik und Emotionen kommt es an

Grundsätzlich sollten die Kunden entspannt sein, um spontan zuzugreifen. In Stresssituationen steigen Angst und Misstrauen, wir sind gereizter, fliehen in einen Tunnelblick. Unlust kommt auf. Wir kaufen nicht mehr gerne. Zur Entspannung können eine Bastelecke für Kinder, ein ruhiges Beratungsgespräch, insbesondere aber ein ansprechendes und geordnetes Warenangebot beitragen. Ein Überangebot wirkt dagegen verwirrend. Dann steigen Adrenalin und Cortisol, die Fluchtgedanken hervorrufen. Der Stresspegel steigt.

Idealerweise bietet ein Einkauf auch ein Gefühl der Belohnung. Dopamin macht‘s möglich. Um ein solches Glücksgefühl bei den Kunden hervorzurufen, müssen wir Reize aussenden. Das können Gerüche ebenso sein wie optische Reize. Allerdings nicht zu viele, sonst sind die Kunden „überreizt“. Dennoch dürfen wir die Ware nicht verstecken. Sonst bleibt der Einkauf emotionslos. Verführung klappt wie im Zwischenmenschlichen nur dann, wenn sie gesehen wird. Beim Impulskauf ist dann nur eine kurze Information nötig. Dies kann ein einfaches Bild ebenso sein wie ein Werbeclaim. Dabei können emotionale Bilder wie z. B. spielende Kinder im Sand am Sonnenschutz-Regal hilfreich sein. Oder dezent beleuchtete, in Grün gehaltene Pflanzenbilder. So können je nach Artikel das Licht und die Farbauswahl helfen, positive Gedanken hervorzurufen. Klassiker dabei sind Rot als Signalfarbe bei Sonderangeboten, Blau kann Sicherheit geben, und Grün signalisiert Entspannung.

Minutenlange Beratungsgespräche sind eher kontraproduktiv und wirken mehr überredend als überzeugend. Um einen Spontankauf zu generieren, dürfen wir dem Kunden nicht viel Zeit zur Bewertung geben. Wir sollten ihn bei einer Kaufentscheidung bestärken und Bedenken ausräumen. Freilich ohne die fachliche Beratung in den Hintergrund zu schieben (siehe Abb. 1).

 

Abb. 1: Drei Zwischenschritte trennen den Trigger vom Impulskauf – die gilt es schnell zu überbrücken

Weniger ist mehr

Wo finden Kunden Impulsware? Der Klassiker dabei sind die Aufsteller an der Kasse am HV-Tisch. Daran kommen die Kunden nicht vorbei und „müssen“ die Kaufeinladung sehen. Selbstverständlich bieten sich auch Schaufenster, Regal oder digitale Installationen an. Hauptsache, wir erregen Aufmerksamkeit bei den Kunden! Dazu sollte die Impulsware nicht nur abwechslungsreich, sondern auch übersichtlich angeordnet sein. Sie soll ins Auge stechen, dabei aber weder optisch noch durch zu viele Informationen überfordern. Dazu tragen Attribute wie „eindeutig erkennbar, attraktiv, handlich, vergleichsweise preisgünstig“ (vgl. auch AWA 15/2023, S. 12 f.) bei. Wichtig dabei sind kleine Einheiten anstelle von Jumbopackungen. Hier schreckt oft nicht nur der Preis, sondern schlicht die Größe ab.

Nicht nur die klassischen Aufsteller erinnern unsere Kunden an ihre Bedürfnisse. Auch ein Category Management-System eignet sich dazu sehr gut. Bei einem solchen geht es darum, Artikel zu kombinieren, die abseits klassischer Einteilungen offensichtlich zusammengehören – wie z. B. das saisonale Urlaubsregal („Alles für die Reise“). Aber auch bei der klassischen Warengruppierung eignen sich Ergänzungen zum Spontankauf. Es lohnt sich, diese auch (farbig) auffällig zu präsentieren. Indem man die Harmonie durchbricht, fallen die Artikel eher ins Auge. Allerdings sollte es nicht zu verwirrend sein. Auch hier gilt für den Spontankauf: Was der Kunde nicht sieht, kauft er nicht. Insoweit gilt auch in der Sichtwahl „Weniger ist mehr“. Bewährt hat sich eine übersichtliche Anordnung mit drei gleichen Arten, die Ware zu präsentieren (Facings).

Selbstverständlich können wir die Kunden auch proaktiv auf Ergänzungen hinweisen. Dies kann von einem Allgemeinen „Darf’s sonst noch etwas sein?“ bis hin zu Fragen und Hinweisen gehen wie: „Haben Sie nur die Krankheit A oder auch B? Wenn Sie XX brauchen, hätte ich passend noch XY dazu.“ Gerade bei Hinweisen wie diesen müssen wir jedoch aufpassen, nicht zu aufdringlich zu wirken. Das verschreckt Kunden schnell.

Ergänzung zum Plankauf

Um spontan zu kaufen, müssen Kunden die Ware also sehen und sich emotional angesprochen fühlen. Dennoch klappen Impulskäufe oft nur als Ergänzung zum Plankauf. Dies gilt besonders für die Apotheke. Kaufen Kunden z. B. bei Magen-Darm-Beschwerden zusätzlich Hustendrops oder bei Erkältung zusätzlich Wärmepflaster? Erfahrungsgemäß eher nicht.

Also kommt es darauf an, dass wir jeweils zum Hauptkauf passende Zusatzartikel anbieten können. So erhöht sich die Chance zum Impulskauf bei Saisonware. Deshalb ist ein mehrmaliger Umbau der Warenpräsentation im Jahr lohnenswert – sei es der Aufsteller an der Kasse oder im Regal der Sichtwahl. Damit werden die Kunden durch neue Impulse daran erinnert, was sie noch brauchen könnten. Bewährt haben sich in diesem Kontext Sichtwahlregale zum Thema „Was Sie jetzt brauchen könnten“ oder „Hausapotheke“. Auch ein Aufsteller mit Ware aus der aktuellen Werbung oder deren Betonung im Regal (mittels Rahmen, farblich abgesetzt, Hinweisschild usw.) können Kunden an die Ergänzung zum Plankauf erinnern. Sonderangebote in punkto Preis, Bundle oder limitierte Editionen erhöhen die Spontankaufrate ebenfalls: Sie suggerieren Knappheit und eine erfolgreiche Schnäppchenjagd.

Grundsätzlich gilt: Kunden greifen nur dann spontan zu, wenn wir Ihnen die Artikel auf Augenhöhe präsentieren – und das ist nicht nur physisch, sondern auch zwischenmenschlich zu verstehen. Dabei kann bei fehlendem Bedarf auch ein ehrliches Nein hilfreich sein, nicht nur wegen der Beratungspflicht. Die (Stamm-)Kunden werden es mit Wiederholungskäufen an anderer Stelle danken.

 

Andreas Kinzel, Apotheker und Diplom-Kaufmann (FH), 80637 München, E-Mail: a-kin@web.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(04):14-14