Apothekenkunden kontra Apothekenpersonal

Wie aus dem Gegen- ein Miteinander wird


Karin Wahl

Welcher Apothekenleiter kennt es nicht, dass Kunden über unfreundliches Personal schimpfen? Die Gründe sind vielfältig – und nicht immer gerechtfertigt. Wir zeigen Ihnen, was Sie im Apothekenalltag für ein harmonisches Miteinander von Kunden und Personal tun können.

Häufig haben Kunden etwas am Verhalten des Apothekenpersonals auszusetzen. Schauen wir uns dazu einige Beispiele aus der alltäglichen Praxis an. Regelhaft – und gerechtfertigt – bemängelt wird hier unter anderem:

  • Kunden werden, wenn sie die Apotheke betreten, nicht wahrgenommen – geschweige denn begrüßt. Das gesamte Personal scheint mit "Wichtigerem" beschäftigt.
  • Obwohl zwar Stammkunde, kennt keiner den Namen.
  • Der Mitarbeiter schaut den Kunden nicht an, sondern blickt vielmehr nur auf den Bildschirm und sagt nichts.
  • Die Augen des Mitarbeiters bleiben kalt. Daran erkennt der Kunde, dass sein Gegenüber nur aufgesetzt lächelt.
  • Der Mitarbeiter telefoniert, während er das Rezept entgegennimmt und zu bearbeiten beginnt.
  • Der Mitarbeiter spricht so laut mit dem Kunden, als sei dieser schwerhörig. In der Folge bekommen alle mit, was (Vertrauliches) gesagt wird.
  • Der Mitarbeiter redet mit einem Kollegen über Privates, während er den Kunden bedient.
  • Der Mitarbeiter kommt nicht hinter dem Handverkaufs (HV)-Tisch hervor, um dem Kunden beim Suchen zu helfen, sondern "kommandiert" ihn vielmehr herum.

Diese Liste ließe sich beliebig verlängern – und trifft übrigens nicht nur spezifisch auf Apotheken zu.

Was Sie gegen das Fehlverhalten Ihrer Mitarbeiter tun können

Wie gehen Sie also nun vor, um ein solches Verhalten zukünftig zu verhindern? Zunächst: Seien Sie selbst auch im HV aktiv. Gehen Sie Ihren Mitarbeitern mit gutem Beispiel voran, und beobachten Sie sie gleichzeitig. Sollten Sie Verfehlungen wie die genannten erleben, müssen Sie die entsprechende Person sofort in Ihr Büro bitten. Das geht ausnahmsweise auch einmal einer vollen Offizin vor. Denn wenn Sie den Mitarbeiter erst später oder am nächsten Tag ansprechen, ist die Situation nicht mehr so präsent, und Sie würden auf Ihre Fragen hin nur Ausflüchte erhalten: Nur wer auf frischer Tat ertappt wird, gibt eine ehrliche Antwort.

Die nun folgende Unterhaltung müssen Sie sachlich und wohlwollend führen – egal wie sehr es in Ihnen brodelt. Denn nur so zeigen Sie echte Chefkompetenz.

Schließen Sie zunächst die Türe, um Diskretion zu wahren. Sprechen Sie den Mitarbeiter dann direkt an, z.B.: "Frau Grämlich, soeben habe ich beobachtet, dass Sie den Kunden Wohlgemut schnippisch und unkonzentriert bedient haben. Weder haben Sie 'Guten Tag' gesagt noch sich ihm zugewendet. Ein echtes Lächeln haben Sie auch nicht gezeigt, geschweige denn, dass Sie ihn beraten hätten. Und auch verabschiedet haben Sie sich nicht. Können Sie mir bitte erklären, warum dieser Bedienvorgang so verlaufen ist?"

Jetzt ist es an Ihrem Mitarbeiter, Farbe zu bekennen. Sie dürfen keine Ausflüchte zulassen. Denn schließlich müssen Sie wissen, was in Ihrem Betrieb abläuft. Immerhin stellt sich auch die Frage: Da sich der Mitarbeiter schon in Ihrer Gegenwart ein solches Verhalten erlaubt – wie sieht es dann erst aus, wenn Sie im Urlaub oder anderweitig nicht präsent sind?

Klären Sie im Gespräch also zunächst den Grund für das Verhalten des Mitarbeiters. Ursächlich könnte z.B. sein:

  • Vielleicht steht er unter Zeitdruck, weil der Personaleinsatz gerade während der Stoßzeiten schlecht geplant wurde oder weil ein Personalmangel bzw. ein Personalengpass herrscht: Wenn z.B. neben dem HV auch noch Aufgaben in der Rezeptur anstehen, versucht er, die Kunden "abzuhandeln" und lässt sich gar nicht erst auf ein Gespräch ein.
  • Er hat familiären Stress und ist deswegen mit dem Kopf nicht bei der Arbeit.
  • Er hat Stress mit einem Kollegen, der etwas falsch gemacht hat – und will das nebenher klären.
  • Vielleicht auch kann der Mitarbeiter den Kunden z.B. wegen Vorkommnissen in der Vergangenheit einfach nicht leiden.

