Erfolgreich führen

Das Drei-Säulen-Modell


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Zur Führung von Unternehmen existiert eine Vielzahl an Literatur und Seminaren. Meist wird eine ganz bestimmte, eher eindimensional ausgerichtete Linie verfolgt. Tatsächlich sind erfolgreiche, krisenbewährte Manager aber ein Stück weit „multiple Persönlichkeiten“.

„Multiple Persönlichkeit“ klingt auf den ersten Blick nach einem ernsten psychischen Problem. Bei pathologischer Ausprägung ohne rationale Erdung mag das so sein. Spielen Sie jedoch ganz bewusst mit den verschiedenen Facetten Ihrer Persönlichkeit, trägt Sie das auch durch schwieriges Fahrwasser.

Viele Führungskräfte, wie mannigfach zu sehen in Wirtschaft und Politik, sind heute indes klassische „Schönwetter-Kapitäne“. Gut abgesichert, fallen sie beim ersten Sturm meist weich in zahlreiche Sicherheitsnetze in Form von hoch dotierten „Ausweich- und Abschiebepositionen“, oder sie gehen gleich in die gut ausgepolsterte Pension.

Dieser Weg ist selbsthaftenden Unternehmern verstellt. Sie gehen schlimmstenfalls tatsächlich mit „Haus und Hof“ unter. Ein Grund mehr, sich ein Management-Verhaltensinventar zuzulegen, das krisenfest ist.

Zurzeit ist ganz überwiegend die „weiche Welle“ angesagt. Doch in Krisenzeiten reden wir dann von „Lean Management“, „Effizienz“ oder „Wie stelle ich dem Arbeitsmarkt elegant Low-Performer und Permanent-Störer zur Verfügung?“ Diese Zeiten werden wiederkommen – möglicherweise eher, als manch einer glaubt.

Die Kunst liegt nun darin, dass Sie Ihre Führung auf mehrere Säulen stellen und diese der jeweiligen Lage angepasst sorgsam austarieren. Die folgenden drei Säulen haben sich bewährt und gehören zum Repertoire vieler erfolgreicher Führungskräfte – wenn Sie sich einmal umschauen.

Säule 1: Klugheit und Neugier

Idealerweise besteht diese Säule nicht nur aus nüchterner analytischer Intelligenz, sondern vielmehr ist diese auch eingebettet in (Lebens-)Klugheit und eine experimentierfreudige, kreative Neugier. Ein wenig mag das an den bekannten Albert Einstein (bzw. sein kolportiertes öffentliches Bild) erinnern – ein kluger, revolutionärer Querdenker, getrieben von teils verspielter Neugier. Faktisch ist diese erste auch die wichtigste Säule, denn daraus erwachsen die Strategien, die anzustrebenden Betriebsziele sowie die so wichtigen kreativen Ideen zur Weiterentwicklung Ihrer Apotheke im Wettbewerb. Im Grunde sind genau das alles originäre unternehmerische Aufgaben. Bloße Verwaltung und operative Umsetzung können hingegen auch viele andere übernehmen – insbesondere Angestellte, die dafür ihren regelmäßigen Lohn erhalten. Diese erste Säule rechtfertigt deshalb am ehesten Ihr hoffentlich höheres Selbstständigen-Einkommen.

Säule 2: Güte und Sanftmut

Diese Säule könnte man neutraler mit „emotionaler Intelligenz“ charakterisieren, doch eine positiv-gütige Färbung macht sie erst wirklich wertvoll. Denn diese Säule bildet das Fundament für stabile und im wahrsten Wortsinne „segensreiche“ Kundenbeziehungen sowie ein gedeihliches Miteinander der Mitarbeiter.

Es ist eines der größten Erfolgsgeheimnisse, dem Gegenüber überzeugend zu vermitteln, dass man ernsthaftes Interesse an ihm (und nicht nur an seiner Geldbörse) hat, und dass man ihn einfach mag, wie er ist. Fast alles im täglichen Geschehen läuft dann ungleich geschmeidiger und reibungsärmer ab. Widerstände schmelzen, da ein Grundvertrauen herrscht.

Säule 3: Härte und Konsequenz

Bis hierher sind Sie – streng betrachtet – nur der berühmte „Schönwetter-Kapitän“. Doch es gibt andere Zeiten und Situationen, wo entschlossenes Handeln erforderlich ist. Hier sind Härte und Konsequenz gefragt, durchaus auch einmal in diktatorischer Form. Am Ende haften schließlich Sie allein – und nicht Ihre Angestellten oder Ihre etlichen Geschäftspartner.

