Warum es jetzt an der Zeit ist, das Fremdbesitzverbot für Apotheken zu überdenken

In einer solch existenziellen Situation darf es keine Denkverbote geben


Dr. Morton Douglas

Unlängst hat der EuGH das Fremdbesitzverbot für Anwälte in Deutschland bestätigt. Auch wenn es paradox klingt, so sollte die Entscheidung Mut machen, genau jetzt das Fremdbesitzverbot für Apotheken kritisch zu hinterfragen. Denn die Chancen einer Apotheken-GmbH wiegen viel stärker als deren Risiken. Zumal letztere – insbesondere der gerne bemühte „Dammbruch“ einer unkontrollierten Ausweitung des Fremdbesitzes – vor dem Hintergrund des jüngsten EuGH-Urteils als gut beherrschbar erscheinen.

Der Autor dieses Beitrags, Dr. Morton Douglas, hällt eine offene Debatte über die Apotheken GmbH und das Fremdbesitzverbot nicht nur für wichtig, sondern sogar für überlebenswichtig. (© AdobeStock/JP Studio Lab)

Das Fremdbesitzverbot bei Apotheken ist ein heiliger Gral. Wann immer Diskussionen über Veränderungen aufkommen, wird dieses als rote Linie ausgeklammert. Eines der zentralen Argumente, das insbesondere von Standesvertretern in der Vergangenheit regelmäßig bemüht wurde, ist eine eindringliche Warnung: Wenn man die Schleusen für den Fremdbesitz – ganz gleich welcher Ausgestaltung – erstmal einen Spalt weit öffnet, dann lasse sich nicht mehr kontrollieren, was die Rechtsprechung aus einer solchen gesetzlichen Regelung machen würde. Denn selbst wenn der Gesetzgeber den Fremdbesitz eingeschränkt in der Form erlauben würde, dass nur Pharmazeuten Gesellschafter einer solchen Apotheken-GmbH sein dürften, würde das Risiko bestehen, dass diese Beschränkung durch die Rechtsprechung zu einem späteren Zeitpunkt aufgehoben wird.

Eine solche Entwicklung kann natürlich nie vollständig ausgeschlossen werden. Gleichzeitig sollte aber bedacht werden, dass sich das Apothekenwesen gerade in einer schweren Krise befindet. Jeden Monat schließen Apotheken, und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar. In einer solch existentiellen Situation darf es keine Denkverbote geben. Jede Maßnahme, die den Betrieb von Apotheken erleichtert, sollte ernsthaft geprüft werden. Insofern sollte die Entscheidung des EuGH nicht als Bestätigung einer überkommenen Sichtweise verstanden werden, sondern als Chance, die Voraussetzungen für den Betrieb von Apotheken zu verbessern.

Die Grundsätze des EuGH-Urteils zum Fremdbesitzverbot für Anwälte (Details siehe Textkasten) dürften auf eine vergleichbar ausgestaltete Gesellschaft für Apotheken übertragbar sein, wenn in dieser z. B. nur Pharmazeuten als Gesellschafter aufgenommen werden können. Schließlich würde in einer solchen Gestaltung die Unabhängigkeit von wirtschaftlichen (Dritt-)Interessen und der Erhalt der Freiberuflichkeit, wie sie der EuGH bereits 2009 bei der Anerkennung des Fremdbesitzverbotes akzeptiert hatte, gewahrt bleiben.

Wenig verlockende Vollhaftung

Jenseits der zuvor genannten, gerne überstrapazierten Ängste liegen die Vorteile einer Apotheken-GmbH auf der Hand. So wird es zunehmend schwieriger, junge Pharmazeuten davon zu begeistern, eine Apotheke zu führen. Allein schon die persönliche Haftung mit Haus und Hof ist für eine Generation, die häufig bereits zumindest ein Haus besitzt, nicht besonders „verlockend“. Das gilt umso mehr, wenn die Ertragsmöglichkeiten aufgrund der bislang ausgebliebenen Honorarerhöhung und der weiter anwachsenden Bürokratie in einem immer ungünstigeren Verhältnis zum Risiko stehen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Risiken per se aufgrund der immer heterogeneren Versorgung mit Arzneimitteln wachsen. Ganz zu schweigen von den besonderen Risiken des zuletzt stark gewachsenen Hochpreisergeschäfts.

Die vielen Risiken, denen Inhaber ausgesetzt sind, können durch den Betrieb einer Apotheke in einer Gesellschaftsform mit beschränkter Haftung zwar nicht ausgeschlossen, aber doch zumindest erheblich abgemildert werden.

Überdies hat die AvP-Insolvenz schonungslos gezeigt, dass für Apotheken überall Risiken lauern können. Unverschuldet sind hunderte von Inhabern mit ihren Betrieben in existenzielle Not geraten, weil sie in einem komplexen System gegen ihren Willen gezwungen wurden, sich für die Abrechnung eines Dritten zu bedienen, dessen Insolvenzrisiko sie tragen.

Unterstützung durch den Gesetzgeber? Fehlanzeige! In die gleiche Richtung gehen die Risiken, die täglich durch nur noch willkürlich erscheinende Retaxationen der Kostenträger entstehen. Längst haben diese die Apothekerschaft als schwächstes Glied der Kette ausgemacht, um sich eines Teils ihrer finanziellen Verpflichtungen zu entledigen.

