Wo die Apotheken aktuell im Einzelhandel stehen

Spannen und Gewinnsätze im Vergleich


Prof. Dr. Reinhard Herzog

40%, 50% oder gar 70%: Wer solche Spannen sieht, fragt sich angesichts der weiter steigenden Anforderungen und Risiken, warum er bei 20%, 25% oder auch mal 30% überhaupt noch in seiner Apotheke steht. Schauen wir genauer hin, Prozentsätze sind nicht alles …

Neben diversen Branchenanalysen stellt die jährlich aktualisierte Richtsatzsammlung des Bundesfinanzministeriums eine valide Quelle darüber dar, wie es um die Ertrags- und Gewinnsituation im deutschen Handel und Handwerk bestellt ist. Grundlage sind dabei die aus zahlreichen Betriebsprüfungen ermittelten Ergebnisse bei Einzelunternehmen. Die Richtsätze gelten jedoch nicht für Großbetriebe, wie z.B. Lebensmittel- und Drogeriemarktketten; diese erwirtschaften typischerweise Margen, die sogar eher am unteren Rand der angegebenen Wertebereiche liegen – fehlende Prozente macht dann der schiere Umsatz wett.

Die schlechte Nachricht vorweg: Für die Apotheken haben sich die Richtsätze wiederum nicht geändert, trotz des weiter fortschreitenden Spannenschwunds vor allem infolge des anhaltenden Booms an margenschwachen Hoch- und Höchstpreis-Präparaten. Die Finanzverwaltung geht nach wie vor von einem Rohgewinnbereich in Höhe von 22% bis 29% vom Nettoumsatz aus ("Rahmensätze"), mit einem "Mittelsatz" in Höhe von 26%. Dieser Mittelsatz wird jedoch zumindest im Durchschnitt sogar in den alten Bundesländern nicht mehr erreicht, in den neuen Bundesländern aufgrund der dortigen Rezeptlastigkeit gar deutlich verfehlt.

Für den Vor-Steuer-Gewinn („"Reingewinn") werden 5% bis 12% vom Nettoumsatz veranschlagt, im Mittel 8%. Dies sind ebenfalls zumindest im Schnitt eher großzügige Annahmen. Unter "Reingewinn" werden Vorsteuer-Gewinne verstanden, die im Wesentlichen daraus resultieren, dass man vom Rohgewinn alle steuerlich geltend zu machenden Betriebskosten einschließlich der Abschreibungen abzieht; die Feinheiten der Ermittlung werden in der Original-Richtsatzsammlung erläutert. Ragen die Werte aus den angegebenen Bereichen heraus, erregt das die Aufmerksamkeit der Finanzverwaltung.

Beim Blick auf die Grafiken zu den erzielten Spannen (Abbildung 1) und Reingewinnen vor Steuern (Abbildung 2) mag manch einer neidisch werden. Doch Prozente sind das eine, absolute Beträge das andere.

Branchen-Seitenblicke

Die meisten der aufgeführten Vergleichsbetriebe, insbesondere kleinere und inhabergeführte, erwirtschaften weitaus geringere Umsätze als Apotheken. Je nach Zählweise rangiert die Apothekenbranche insgesamt immerhin stets unter den Top 5 in der Einzelhandelslandschaft.

Millionenumsätze hingegen generieren nur die wenigsten Handwerker, Bäckereien oder Blumenläden. Solche Umsätze bleiben typischerweise den bekannten Ketten vorbehalten, wie Aldi Nord (gut 5 Mio. € je Filiale), Aldi Süd (rund 8 Mio. € je Filiale), dm (etwas über 3,5 Mio. € je Laden) und Rossmann (stets etwas unter dm).

Die Modeschmuckkette Bijou Brigitte erwirtschaftet jedoch gerade einmal 310.000 € Nettoumsatz je Filiale, die Optikerkette Fielmann schon rund 1,9 Mio. €. Der selbstständige Durchschnitts-Optikermeister kommt hingegen nur auf 300.000 € bis 400.000 € Umsatz.

Vor diesem Hintergrund sind die Gewinne zu sehen. Discounter wie Aldi oder Lidl erreichen in guten Jahren durchaus Gewinne im Bereich von 3% bis 5%. Dm spricht von 1% bis 2%, gibt aber traditionell keine konkreten Gewinnzahlen heraus. Fielmann als börsennotierte Aktiengesellschaft (AG) erwirtschaftet konzernweit ein EBITDA (Earnings Before Interests, Taxes, Depreciation and Amortization) von 21% sowie ein Nach-Steuer-Ergebnis in Höhe von 12,5% vom Nettoumsatz – und gehört damit zu den Renditekönigen. Selbst bei Modeschmuck bleibt prozentual einiges hängen: Eine EBITDA-Marge von 14% bei Bijou Brigitte erweist sich als immer noch ganz beachtlich, wenn auch seit Jahren rückläufig. Ein Nach-Steuer-Ergebnis von 6,6% ist schon nicht mehr ganz so berauschend.

Doch bereits die Modeschmuckkette zeigt die Problematik: 14% EBITDA von 310.000 € Umsatz sind 43.400 € vor Kapitaldienst und Steuern, 6,6% Nach-Steuer-Gewinn bedeuten gerade einmal gut 20.000 €. Davon könnte niemand so richtig leben! Eine dm-Filiale wirft immerhin um die 50.000 € Gewinn und ein niedrig sechsstelliges EBITDA ab, eine Aldi-Filiale schafft es bei beiden Kennzahlen in den deutlich sechsstelligen Bereich. Mit einer Fielmann-Filiale schließlich ginge es einem richtig gut (400.000 € EBITDA, über 200.000 € Nach-Steuer-Ergebnis).

Zu berücksichtigen ist bei den Vergleichen, dass es sich um unterschiedliche Unternehmensformen mit unterschiedlicher Besteuerung und teils auch Gewinnermittlung handelt (AG, Gesellschaft mit beschränkter Haftung [GmbH], Einzelunternehmer). Insoweit stellt das EBITDA noch die am besten vergleichbare Kennziffer dar.

Bonertrag – die Erfolgsgröße

Weiterhin sollte man berücksichtigen, dass z.B. zwischen den nur etwa 11 € bis 12 € Netto-Bonumsatz je Kunde in dm-Drogeriemärkten und den mittlerweile mehr oder weniger deutlich über 40 € in Apotheken Welten liegen. Selbst wenn man einen hohen Rohertrag von rund 30% bis 35% bei dm annimmt (wirklich Genaues weiß man nicht), läge der Ertrag je Kunde nur bei gut einem Drittel dessen, was in klassischen Apotheke mit inzwischen über 10 € Bonertrag erwirtschaftet wird. Anders als oft vermutet fallen bei dm, aber auch bei "Vollsortimenter-Lebensmittlern" wie EDEKA-Centern, Kaufland oder real ebenfalls Personalkosten von reichlichen 10% des Umsatzes an, nur Aldi, Lidl und Co. kommen hier erheblich günstiger weg.

Fazit: Unter dem Strich schneiden die Apotheken im Vergleich immer noch ganz passabel ab. Die hohen Bonerträge sind der Schlüssel zum Erfolg!

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(21):4-4