Gentherapien - Hoffnungsträger oder Systemsprenger?


Dr. Hubert Ortner

Liebe Leserinnen und Leser,

die Spreizung des Arzneimittelmarktes nimmt langsam systembedrohliche Ausmaße an: Auf der einen Seite ist der Preisdruck für Generika so hoch, dass sich die europäische Pharmaindustrie zunehmend aus der Produktion verabschiedet (hat). Auf der anderen Seite wird die Zahl der zum Teil exorbitant teuren Gentherapeutika in naher Zukunft deutlich zunehmen – derzeit sind hierzulande erst 15 Präparate zugelassen, weitere 49 stecken laut jüngstem Report der Techniker Krankenkasse (TK) in der Pipeline. Angesichts der bisherigen Markteintrittspreise zwischen 300.000 € und 4,2 Mio. € pro Behandlung ist der provokante Titel der Studie „Gentherapeutika – Hoffnungsträger oder Systemsprenger?“ mehr als gerechtfertigt. Bei Zulassung aller 49 Präparate kämen auf die Krankenkassen Mehrkosten um die 30 Mrd. € zu. Das würde die Arzneimittelausgaben (2023 waren das knapp 50 Mrd. €) um 60 % in die Höhe schießen lassen! Verglichen damit klingen die von der ABDA in stoischer Realitätsverweigerung geforderten 3 Mrd. € mehr Rx-Fixum fast schon nach Peanuts…

Damit drängen sich drei grundsätzliche Fragen auf: 1) Welche neuen Wege der Preisbildung gibt es, die dafür sorgen, dass unsere Arzneimittelausgaben nicht völlig aus dem Ruder laufen, ohne dass die Entwicklung neuer Therapieansätze behindert wird? Eine Orientierung an den Forschungs- und Herstellungskosten wäre naheliegend, zumal preisliche Referenzpunkte fehlen. 2) Wie viel wollen wir uns innovative, neue Therapien als Gesellschaft grundsätzlich kosten lassen? 3) Und woran wollen wir deren Nutzen festmachen – an gewonnenen Lebensjahren, der Zahl betroffener Patienten…? Übrigens müssten Antibiotika nach dieser Logik zu den teuersten Arzneimitteln überhaupt zählen. Zu all diesen sensiblen Punkten braucht es eine offene gesellschaftliche Debatte. Und Gesundheitspolitiker mit Rückgrat, die der Versuchung widerstehen, dem Wahlvolk falsche Versprechen dergestalt zu machen, dass sich Gentherapien für alle über ein bezahlbares Solidarsystem finanzieren lassen werden.

Es grüßt Sie herzlichst

Ihr

Dr. Hubert Ortner

 

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