Wirtschaftliche Situation der Filialapotheken

Wachstum wird gebremst


Guido Michels

Die Anzahl der Filialapotheken in Deutschland stieg 2017 weiter an. Aber die Dynamik nimmt ab: Das Wachstum ging zurück, und wirtschaftlich schnitten die Filialen nicht besser ab als im Vorjahr. Wie Sie Filialen trotzdem zum Erfolg führen können, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

Auf den ersten Blick scheint die Entwicklung der Filialapotheken – wie in den letzten Jahren auch – rosig zu sein: Auch im Jahr 2017 stieg die Anzahl der Filialen um 96 an, während die Gesamtanzahl der Apotheken sank. Der Anteil der Filialen am Gesamtmarkt erhöhte sich bis Ende 2017 auf 22,8%. Hauptapotheken und Filialen zusammen kommen heute auf einen Marktanteil von fast 40%.

Betrachtet man die Entwicklung der Filialen detailliert, ergibt sich ein etwas anderes Bild. Abbildung 1 zeigt, um wie viel Prozent die Anzahl der Filialen seit 2011 jeweils pro Jahr gestiegen ist. Man sieht deutlich, dass Filialgründungen und -übernahmen abnehmen. Der Trend zeigt klar nach unten.

Auch eine weitere Beobachtung überrascht: Nach jahrelangem Wachstum sank 2017 erstmals auch die Anzahl der Apotheken mit einer Filiale. Nur die Anzahl der großen Verbünde – also von Hauptapotheken mit zwei oder drei Filialen – nahm zu.

Filialen legen seit Jahren wirtschaftlich zu

Im Folgenden wollen wir die Kennzahlen einer durchschnittlichen Filiale denjenigen einer gleich großen Einzelapotheke (weder Haupt- noch Filialapotheke) gegenüberstellen. Basis dafür bilden Daten der Treuhand Hannover (Tabelle 1).

Der durchschnittliche Umsatz einer Filiale wuchs 2017 um 3,5% – und damit etwas stärker als derjenige einer Einzelapotheke mit 3,2%. Auch der Rohgewinn der Filialen lag mit 24,3% leicht höher (Einzelapotheke: 24,0%). Die Personalkosten stiegen in beiden Apothekentypen wegen der Tariferhöhung auf 12,3% bzw. 10,2% bezogen auf den Umsatz an. Die Differenz zwischen den Filial- und den Einzelapotheken von rund zwei Prozentpunkten entspricht in etwa 45.000 € und lässt sich auf den angestellten Filialleiter zurückführen; außerdem ist in den Personalkosten der Einzelapotheke kein kalkulatorischer Unternehmerlohn enthalten. Bei den sonstigen Kosten gibt es kaum Unterschiede zwischen Filial- und Einzelapotheken – auch weil sich hierunter viele für den Betrieb einer Apotheke notwendige und/oder kaum veränderbare Positionen befinden. Das Betriebsergebnis der Filialen lag mit rund 104.000 € (4,9% vom Umsatz) prozentual unter, absolut auf dem Niveau des Vorjahres. Die Umsatzzuwächse wurden komplett durch Wareneinsatz- und Kostensteigerungen aufgezehrt.

Dem Inhaber kommen die Gewinne der Filiale zusätzlich zu dem in der Hauptapotheke erwirtschafteten Ergebnis zu. Von diesem Gewinnbetrag müssen zwar auch Einkommensteuern bezahlt werden. Allerdings erhöhen sich die Ausgaben z.B. für das Versorgungswerk oder die Krankenversicherung nicht weiter. Somit ist der zusätzliche Verfügungsbetrag, den die Filiale für den Inhaber erwirtschaftet, grundsätzlich positiv zu bewerten.

Filialen am Scheideweg?

