Geschäftsmodelle an die Realität anpassen

Zeit für Apotheken-Plan B


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Egal, wie es mit dem Referentenentwurf zur Apothekenreform weitergeht – signifikant mehr Geld wird es selbst bei optimistischer Einschätzung des weiteren Gesetzgebungsverfahrens wohl nicht geben. Im Gegenteil: Im Entwurf ist das „blame game“ im Grunde für jeden halbwegs taktisch Versierten klar angelegt. Man schreibe etwas hinein, was die „pain points“ des Gegenübers hundertprozentig triggert, nämlich die Schleifung des „Apotheker-Monopols“ bei der Führung einer (Filial-)Apotheke im Gefolge der aufgeweichten Präsenzpflicht und PTA-Vertretungsbefugnis. Mit ebensolcher Sicherheit wird das Gegenüber, hier unsere Standesführung, darauf anspringen und hysterisch den Frontalangriff auf das Apothekenwesen und den Untergang der pharmazeutischen Versorgung plakativ an die Wand malen.

Das funktioniert so zuverlässig wie das Reizen eines Truthahns durch entsprechende Schlüssellaute. Obwohl absehbar ist, dass dieser Passus eher ein trojanisches Pferd ist und mit einiger Wahrscheinlichkeit wieder versenkt werden wird – es bindet Aufmerksamkeit und lenkt von anderem ab. Man hat den Gegner da, wo man ihn haben will, nämlich in der altbekannten Verteidigungsposition einer immer schwerer zu haltenden Wagenburg. Es würde nicht verwundern, wenn die Unseren bei dieser Gelegenheit auch die sonstigen Punkte des Entwurfs nur noch durch die Problembrille sehen werden, so das Thema Impfen und Tests. Vor allem Letzteres stößt die Tür zur Rolle der Apotheke in der Prävention und präventiven Analytik ein Stück weit auf, kann aber natürlich gleich am Anfang in die Sackgasse problematisiert werden.

Zweiter Treffer Lauterbach – die Apotheker wollen ja gar nicht, egal was man ihnen anbietet, ob Erleichterungen bei der Betriebsführung oder eben neue Betätigungsfelder. Bei Cannabis, einem Milliarden-Business, waren sich die „Thekers“ ja auch schon mal zu fein, das passt also bestens ins Bild. Doch die Standesführung kann sich wieder einmal hinstellen, immerhin das Schlimmste verhindert zu haben. Ein Achtungserfolg für das eigene (Berufs-)Ego, von dem sich freilich niemand etwas kaufen kann. Damit wäre das „blame game“ voll aufgegangen.

Was wäre der Plan B, wenn man merkt, dass man mit seinen bisherigen Anliegen (nämlich vor allem eine Verbesserung der betrieblichen Situation) nicht durchdringt? Es wäre eine Reaktion, wie sie in fast allen anderen Branchen erfolgen würde: Dann passt man eben das Geschäftsmodell und das Leistungsspektrum an die wirtschaftlichen Notwendigkeiten an, und zwar offensiv! Das hieße für die Apotheken (neben den Evergreens Öffnungszeiten und Servicelevel): Sich strukturell wappnen durch massives „Gesundschrumpfen“, sprich forcierte Aufgabe und Zusammenlegung von Standorten. Das verlangt den Kolleginnen und Kollegen manch Sprung über den eigenen Schatten ab, war man doch traditionell auf Konkurrenzverhalten getrimmt. Doch schauen wir zu den Ärzten. Diese haben die Vorteile von Zusammenschlüssen in Gemeinschaftspraxen oder Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) schon längst erkannt.

Und wir? „Aus dreien mach eine“ ist in vielen Kleinstädten möglich. Zu kleine Landstandorte gibt man zugunsten einer Vereinigung im nächsten größeren Ort auf. In Städten bieten sich vielfältigste Möglichkeiten von Zusammenschlüssen, freundlichen Übernahmen und „goldenen Brücken“ in den (vorgezogenen) Ruhestand. Vielleicht denkt man sogar über einen „Konsolidierungs-Fonds“ nach, der Schließungen unterstützt.

Die ABDA hat 10.000 Apotheken als baldigen Worst Case in den Raum gestellt. Machen wir daraus eine mittelfristige Zielvorstellung! Ja, das wird mit massivem Personalabbau einhergehen, Fachkräftemangel ade. „Apotheken müssen 30.000 Arbeitsplätze abbauen“ – wenn, dann wirken nur solche Schlagzeilen. Die Übrigbleibenden würden auf Jahre hinaus selbst bei schwierigeren Randbedingungen tragfähige, resilientere Betriebe ihr Eigen nennen und auskömmliche Gewinne mit viel weniger Arbeitszeit und Einzelverantwortung erwirtschaften können. Konkurrenzsituationen lösen sich auf, man macht sich rar, und wird plötzlich wieder wertgeschätzt. Dreht den Spieß um – und so manche Politiker und viele Patienten werden sich umgucken. Geliefert wie bestellt, oder die Bestellung der Politik wird noch storniert. Dieser Ansatz ist allemal besser, als nur mit geringer Wirkmacht zu protestieren.

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

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