Ganz neue steuerrechtliche Spielräume

Sodann wäre eine Änderung äußerst vorteilhaft im Zusammenhang mit der Möglichkeit, Apotheken zu übertragen. Gerade bei größeren Betrieben ist die Übertragung im Wege des Asset Deals mühselig und nicht mehr zeitgemäß.

Durch die schlichte Übertragung der Gesellschaftsanteile an den neuen Inhaber wären viele Probleme – etwa die Übertragung von Arbeits-, Miet- oder sonstigen Verträgen – im Handumdrehen gelöst. Auch die Beteiligung leitender Angestellter durch Anteile an der Gesellschaft wäre eine Möglichkeit, den Beruf des selbständigen Apothekers wieder attraktiver zu gestalten.

Schließlich könnte man durch das Gesellschaftsrecht steuerrechtliche Spielräume schaffen, um Investitionen besser zu planen. So wäre es nicht mehr erforderlich, dass Gewinne in einem Jahr vollständig mit dem hohen Steuersatz des Inhabers versteuert werden. Vielmehr könnten Erträge stehengelassen werden, um sie zukünftig für die Modernisierung der Apotheke, die Digitalisierung etc. zu nutzen.

Auch wenn dies nicht für alle Betriebe einen Vorteil darstellt, wäre es eine zusätzliche Gestaltungsmöglichkeit, um die Apotheken im Wettbewerb mit den ausländischen Versandapotheken zu stärken. Denn auch insoweit ist es schon länger nicht mehr nachvollziehbar, warum den deutschen Apotheken durch ein sklavisches Festhalten am Fremdbesitzverbot der Wettbewerb unnötig erschwert wird.

 

Ausschluss von Finanzinvestoren ist EU-rechtskonform

Anders als im Apothekenwesen wurde das Fremdbesitzverbot in der Anwaltschaft schon vor Jahren dahingehend gelockert, dass Anwälte sich in Form einer GmbH organisieren können. Gesellschafter einer solchen GmbH können nach § 59c BRAO nur Anwälte sowie Mitglieder anderer freier Berufe (Patentanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer) sein. Die Beschränkung auf freie Berufe wird mit dem Ziel der Absicherung der anwaltlichen Grundpflichten begründet.

Gegenstand des Verfahrens vor dem EuGH war ein Vorabentscheidungsgesuch des Bayerischen Anwaltsgerichtshofes. In diesem Verfahren hatte eine Rechtsanwaltsgesellschaft dagegen geklagt, dass ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerrufen worden war, nachdem eine österreichische GmbH Geschäftsanteile zu rein finanziellen Zwecken erworben hatte. Der Bayerische Anwaltsgerichtshof hatte jedoch Zweifel an der Europarechtskonformität der Regelung und rief deshalb den EuGH an. Und der entschied kurz vor Weihnachten (Urteil vom 19.12.2024, Az.: C-295/23), dass das Unionsrecht in Form des freien Kapitalverkehrs und der Niederlassungsfreiheit einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die es verbietet, Geschäftsanteile an einer Rechtsanwaltsgesellschaft auf einen Finanzinvestor zu übertragen.

Die Luxemburger Richter begründeten ihr Urteil damit, dass die Beschränkung der Grundfreiheiten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses grundsätzlich gerechtfertigt sein könne. Die Beschränkung des Gesellschafterkreises einer anwaltlichen Berufsausübungsgemeinschaft durch den deutschen Gesetzgeber hat der EuGH ausdrücklich als solche zwingenden Gründe anerkannt. Ein Mitgliedstaat könne nämlich legitimerweise davon ausgehen, dass ein Rechtsanwalt nicht in der Lage wäre, seinen Beruf unabhängig und unter Beachtung seiner Berufs- und Standespflichten auszuüben, wenn er einer Gesellschaft angehört, zu deren Gesellschafter Personen zählen, die ausschließlich als reine Finanzinvestoren handeln, ohne den Rechtsanwaltsberuf (oder einen anderen, vergleichbaren Regeln unterliegenden Beruf) auszuüben. Eine solche Beschränkung geht nach Auffassung des EuGH auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist.

Fazit: Die Chancen überwiegen die Risiken bei weitem

Nichts ist in Stein gemeißelt. Betrachtet man allein den Rückgang der Apothekenzahl und die Gründe, die junge Pharmazeuten davon abhalten, eine Apotheke zu übernehmen, dann zeigt das vor allem eines: Dass die Chancen, durch eine neue Gesellschaftsform den Rückgang der öffentlichen Apotheken aufzuhalten, die Risiken bei weitem überwiegen.

Das gilt umso mehr, weil das Risiko des gerne heraufbeschworenen „Dammbruchs“ vor dem Hintergrund des jüngsten EuGH-Urteils zum Fremdbesitzverbot bei Anwälten als gut beherrschbar erscheint.

Ein unvoreingenommener Blick auf die Vorteile einer Apothekengesellschaft nach dem Vorbild der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft verdeutlicht, dass es dringend an der Zeit ist, diese Debatte ernsthaft zu führen. Es dürfte auch keinen besseren Zeitpunkt dafür geben als

 

 

Dr. Morton Douglas, Rechtsanwalt und Partner Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB | Rechtsanwälte, 79098 Freiburg E-Mail: morton.douglas@fgvw.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2025; 50(10):14-14