Arzneiverordnungsreport 2018 (Teil 1)

Wer verordnet was in der GKV?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Jährlich im Herbst erscheint der Arzneiverordnungs-Report auf Grundlage aller zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgerechneten Verordnungen. In mehreren Teilen beleuchten wir wichtige Aspekte. Zunächst: Wie viel verordnen die einzelnen Arztgruppen?

Rund 44,8 Mrd. € (+3,1%) Bruttoumsatz, 407 Mio. € davon aus dem Versandhandel, wurden 2017 quasi "unbereinigt" auf die im "Arzneiverordnungs-Report 2018" ausgewerteten 485 Mio. GKV-Rezeptblätter aufgetragen. Das umfasst sämtliche Arzneimittel, Hilfsmittel und Rezepturen aus Apotheken vor allen Rabatten bzw. Eigenanteilen einschließlich der Mehrwertsteuer. Der reale Kostenaufwand für die GKV und der in der Apotheke effektiv ankommende Nettoumsatz weichen jedoch erheblich davon ab. Segmental aufgegliedert wurden – auf Basis dieser Bruttowerte – verordnet (Abbildung 1):

  • Fertigarzneimittel für 37,2 Mrd. € (+3,1%) auf 659 Mio. (–0,7%) Verordnungen.
  • Spezialrezeptur- bzw. ausgeeinzelte Arzneimittel für 4,22 Mrd. € (+8,5%) auf 4,5 Mio. Einzelverordnungen; darunter finden sich mit 3,94 Mrd. € (+8,3%) überwiegend die Parenteralia bzw. Zytostatika-Zubereitungen.
  • Diverse "Spezialitäten", Nicht-Arzneimittel und Hilfsmittel für 1,87 Mrd. € auf 66,5 Mio. Verordnungen, hierin enthalten 214 Mio. € (+30%!) für klassische Rezepturen, obwohl deren Anzahl mit 6,9 Mio. um gut 5% abgenommen hat; hier schlagen die Rezepturhonorar-Erhöhungen durch.
  • Praxisbedarf im Umfang von 1,54 Mrd. € (+9,8%).

Beeindruckend ist der Umfang der zahlreichen Rabatte und Zuzahlungen auf Krankenkassenebene brutto (nach den endgültigen Rechnungsergebnissen):

  • 2.378 Mio. € Zuzahlungen,
  • 1.175 Mio. € Apothekenrabatte,
  • 1.667 Mio. € gesetzliche Herstellerrabatte und
  • 4.033 Mio. € Rabatte aus individuellen Verträgen.

Das summiert sich inzwischen auf 9,25 Mrd. € oder über 20% der Apotheken-Listenpreise.

Auf Apothekenebene zählen nur die um die entsprechenden Rabatte und die Mehrwertsteuer bereinigten Nettoumsätze. Insgesamt lässt sich dieser Gesamt-Nettoumsatz aller Apotheken mit der GKV einschließlich des (mit etwa 350 Mio. € netto noch vernachlässigbaren) Versandes auf rund 36,6 Mrd. € taxieren bzw. auf 1,86 Mio. € je einzelne Apotheke.

Rechnet man jedoch die etwa 250 Sterillabor-Apotheken und den Versand heraus, verbleiben für die restlichen Apotheken noch etwa 32,4 Mrd. € bzw. 1,66 Mio. € (+3,9%) je einzelne "Normal-Apotheke", entsprechend einem GKV-Umsatzanteil von knapp 72%.

Fertigarzneimittel machen mit 30,1 Mrd. € oder 1,53 Mio. € je einzelne Apotheke (ohne Praxisbedarf) naturgemäß den größten Anteil am GKV-Umsatz aus. Die Impfstoffe umfassen davon im Jahr 2017 überschaubare 1,16 Mrd. € brutto bzw. rund 970 Mio. € netto, verabreicht in 35,2 Mio. Impfdosen – davon 12,4 Mio. Grippeimpfstoff-Einzeldosen als größte Gruppe. Mit 6,49 Mrd. € brutto spielen Onkologika (Fertigarzneimittel und Rezepturen ambulant, ohne Klinikmarkt) dagegen in einer ganz anderen Liga.

Die Preise der Packungen steigen im Durchschnitt wie seit Jahren weiter, diesmal um gut 2% auf etwa 45,70 € zum Apotheken-Nettoverkaufswert. Haupttreiber sind wie gehabt teure innovative Präparate.

Die Top-Präparate

Die 3.000 verordnungsstärksten Präparate (nunmehr inklusive rezepturmäßig eingesetzter Stoffe) decken den GKV-Arzneimittelmarkt zu 97,5% nach Menge und rund 89% nach Wert ab.

Mengenmäßig belegt nach den Schmerzmittel-Klassikern Ibuflam® und Novaminsulfon Lichtenstein der Wirkstoff Ramipril in Form von RamiLich® weiter den dritten Platz (Tabelle 1). Mit rund sechs Cent je Tagesdosis für die Krankenkassen ist Ramipril einer der billigsten Rx-Wirkstoffe überhaupt. Da spielen Präparate mit teils vierstelligen Tagestherapiekosten in einer ganz anderen Liga, auch wenn etliche, wie z.B. Actilyse® oder Berinert®, nur akut bzw. punktuell eingesetzt werden. Seltene Erkrankungen, wie Enzymmangelerkrankungen, sind ein weiteres Feld, in dem extrem hohe Tagestherapiekosten zu verzeichnen sind.