Die wirtschaftliche Stagnation und vor allem das abnehmende Wachstum der Filialen legen den Verdacht nahe, dass die Möglichkeit zur Filialisierung inzwischen an Grenzen stößt. Tatsächlich sprechen einige Indizien dafür, dass Filialgründungen auch in Zukunft eher seltener werden:

Zum einen werden an Filialen inzwischen viel höhere Renditeerwartungen gestellt als in der Vergangenheit. Aber …

  • ... immer weniger Betriebe, die für einen Filialkauf oder eine Filialgründung in Betracht gezogen werden, erfüllen diese Erwartungen.
  • ... die durchschnittlichen Gewinne von Filialapotheken stagnierten 2017.
  • ... etwa 20% aller Filialen – also rund 900 deutschlandweit – sind ertragsschwach. Das heißt: Sie erwirtschaften weniger als 25.000 € Betriebsergebnis pro Jahr. Mehr als die Hälfte dieser 900 Betriebe schreiben sogar Verluste.

Zum zweiten erschwert die zunehmende Knappheit an pharmazeutischem Personal auch die Filialgründung und den Filialbetrieb – zum einen, weil es immer schwieriger wird, einen Filialleiter zu finden, und zum anderen, weil ein Inhaber im Filialverbund Personalengpässe nicht mehr mit seinem eigenem Einsatz ausgleichen kann.

Allerdings ist die Filialisierung noch immer eines der wenigen Mittel zur Expansion: Ein erfolgreicher Filialverbund setzt sich hinsichtlich der wirtschaftlichen Basis, der Marktmacht und der Wettbewerbsstellung stark von den Einzelapotheken ab.

Wie Sie ein professionelles Filialmanagement aufbauen

Zwei Wege helfen, den oben genannten Herausforderungen zu begegnen. Erstens sollte man mögliche Filialisierungsstandorte intensiv unter die Lupe nehmen: Die Lage und das Einzugsgebiet, die Anzahl der Wettbewerber, der Zustand der Einrichtung, die Frequenzbringer wie auch die Verkehrsanbindung gehören geprüft! Außerdem sollten Sie die Anzahl und das Alter der Ärzte, deren Fachrichtungen und Verschreibungsgewohnheiten sowie die Entfernung der Praxen zum Standort berücksichtigen – nicht nur im Hinblick auf die heutige, sondern vor allem auf die zukünftige Situation. Eine Rentabilitätsberechnung zeigt, ob sich der Betrieb auch unter veränderten Voraussetzungen lohnt. Bei den Kosten müssen vor allem Investitionen, Zinsen und Personalkosten unter Einbezug der Filialleitervergütung realistisch geplant werden.

Zweites muss der Inhaber des Filialverbundes seine Managementqualitäten ausbauen. Pharmazeutisches Wissen und der Kundenkontakt treten in den Hintergrund, stattdessen gilt es, mehr zu organisieren und zu führen. Erlernen lässt sich das mit der Unterstützung von professionellen Beratern oder Coaches. Zu den Managementqualitäten gehört es auch, Synergieeffekte durch geschickte Planung (z.B. von Personaleinsatz und Marketing) sowie Verhandlung (z.B. von Einkaufskonditionen) zu nutzen. Damit Sie sich nicht überfordern, sollten Sie allerdings auch Verantwortung und Aufgaben delegieren: Sinnvoll ist es, große Verbünde in Verantwortungsbereiche zu strukturieren, Fachteams zu bilden und Teamleiter zu ernennen.

Um jederzeit über die wirtschaftliche Situation der einzelnen Apotheken informiert zu sein, müssen vom Steuerberater getrennte Betriebsvergleiche für jede Apotheke erstellt werden, die die Umsätze und Ausgaben korrekt dem Einzelbetrieb zuordnen. Gleichzeitig sollten Sie Verfahren – wie das Qualitätsmanagement, die Kassenführung oder das interne Kontrollsystem (IKS) – standardisieren, damit die Abläufe in jedem Betrieb identisch sind.

Guido Michels, Diplom-Ökonom, Treuhand Hannover GmbH, 30519 Hannover, E-Mail: guido.michels@treuhand-hannover.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(12):4-4