Plattformhaftung bei illegaler Arzneimittelwerbung

Keine Angst vor großen Tieren: AKNR verklagt Google


Dr. Bettina Mecking

Nachdem die streitbare Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) für die Vor-Ort-Apotheken schon viele gerichtliche Auseinandersetzungen erfolgreich ausgefochten hat, zieht man jetzt gegen keinen Geringeren als Google zu Felde. Es geht um den Verdacht anhaltender Verstöße gegen den Digital Service Act der EU, weil der Konzern rechtswidrige Werbung für Rx-Arzneimittel auf seiner Plattform konsequent ignoriert. In den USA war Google wegen eines gleichgelagerten Verstoßes zu einer Strafzahlung von 500 Mio. $ verurteilt worden.

Wer hat Angst vor großen Tieren? Die AKNR jedenfalls nicht!
(AdobeStock_Alberto  Masnovo)

Unzulässige Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente und fragwürdige Telemedizinangebote – auf google.de ist all das mit wenigen Klicks zu finden. Und das, obwohl deutsches Recht solche Werbung klar untersagt. Die Plattform, betrieben vom US-Konzern Alphabet, verdient dabei mit gesundheitsgefährdender Werbung Geld – ein Zustand, der weder mit dem Verbraucherschutz noch mit geltendem Recht vereinbar ist. In den Mittelpunkt rückt damit die rechtlich anspruchsvolle Frage der Mitverantwortung sogenannter „Hosting-Provider“ wie Google für die Inhalte, die über ihre Plattformen verbreitet werden.

Dass Google in den USA zu einer Strafzahlung von 500 Mio. $ wegen Werbung für illegale Online-Apotheken aus Kanada verdonnert wurde, sorgte international für Aufsehen. In Europa blieb dieser Fall bislang ohne Konsequenzen – trotz gleichgelagerter Verstöße. Doch der Druck wächst, auch hier konsequent gegen Plattformen vorzugehen, die strukturell von Regelbrüchen profitieren.

 

Plattformen verstoßen systematisch gegen das Heilmittelwerbegesetz

Die Verstöße der Plattformen gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) sind vielfach gerichtlich bestätigt.

Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel – Verstoß gegen § 10 HWG

  • Verboten ist jede Werbung gegenüber Laien für Arzneimittel, die nur auf Rezept erhältlich sind.
  • Google ermöglicht durch Google Ads die gezielte Ansprache von Verbrauchern in Deutschland mit solchen Anzeigen.

 

Werbung für verbotene Fernbehandlungen – Verstoß gegen § 9 HWG

  • Werbung für medizinische Fernbehandlungen ohne primären individuellen Arztkontakt und die Erstellung von Rezepten nach bloßem Ausfüllen eines Fragebogens sind unzulässig.
  • Die Werbung auf google.de umfasst vielfach solche unseriösen Telemedizinangebote.

 

Verstoß gegen § 3a UWG i. V. m. §§ 9, 10 HWG

  • Zudem ergibt sich durch Verstoß gegen die Marktverhaltensregelungen des HWG eine unlautere Werbung im Sinne des UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb).

 

Die Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes dienen dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Qualitätssicherung ärztlicher und apothekerlicher Leistungen. Dennoch erscheinen auf google.de regelmäßig bezahlte Anzeigen, die exakt gegen diese Regelungen verstoßen – häufig von ausländischen Anbietern, etwa aus Großbritannien, die gezielt den deutschen Markt adressieren. Die Anzeigenschaltung erfolgt automatisiert über Googles Werbesystem und entzieht sich damit einer effektiven Vorabkontrolle – nicht aber der rechtlichen Verantwortung.

Mitverantwortung durch Duldung von Rechtsverstößen

Google tritt in diesen Fällen zwar nicht als primärer Anbieter der beworbenen Leistungen auf, stellt jedoch die Infrastruktur bereit, über die Verstöße begangen werden. Nach deutschem Wettbewerbsrecht (§§ 8, 3, 3a UWG i. V. m. HWG) gilt: Wer eine Plattform betreibt, auf der systematisch rechtswidrige Werbung verbreitet wird und dies duldet, handelt wettbewerbswidrig.

Erhält Google Kenntnis von solchen Verstößen – sei es durch Hinweise, Beschwerden oder Abmahnungen – trifft den Konzern eine Prüf- und Handlungspflicht. Wird diese durch Untätigkeit oder grob fahrlässige Unkenntnis verletzt, kann Google als „Störerhaftbar gemacht werden.

Auch wirtschaftlich ist der US-Techkonzern involviert: Er profitiert schließlich durch Werbeeinnahmen – auch dann, wenn diese aus rechtswidrigen Quellen stammen. Damit wächst die Mitverantwortung.

Digital Service Act verschärft Pflichten für Plattformen

Seit 2024 bringt der Digital Services Act (DSA) der EU neue Pflichten insbesondere für sogenannte „Very Large Online Platforms“ (VLOPs) mit sich.

Das sind Plattformen mit mehr als 45 Millionen monatlich aktiven Nutzern in der EU. Dazu zählen u. a. Google, Youtube, Amazon, Facebook, Instagram sowie TikTok.