Nach absoluten Kosten führen immer noch die "Klassiker" aus der Welt der Antikörper die Listen an, Präparate wie Xarelto® oder das recht "junge" Eliquis® dringen jedoch in diese Hochkostendomäne ein. Neu in der Liste sind die rezepturmäßig eingesetzten Präparate Herceptin® und Avastin®.

Ärzte-Hitliste

209.466 Vertragsärzte (absolut +2.497 bzw. relativ +1,2%), davon 63.205 Zahnärzte (+1.304), stellten die Verordnungen aus. Die Zahl der reinen Hausärzte hat weiter um absolut 403 bzw. um relativ etwa 1% abgenommen, dafür sind die hausärztlich tätigen Internisten wieder deutlich mehr geworden (+508 bzw. +3,3%). In der Summe resultiert ein Plus von 105 hausärztlich tätigen Ärzten. Bei den sonstigen Fachärzten dominierten, wenn auch abgeschwächt, die Pluszeichen, diesmal wieder bei den Neurologen (+111 bzw. +5,4%, z.T. "Umschichtungen" von den Nervenärzten, deren Anzahl um 72 abgenommen hat), den Onkologen (+44 bzw. +4,1%), Orthopäden (+198 bzw. +2,8%), Pneumologen (+35 bzw. +2,7%) und den Gastroenterologen (+44 bzw. +2,6%). Geringe Zuwächse gab es auch in anderen Facharztdisziplinen (Tabelle 2).

Von einem Ärztemangel kann selbst angesichts der wachsenden Bevölkerung noch keine Rede sein. Vielmehr haben wir ein Verteilungsproblem und ein Stadt-Land-Gefälle, aber auch Konzentrationstendenzen (medizinische Versorgungszentren, Gemeinschaftspraxen) auf Kosten der Einzelpraxen in der Fläche. Die aufgeführten Arztzahlen spiegeln zudem nur die Vertragsärzte wider ("Kassensitze"). Angestellte Ärzte ohne Kassensitz, in stark wachsender Zahl in Praxen zu finden, sowie die reinen Privatpraxen bleiben hier außen vor.

Was verschreiben die Ärzte?

Neu im diesjährigen Arzneiverordnungs-Report ist, dass nunmehr die Rezepturen vollumfänglich in den Verordnungsdaten enthalten sind, was die teils erheblichen "Sprünge" erklärt (Tabelle 2). Das katapultiert die bereits bisherigen Rekordhalter, nämlich die Onkologen, in ganz andere Umsatzregionen: 3,86 Mio. € Brutto-Verordnungsvolumen je Arzt!

Für die typischen Offizin-Apotheken bleiben Allgemeinärzte und hausärztlich tätige Internisten am wichtigsten. Neben vergleichsweise guten Umsätzen führen sie die Liste der Verordnungszahlen und damit der ausgestellten Rezepte an, sprich: Sie sorgen für Frequenz mit einem breiten Indikations- und Bedarfsspektrum. Nervenärzte stellen ebenfalls eine beachtliche Zahl an zudem noch teuren Verordnungen (Durchschnittswert 104 € brutto) aus. Die ebenfalls verordnungsstarken Kinderärzte bewegen sich dagegen am anderen Ende des Preisspektrums (Durchschnittsverordnung von nur um 24 € brutto) – nicht zuletzt, da sie viele Non-Rx-Präparate verschreiben.

Der positive Trend bei den Haut- und Augenärzten setzt sich fort. Allerdings geht er vor allem auf steigende Verordnungswerte zurück, die Verordnungszahlen verändern sich dagegen nur wenig. Ähnliche Entwicklungen – weniger und teurer – finden sich bei vielen anderen Spezialärzten.

Viel relevanter als die Umsätze sind die Roherträge. Hier dominieren wieder die Hausärzte bzw. die hausärztlichen Internisten mit etwa 65.000 € bis gut 70.000 € Rohertrag aus der GKV. Interessanterweise bringen Nervenärzte bzw. Neurologen und auch Pneumologen ziemlich ähnliche Erträge ein, trotz viel höherer Umsätze. Demgegenüber fallen die klassischen Fachärzte (abseits von Hochverordnern wie Onkologen oder Nephrologen) mit regelhaft weniger als der Hälfte dieser Erträge weit ab. Orthopäden und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte liegen mit etwa 11.000 € bzw. 15.000 € am unteren Ende.

Grundsätzlich handelt es sich bei den Umsätzen um Bruttowerte vor Abzug von Rabatten und Mehrwertsteuer, nicht berücksichtigt sind Sprechstundenbedarf, Nicht-Arzneimittel sowie Privatverordnungen. Verrechnet man das, entsprechen die GKV-Bruttowerte vor Abschlägen meist in etwa dem Gesamt-Nettoumsatz des Arztes in der Apotheke.

Beachten Sie, dass dies alles Durchschnittszahlen sind, eben ohne die teils erheblichen Privatverordnungen oder Nicht-Arzneimittel (Hilfsmittelrezepte). Individuell streuen die Verordnungen je nach Patientenzahl ganz erheblich. Der beste Indikator dafür ist die "Scheinzahl" (= Fälle je Quartal) der einzelnen Praxis.

Zum Nachlesen

Schwabe, U., et al. (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2018, Springer-Verlag: Berlin 2018

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(22):4-4