Die „erforderliche Zuverlässigkeit“ besitzen

Was heißt das eigentlich?


Dr. Bettina Mecking

In der Apothekenpraxis ist die persönliche Zuverlässigkeit von besonderer Bedeutung: Sie muss bei der Erteilung der Betriebserlaubnis vorliegen und darf später nicht abhanden kommen. Im Folgenden erfahren Sie, was sich hinter dem Begriff „Zuverlässigkeit“ verbirgt.

Wer eine Apotheke betreibt, muss gemäß §2 Abs. 1 Ziffer 4 Apothekengesetz (ApoG) die dafür „erforderliche Zuverlässigkeit“ besitzen. Doch was genau bedeutet das? Definiert ist im ApoG nur, dass die Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben ist, wenn „Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Antragstellers in bezug auf das Betreiben einer Apotheke dartun, insbesondere wenn strafrechtliche oder schwere sittliche Verfehlungen vorliegen, die ihn für die Leitung einer Apotheke ungeeignet erscheinen lassen, oder wenn er sich durch gröbliche oder beharrliche Zuwiderhandlung gegen dieses Gesetz, die auf Grund dieses Gesetzes erlassene Apothekenbetriebsordnung oder die für die Herstellung von Arzneimitteln und den Verkehr mit diesen erlassenen Rechtsvorschriften als unzuverlässig erwiesen hat.“

Zuverlässigkeitsprüfungen sind im Gewerberecht geläufig. Der Gewerbetreibende ist unzuverlässig, wenn man sich nach dem Gesamtbild seines Verhaltens nicht darauf verlassen kann, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird. Für die Prüfung kommt es auf eine Bewertung von Fakten im konkreten Einzelfall an.

Wenn ein Apotheker den Antrag auf eine Betriebserlaubnis stellt, wird die zuständige Apothekerkammer regelmäßig um die Abgabe einer Stellungnahme zur Zuverlässigkeit gebeten: Man möchte erfahren, ob der Antragsteller in der nahen Vergangenheit berufsrechtlich in Erscheinung getreten ist. Die Zuverlässigkeit ist ferner durch ein polizeiliches Führungszeugnis zu belegen, das beim Antrag nicht älter als sechs Monate sein darf.

Wann wird Unzuverlässigkeit grundsätzlich angenommen?

Eine einmalige Bestrafung begründet nur dann eine Unzuverlässigkeit, wenn sie besonders schwerwiegend ist. Zu beachten ist dabei, dass eine Unzuverlässigkeit in den allgemeinen Lebensbereichen, wie z.B. Trunkenheit am Steuer o.Ä., grundsätzlich nicht genügt, um die Betriebserlaubnis zu versagen oder abzuerkennen. Kritisch wird es aber, wenn sich bei einem Apothekenleiter eine ganze Reihe solcher unspezifischer und strafrechtlich relevanter „Unregelmäßigkeiten“ anhäufen. Dies kann dann zur Annahme führen, dass der Betroffene einen Hang zur Nichtbeachtung von Rechtsvorschriften hat.

Frühere Verfehlungen lassen sich durch ein späteres, lang anhaltendes „Wohlverhalten“ ausgleichen. Ist eine entsprechende Eintragung über eine Verurteilung im Bundeszentralregister getilgt worden, darf sie nicht mehr verwertet werden.

Beispiele für Unzuverlässigkeit

Wenn ein Apotheker in beträchtlichem Umfang an illegalem Anabolikahandel beteiligt war und deswegen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, zeigt seine Vorgehensweise ein den Kernbereich apothekenrechtlicher Verpflichtungen betreffendes Maß an Verantwortungslosigkeit. Letzteres ist dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin zufolge geeignet, das Vertrauen in die Zuverlässigkeit grundlegend zu erschüttern (Urteil vom 19.05.2010, Aktenzeichen: VG 14 K 45.09). Im Streitfall habe sich der Apotheker bei der Überlassung verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne Rezept nicht ansatzweise die Fragen gestellt, in welcher gesundheitlichen Verfassung sich die Endabnehmer befunden und welchen Risiken sie sich ausgesetzt hätten. Ein solches Verhalten zeige eine tiefgreifende „Entfremdung“ von den Kernpflichten eines Apothekers und eine Ignoranz gegenüber den gesundheitlichen Gefahren, denen über die Rezeptpflicht Rechnung getragen werden solle.

Verübt ein Apothekenleiter Straftaten, die zu Vermögensschäden bei einer Krankenversicherung führen, gibt dies ebenfalls Anlass, an der persönlichen Zuverlässigkeit zu zweifeln. Das hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (OVG) entschieden (Urteil vom 11.01.2000, Aktenzeichen: 5 Bs 282199). Im Streitfall hatte ein Apotheker in mehr als zehn Fällen einem Patienten die Aushändigung eines auf Privatrezept verordneten Arzneimittels quittiert, obwohl dieses von ihm nicht geliefert worden war. In der Folge hatte der Patient gegenüber seiner Krankenkasse unberechtigt Erstattungen geltend machen können.