Diese Dienste müssen systemische Risiken ihrer Geschäftsmodelle analysieren, dokumentieren und der EU-Kommission jährlich vorlegen. Dazu zählen u. a.

  • die Verbreitung gesundheitsbezogener Desinformation,
  • Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit (z. B. durch Arzneimittel-Fehlinformationen) sowie
  • diskriminierende oder manipulative algorithmische Systeme.

 

Ein zentrales Element des Digital Services Act ist die Verpflichtung zur raschen Entfernung rechtswidriger Inhalte und zur Prävention künftiger Verstöße – eine Vorschrift, die insbesondere auch für gesundheitsbezogene Werbung gilt.

Bereits 2011 musste Google in den USA eine Strafe in Höhe von 500 Mio. $ zahlen – wegen Werbung für illegale Online-Apotheken aus Kanada. Das hohe Strafmaß orientierte sich an den von Google erzielten Werbeeinnahmen mitsamt den Einnahmen durch die illegal verkauften Arzneimittel.

Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen ...

Dass Google durch automatisierte Anzeigenformate gezielt Einnahmen aus gesundheitsbezogener Werbung generiert – unabhängig von deren rechtlicher Zulässigkeit – offenbart ein strukturelles Machtgefälle im digitalen Raum:

  • Auf der einen Seite unterliegen Ärzte, Apotheker und kleinere Anbieter strengen gesetzlichen Vorgaben. Verstöße dagegen werden i. d. R. konsequent geahndet.
  • Auf der anderen Seite werden Rechtsverstöße der globalen Plattformkonzerne gegen dieselben gesetzlichen Vorgaben bislang so gut wie nicht durchgesetzt.

Das Fass ist voll: Klage gegen Google eingereicht

Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) hat dem Treiben des US-Konzerns eine Weile zugeschaut und dann einen Verstoß direkt bei Google gemeldet. Plattformen sind verpflichtet, ein niedrigschwelliges Melde- und Beschwerdesystem einzurichten.

Diese Beschwerde war selbstverständlich ausführlich begründet. Eine inhaltliche Reaktion erfolgte nach einer bloßen Eingangsbestätigung trotz Fristverlängerung nicht.

Eine Beschwerde bei der nationalen Aufsichtsbehörde für die Durchsetzung des Digital Services Act – in Deutschland ist das die Bundesnetzagentur (BNetzA) – wäre insoweit nicht zielführend gewesen, da sie nur für Plattformen im Inland und deren Verstöße zuständig ist.

Da die außergerichtliche Korrespondenz ergebnislos verlaufen ist, hat die AKNR konsequenterweise gegen die Verbreitung unzulässiger Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel sowie verbotene Telemedizinangebote auf „google.degeklagt. Die Werbung richtet sich eindeutig an deutsche Verbraucher und ist über Suchanfragen gezielt abrufbar.

Viele Plattform-Anbieter haben ihren Sitz ausnahmslos außerhalb der EU/des EWR. Gemäß § 13 Abs. 1 HWG ist Werbung eines Unternehmens mit Sitz außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes unzulässig, sofern keine im Geltungsbereich ansässige natürliche oder juristische Person die Verantwortung für die Einhaltung des HWG übernimmt. Keine der Plattformen erfüllt diese Voraussetzungen. Apothekerkammern sind klagebefugt, d. h. sie können gegen Verstöße gegen das HWG rechtlich vorgehen, insbesondere durch Unterlassungsklagen und – bei wiederholtem Verstoß – ggf. auch Schadensersatzforderungen.

Es handelt sich um eine deutschlandweite Verletzung im Internet; die Beklagte hat keinen Sitz in Deutschland, so dass hier der „fliegende Gerichtsstand“ gilt.

Die AKNR hat sich für Hamburg als Gerichtsstand entschieden, da dort die deutsche Rechtsabteilung von Google ihren Sitz hat. Die Zustellung der Klage in Irland ist bereits erfolgt.

Regulierung darf nicht vor der Unternehmensgröße kapitulieren. Die Politik ist gefordert, geltendes Recht auch gegenüber marktmächtigen Akteuren durchzusetzen – und den digitalen Verbraucherschutz strukturell zu stärken. Denn: Nur weil eine Plattform groß ist, steht sie nicht über dem Gesetz!

 

Noch ein weiterer, scharfer Pfeil im Köcher

Unabhängig davon, wie sich die Klage der AKNR entwickelt, steht noch ein weiterer, starker Hebel zur Verfügung: Die EU-Kommission ist für die Überwachung und Durchsetzung des Digital Services Act gegenüber den Plattformen zuständig. Wenn ein großer Anbieter wie Google dagegen verstößt, kann man sich direkt an die EU-Kommission wenden: https://digital-strategy.ec.europa.eu

Das wäre im Falle des Falles ein erfolgversprechender nächster Schritt, um Google in die Schranken zu weisen.

Dr. Bettina Mecking, M. M., Fachanwältin für Medizinrecht, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2025; 50(13):14-14