Ohne Zweifel stellen harte Maßnahmen stets eine Gratwanderung im Hinblick auf die anderen Säulen, insbesondere die zweite (Güte und Sanftmut), dar. Es besteht die große Gefahr, Vertrauen zu verspielen, schlimmstenfalls das gesamte Team zu verängstigen, zu demotivieren und auseinanderzutreiben.

Einschneidende Veränderungen müssen daher unabweisbar erforderlich („alternativlos“) sein und ehrlich, gerecht sowie in angemessener Form umgesetzt werden. Hier kommen wieder die Klugheit und Grundgüte (z.B. Abwägung, wer wie betroffen ist) ins Spiel. Das alles sachlogisch wie sozial auszutarieren, darin zeigt sich die höchste Führungskunst!

Klugerweise versuchen Sie, bevor Sie harte Schnitte ansetzen, in die Rolle der Betroffenen zu schlüpfen und die Folgen vorauszudenken. Beachten Sie dabei die vielen Querverknüpfungen, Vernetzungen und Rückkopplungen. Ein Unternehmen gleicht einem Mikado-Spiel: Das falsche Stäbchen herausgezogen, bringt den ganzen Haufen ins Rutschen.

Härte an den richtigen Stellen, klug und psychologisch ausgefeilt kommuniziert, kann jedoch auch einen Beitrag zur Teambildung und zur Festigung Ihrer Führungsrolle leisten.

Die meisten Mitarbeiter sind nämlich tatsächlich stolz auf eine starke Führungskraft – und eben nicht auf einen „Waschlappen“, der alles an sich vorbeiziehen lässt, Konflikten stets aus dem Weg geht und nicht in der Lage ist, klare Ansagen zu machen. Sie können sich an dieser Stelle durchaus und wohldosiert die Erkenntnis zunutze machen: „Bestrafe einen, erziehe viele!“ Dies jedoch immer mit Vernunft und Augenmaß!

Gratwanderungen

Wie schon gesagt: Das alles sind Gratwanderungen. Stößt eine Maßnahme bei der großen Mehrheit nicht auf Zustimmung bzw. ist ihr auch nicht verständlich zu machen (warum eigentlich nicht, wenn es gute Argumente gibt?) oder wird gar als ungerecht, unangemessen oder völlig falsch empfunden, dann haben Sie ein Problem! Tatsächlich existieren leider Situationen (z.B. stringente Sanierungen, Betriebsaufgaben), in denen es „Leichen“ gibt, „Blut fließt“ und gegen die Mehrheit entschieden werden muss. Hoffentlich trägt hier die erste Säule (Klugheit, Neugier und in der Folge Strategie), denn man wird es Ihnen kaum verzeihen, wenn Sie Opfer fordern für schlicht falsche bzw. utopische Vorstellungen, Illusionen oder gar Ideologien.

Sie „jonglieren“ also mit diesen drei Säulen. Abbildung 1 illustriert beispielhaft, wie die Bedeutung bzw. Intensität der Anwendung dieser Säulen je nach Situation variiert. In „Schönwetter-Zeiten“ werden Sie andere Führungsschwerpunkte setzen als in einer handfesten Krise. Doch verlieren Sie nicht die so wichtige Grundvoraussetzung aus den Augen: Sie müssen Ihre Ziele und Ihren Kurs kennen! Wer selbst nicht weiß, wo er morgen stehen will, wird auch seine Mannschaft nicht erfolgs- und zielorientiert führen können.

Auch „laufen lassen“ will gelernt sein!

Falls es Ihnen mal an Zielen und Vorstellungen mangelt und Sie das nicht adhoc beheben können: Lassen Sie den Betrieb klug laufen, delegieren Sie, aber ergehen Sie sich nicht in zwanghafter (Pseudo-)Führung. Nennen wir das den „reibungsarmen Segel-Modus im Wind“. Das ist allemal besser, als falsche bzw. unrealistische Ziele nur um des Führungsanspruchs willen vorzugeben. Man fährt lieber vorübergehend im Kreis als mit voller Kraft und hochmotiviert in den Abgrund! Sich dermaßen bewusst und geplant aus dem Betrieb herauszuhalten, ohne die Übersicht zu verlieren, will gelernt und geübt sein. Viele Chefs halten sich ja überall für unentbehrlich.

Doch irgendwann dreht sich der Wind, und spätestens dann wird es Zeit, das Ruder wieder fest in die Hand zu nehmen – hoffentlich dann mit einer klaren Kursvorstellung!

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(12):6-6