In einem weiteren Fall war einer Krankenversicherung ein Schaden in Höhe von 22.780 € entstanden: Eine Apothekerin hatte für sich selbst und ihre Familienmitglieder ausgestellte Rezepte hinsichtlich der verordneten Menge und der Dosierung manipuliert. Wegen dieses Betrugs wurde sie nicht nur als „unzuverlässig“ eingestuft, sondern sogar als „unwürdig“, ihren Beruf auszuüben (OVG Lüneburg, Beschluss vom 02.05.2012, Aktenzeichen: 8 LA 78/11).

Wenn Apotheker Substanzen aus der Apotheke zur „persönlichen Konfliktlösung“ anwenden, kann ihnen ebenfalls die Betriebserlaubnis entzogen werden. Im Streitfall hatte ein vorbestrafter Apotheker in einer Gaststätte zwei Gäste mit Phosphorsäurelösung aus seinem Labor verletzt. Der Urteilsbegründung des VG Köln zufolge erwartet die Öffentlichkeit, dass ein Apotheker seine Zugriffsmöglichkeiten auf gefährliche Substanzen ausschließlich zum Nutzen der Patienten einsetze – und sie nicht für strafrechtliche Zwecke missbrauche (Urteile vom 29.10.2013, Aktenzeichen: 7 K 7077/11 und 7 K 3907/12). Eine solche erhebliche Verfehlung führe zu einem schweren Ansehens- und Vertrauensverlust. Der Apotheker sei unzuverlässig in Bezug auf das Betreiben der Apotheke.

Wie sieht es bei Steuerschulden und Co. aus?

Um die Zuverlässigkeit zu beurteilen, wird durchaus auch mal ein Blick darauf geworfen, wie bzw. ob die finanziellen Verhältnisse „geregelt“ sind: So riskieren Apotheker mit hohen betriebsbezogenen Steuerschulden den Widerruf ihrer Betriebserlaubnis. Ähnlich verhält es sich, wenn Sozialversicherungsabgaben über einen längeren Zeitraum und in nicht unerheblicher Höhe nicht entrichtet werden.

Wer sich längere Zeit beharrlich nicht ernstlich um seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bemüht, gilt dem OVG Lüneburg zufolge im Interesse eines redlichen Wirtschaftsverkehrs als unzuverlässig (Urteil vom 13.08.1999, Aktenzeichen: 8 L 1078/99). So hat das Gericht die Betriebserlaubnis eines Apothekeninhabers widerrufen, nachdem dieser gegenüber dem Finanzamt Steuerschulden in Höhe von rund 950.000 DM angehäuft hatte, die später auf mehr als 1,6 Mio. DM angestiegen waren. Zahlungsrückstände gegenüber öffentlichen Stellen sprächen für eine Unzuverlässigkeit, wenn sie sowohl in ihrer Höhe als auch im Verhältnis zur finanziellen Gesamtbelastung des Apothekenleiters unter Berücksichtigung der Betriebsgröße von Gewicht sind und sich über einen längeren Zeitraum erstrecken.

Die Ursachen dagegen, die zur Überschuldung des Gewerbetreibenden geführt haben, sind dem OVG zufolge belanglos. Der Gewerbetreibende habe die Chance, trotz der Schulden seine Zahlungswilligkeit zu beweisen, wenn er nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeite. Ein Apotheker, der seine Apotheke in der Insolvenz in Eigenverwaltung führt, ist daher auch nicht durch den Eintritt der Zahlungsschwierigkeiten unzuverlässig.

Das VG München hat eine Unzuverlässigkeit übrigens schon angenommen, weil die steuerlichen Verbindlichkeiten eines Betroffenen auf nur annähernd 73.000 € angestiegen waren (Urteil vom 18.05.2010, Aktenzeichen: M 16 K 10.1539).

Auch beim jahrelangen Einsatz von Manipulationssoftware im Kassensystem einer Apotheke kommt eine hohe kriminelle Energie zum Ausdruck, die an der Zuverlässigkeit des Apothekenleiters zweifeln lässt. Dies gilt umso mehr, wenn die Kassenbestände täglich manuell geändert und mehrmals bewusst inhaltlich falsche Steuererklärungen abgegeben wurden (VG Ansbach, Urteil vom 26.11.2013, Aktenzeichen: AN 4 K 13.01021).

Was Sie tun sollten

Die aufgelisteten Fallgestaltungen sind nicht abschließend. Die klare Empfehlung lautet daher: Machen Sie sich nicht ohne Not angreifbar. Und wenn Sie in eine kritische Situation geraten sein sollten, holen Sie frühzeitig qualifizierten Rechtsrat ein, um Schlimmeres zu verhindern.

Dr. Bettina Mecking, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, Fachanwältin für Medizinrecht, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(14):12-12