Wertlose Aktien

Wenigstens noch Steuern sparen


Helmut Lehr

Gewinne aus der Veräußerung von Aktien, die zum Privatvermögen des Anlegers gehören, unterliegen der Abgeltungsteuer. Demnach müssten auch Verluste abzugsfähig sein. Die Finanzverwaltung sieht dies bei wertlosen Papieren bislang anders – zu Unrecht!

Seit Einführung der Abgeltungsteuer zum Jahresbeginn 2009 werden grundsätzlich alle Wertschwankungen von privat gehaltenen Aktien steuerlich erfasst. Für Aktienverluste allerdings sieht das Einkommensteuergesetz nur eine beschränkte Verrechnungsmöglichkeit vor: Sie dürfen nur mit Gewinnen aus Aktienverkäufen saldiert werden.

Das Bundesfinanzministerium geht sogar noch einen Schritt weiter: Ihm zufolge liegt gar keine Veräußerung vor, wenn der Veräußerungspreis die Transaktionskosten nicht übersteigt (vgl. Schreiben vom 18.01.2016, Aktenzeichen: IV C 1 – S 2252/08/10004 :017). Das würde bedeuten, dass Kapitalanleger auf ihren Aktienverlusten sitzen bleiben, wenn die Papiere nahezu wertlos geworden sind (vgl. AWA 2/2017).

Beispiel

Apothekerin Baltes hatte 2014 1.000 Aktien der Y-AG zu je 8 € erworben. In der Folgezeit verloren diese erheblich an Wert, schließlich kam es zur Insolvenz der AG. Baltes veräußerte die Papiere 2017 zu einem symbolischen Preis von 10 € (0,01 €/Stück) an einen fremden Käufer, von dem sie im Gegenzug ebenfalls wertlos gewordene Aktien erwarb.

Den Aktienverlust (7.990 €) möchte Baltes mit ihren Gewinnen aus Aktiengeschäften des Jahres 2017 verrechnen. Das Finanzamt spielt dabei nicht mit. Es verweist zum einen auf das oben genannte Schreiben des Bundesfinanzministeriums, zum anderen darauf, dass die gewählte Gestaltung (gegenseitiger Verkauf von wertlosen Aktien) aus steuerrechtlicher Sicht missbräuchlich sei, weil sie nur der gezielten Nutzung eines steuerlichen Verlustes diene.

Klage erfolgreich

Das Finanzgericht München hat nun in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass die Veräußerungsverluste anzuerkennen sind – eine Verrechnung mit Aktiengewinnen ist möglich (Urteil vom 17.07.2017, Aktenzeichen: 7 K 1888/16). Nach Meinung der Richter steht die Verwaltungsauffassung zur Veräußerung wertloser Aktien nicht in Einklang mit dem Gesetzeswortlaut. Ein Gestaltungsmissbrauch sei ebenfalls nicht zu erkennen, weil allein das Motiv, Steuern zu sparen, eine „Gestaltung“ noch nicht unangemessen macht.

Hinweis: Ein vergleichbares Urteil hatte bereits das Finanzgericht Niedersachsen am 26.10.2016 gefällt (Aktenzeichen: 2 K 12095/15).

Bundesfinanzhof muss abschließend entscheiden

In beiden Fällen hat die Finanzverwaltung Revision eingelegt. Das oberste Steuergericht muss demnach alsbald abschließend entscheiden,

  • ob der Verkauf wertloser Aktien aus steuerrechtlicher Sicht überhaupt als Verkaufsvorgang einzustufen ist und
  • ob eventuell ein Gestaltungsmissbrauch vorliegt – mit der Folge, dass der erzielte Verlust außen vor bleibt.

Als Kapitalanleger sollten Sie natürlich entsprechende Verluste steuerlich geltend machen und ablehnende Bescheide ausdrücklich offenhalten.

Hinweis: Zum Ausfall einer privaten Darlehensforderung hat der Bundesfinanzhof bereits entschieden – zugunsten des Klägers (vgl. AWA 6/2018). Da es sich um eine vergleichbare Problematik handelt, sind die Chancen für betroffene Kapitalanleger recht gut.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(14):18-18