Gar nicht so einfach …

Wir schreiben einen Wunschzettel


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Weihnachten steht vor der Tür – die Zeit für Wunschzettel. Dabei zeichnen sich viele Wünsche vor allem durch Vorfreude und Illusion aus. Und überraschend oft entzaubern sich selbst lange gehegte Wünsche, wenn sie in Erfüllung gehen. Manch einer träumt von einem tollen Sportwagen und erschrickt angesichts der laufenden Kosten sowie der diversen Zicken und Unzulänglichkeiten, wenn er den Wagen erst einmal hat. Ähnliches widerfährt gerne, wenn man das Traum-Urlaubsziel tatsächlich erreicht oder die ganz besondere Traum-Immobilie ihre Besonderheiten in voller Bandbreite entfaltet.

Das zeigt schon: Auch einen berufspolitischen Wunschzettels zu schreiben ist nicht ganz so einfach, erst recht nicht, wenn man an die Konsequenzen denkt. Das Auto kann man abstoßen, den Urlaub abhaken, mit der Immobilie am Bein wird es schon schwieriger. Eine vermaledeite Berufspolitik schließlich kann aber auf Jahrzehnte nachwirken und den Alltag in unterschiedlichsten Richtungen nachhaltig beeinflussen sowie massive Auswirkungen auf Zukunftssicherheit und Einkommen haben. Am Ende wird es möglicherweise existenziell. Würde man die vielen geschriebenen und gesprochenen Worte der letzten Monate auf unserem Wunschzettel verdichten, sähe dieser wohl so aus:

1. Rx-Versandverbot

2. Rx-Versandverbot

3. Rx-Versandverbot

4. Honorarerhöhung

Tatsächlich sollen wir ja eine Art Wunschzettel an den Gesundheitsminister schreiben. Ein solcher sagt übrigens viel über seine Verfasser aus: Sind die Vorstellungen vernünftig, realistisch und am Nutzen orientiert? Passen sie zu den bisherigen Wünschen? Sind sie mehrheitsfähig? Da kommt man schon ins Grübeln. Wurde noch vor nicht allzu langer Zeit der Heilberuf betont ("Perspektivpapier") und der Kaufmann verschmäht ("Den Apotheker als Kaufmann benötigt niemand!"), wird die Schrift nunmehr bereits zittrig, wenn nur der Wunsch "Impfen" auf die Liste soll. Eine Ansage der Ärzteschaft und ein paar wohlfeile betriebswirtschaftliche Bedenken, und schon ist der heilberufliche Niveau-Limbo eingeleitet. Zum Trost: Wir können ja beim Impfpass assistieren, ihn kontrollieren und gerne für lau in die Praxen nachtragen. Wenn die anhaltende berufsständische Verzwergung eines plastischen Beispiels bedurfte: Da ist es! So der Berufsstand hier schon einknickt, wie soll dann erst die Erschließung wirklich attraktiver Zukunftsmärkte aussehen? Das dürfte auch das Top-Thema Medikationsmanagement rasch auf den wachsweichen Boden unserer berufspolitischen Zukunftsfähigkeit zurückholen – spätestens wenn die Ärzte kraft ihrer Verordnungshoheit nur tief Luft holen, sollte es mal etwas zu verteilen geben. Es entbehrt in diesem Zusammenhang nicht einer gewissen Tragikomik, dass gerade die Apotheken in liberalisierten Märkten (ja, ganz böse …) wie der Schweiz, Großbritannien oder den USA deutlich weiter sind, was Aufgaben und Dienstleistungen angeht – weil es der Markt eben erzwingt? Daher hier ein alternativer Wunschzettel für das kommende Jahr:

1. Gestaltungsmöglichkeiten und Verhandlungsmacht erschließen. Etablierung einer kassenapothekerlichen Vereinigung mit Budgetverhandlungs- und Verteilungsmacht, Verankerung von Dienstleistungen im Sozialgesetzbuch V, Mitgliedschaft im Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA).

2. Aufwand und Bürokratie auf ein auch für typische Apotheken leistbares, sinnvolles Maß zurückführen und der Freude an der Arbeit einen neuen Stellenwert geben.

3. Voraussetzungen schaffen zur besseren kollegialen Kooperation und Bildung von leistungsfähigeren Zusammenschlüssen mit größeren fachlichen Profilierungsmöglichkeiten bei gleichzeitig höherer Lebensqualität für den Einzelnen (z.B. Partnerschaftsgesellschaften, vgl. Anwälte).

Wer etwas bewegen und seine Lage verbessern will, braucht Gestaltungsspielräume. Andernfalls wird er in der Rolle als Quasi-Bettler verharren, der bei den Politikern stets aus der Defensivposition um Almosen nachsucht. Wie ein Sprichwort aus Japan sagt: "Es genügt nicht, zum Fluss zu kommen mit dem Wunsch, Fische zu fangen. Du musst auch das Netz mitbringen."

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(22):19-19