Was immer im Einzelfall der Grund gewesen sein mag – Sie als Chef sind gefordert, dafür zu sorgen, dass sich Ihr Mitarbeiter zukünftig nicht mehr auf diese Art und Weise verhält.

Gerade bei privaten Problemen als Ursache erweist sich das häufig als schwierig. Hier müssen Sie sehr vorsichtig mit Ihren Mitarbeitern umgehen.

Auch bei großer Arbeitsbelastung und anstrengenden Beratungsgesprächen ist es nicht einfach, Ruhe und Gelassenheit zu bewahren. Hier sollten Sie Ihren Mitarbeitern – so möglich – immer mal wieder eine Pause im HV gönnen. Dies gilt insbesondere, weil die Beratung in der Offizin – dem Kommissionierer sei "Dank" – noch belastender ist als vor einigen Jahren. Denn so steht man heute oft nur auf einem Fleck. Beim Gang zum Ziehschrank hingegen hatte man früher zwischendurch die Gelegenheit, einfach einmal durchzuatmen oder eine heimliche Grimasse zu schneiden, um die Gesichtsmuskulatur zu entspannen. Derartige Relaxmomente entfallen, wenn Sie mit einem Kommissionierer arbeiten.

Grundsätzlich gilt: Erarbeiten Sie mit Ihrem Team Standards, die gegenüber den Kunden einzuhalten sind. Berücksichtigt werden sollten all jene Aspekte, die entweder Ihnen selbst bislang negativ aufgefallen oder die von Ihren Kunden bemängelt worden sind. Diese Standards sollten Sie unbedingt schriftlich festhalten, sichtbar an einem zentralen Ort aufhängen sowie bei Bedarf immer wieder ergänzen und aktualisieren.

Und wenn es nicht am Personal liegt?

Hin und wieder haben Kunden jedoch auch etwas am Verhalten des Personals auszusetzen, obwohl ihnen die Mitarbeiter dazu keinen Anlass geben. Wichtig ist auch hier, die Ursache für die Verärgerung herauszufinden.

Wenn Stress des Kunden der Grund für die Verärgerung sein sollte, wird sich der Kunde beim nächsten Mal wahrscheinlich wieder anders verhalten.

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass der Kunde schon wieder ein anderes Rabattarzneimittel erhält. Dann sollten Sie ihn, wenn er sich laut aufregt, "separieren" und ihm eine Sitzgelegenheit sowie etwas zu trinken anbieten. Anschließend gilt es, ihm zu erklären, dass Ihre Mitarbeiter ihm nichts Böses wollen, sie vielmehr dazu verpflichtet sind, ihm die verschriebenen Medikamente nach Vorgabe der Krankenkasse auszuhändigen.

Achten Sie grundsätzlich darauf, dass das ganze Team immer freundlich ist. Denn Freundlichkeit ist die schärfste Waffe gegen eine negative Stimmung. Niemand hält es lange durch, sich an jemandem "auszulassen", wenn der freundlich und verständnisvoll reagiert.

Wenn Sie merken, dass die Chemie zwischen einem bestimmten Mitarbeiter und einem bestimmten Kunden nicht stimmt, sollten Sie dafür sorgen, dass möglichst immer ein anderer Mitarbeiter diesen Kunden bedient – oder Sie übernehmen ihn sogar selbst.

Manch ein Kunde ist allerdings auch von Natur aus einfach ein "Streithammel". Wenn Sie ihn aber trotzdem – aus welchen Gründen auch immer – nicht verlieren wollen, notieren Sie einfach im Kundenkonto: "Bitte roten Teppich ausrollen!" Jeder, der diese Notiz liest, wird unwillkürlich lächeln müssen – und schon ist das Eis gebrochen.

Prinzipiell ist der Kunde zwar König. Wenn jedoch alle Stricke reißen, heißt es: Rückgrat zeigen! Und das sollten Sie nicht auf einen Mitarbeiter "abschieben", sondern selbst übernehmen. Klären Sie diese Situation, indem Sie den Kunden z.B. folgendermaßen ansprechen: "Lieber Herr Garstig, Sie sind bei uns schon lange Kunde. Aber offenbar schaffen wir es trotz größter Anstrengung nicht, Sie zufrieden zu stellen. Deswegen möchte ich Sie als Inhaber bitten, jemanden zu suchen, der Ihren Ansprüchen gerecht wird." So verlieren Sie zwar einen Kunden, gewinnen dafür aber in den Augen Ihres Teams und verbessern hiermit – last, but not least – auch das Betriebsklima.

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Unternehmensberatung e.K., 70195 Stuttgart, E-Mail: karin.wahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(22):10-10