Das etwas andere (Weihnachts-)Märchen

Von Fröschen, Störchen und falschen Ratgebern


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Es war einmal ein schöner Teich inmitten der Natur, reich beschenkt von Flora und Fauna. Obwohl sonst eher im Verborgenen lebend, machten die zahlreichen Frösche stets zur frühen Sommerzeit durch ihr lautes Quaken auf sich aufmerksam, um dann nach getaner Werbung in eigener Sache wieder ihrem eigentlichen Geschäft nachzugehen: Dem stillen Ruhen in Sehrohrtiefe und dem geduldigen Warten auf Mücken und Fliegen.

Doch diese schöne Idylle war schon längere Zeit getrübt. Die sich wenigstens im Winterhalbjahr ins wärmere Ausland zurückziehenden Störche und die ganzjährig aktiven, listigen Reiher hatten die Frösche mehr und mehr dezimiert. Guter Rat war teuer. So beschlossen die kleinen grünen Wassertiere, die kluge Eule als Ratgeber zu engagieren. Eulen scheuen das Wasser, jagen keine Frösche, und ihre großen gelben Augen sowie ihr scharfer Schnabel lassen auf Weisheit und Lebenserfahrung im Jagdmetier schließen. Nachdem eine Menge Mäuse als Lohn den Besitzer gewechselt hatten, überlegte die schlaue Eule lange. Schließlich kam dann ihr Rat: "Ihr Frösche müsst, wenn Ihr den Störchen und Reihern künftig entkommen wollt, unbedingt auch fliegen lernen!"

"Aber wie soll das denn gehen?", fragten die Frösche. Darauf die Eule: "Das ist doch nun wirklich Euer Problem! Ihr wolltet einen wirksamen Rat, und den habt Ihr von mir bekommen!" Sprach es und flog gesättigt von dannen. Die Frösche, nunmehr ärmer an Mäusen und keineswegs reicher an Wissen um die Beendigung ihrer Not, schauten betreten drein.

Da kam der listige Fuchs an den Teichrand: "Wenn Ihr Ruhe vor den Vögeln haben wollt, müsst Ihr einfach Euren angestammten Teich verlassen und umziehen! Nicht weit weg gibt es einen viel schöneren Teich, groß und reich an Mücken." Die Frösche wunderten sich – einen Gratis-Tipp von so einem schönen und schlauen Tier, den hatten sie nun wirklich nicht erwartet. Allerdings konnte der Fuchs nicht verbergen, dass er sich schon das Maul leckte, seine spitzen Zähne blickten hervor. Das war den an und für sich gutgläubigen und friedfertigen Fröschen dann doch Warnung genug.

Anderntags kam der mächtige Steinadler vorbei. Mit ihm hatten die Frösche kaum Probleme, jagte er doch nur an Land – und vor allem nach weitaus größerer Beute als nach den kleinen, grünen Fröschen. Zudem war er ebenfalls bekanntermaßen wasserscheu. So riskierten die Frösche also eine Frage an den Herrn der Lüfte, ihre Zukunftssorgen betreffend. Mürrisch betrachtete das starke Federtier die kleinen grünen Wesen, um zum Schluss zu kommen: "Was wollt Ihr schon mit so kleinen Plattfüßen ausrichten? Da gehören wehrhafte Krallen dran! Dann werden es sich Störche und Reiher schon reiflich überlegen, ob Sie Euch einfach so verschlucken!" Immerhin kam nicht wieder der Tipp mit dem Fliegenlernen. Aber wie sollte das mit den Krallen funktionieren?

Da hatte die Nachtigall gerade noch gefehlt. Einen Schluck aus dem Teich nehmend, rief sie den Fröschen ungefragt zu: "Ihr müsst melodischer quaken! Ihr solltet bei mir einfach mal ein paar Gesangsstunden nehmen! Vielleicht hören Euch dann die richtigen Ratgeber zu!"

Den Fröschen wurde immer mulmiger zumute. Offenkundig wollten alle an ihnen verdienen – oder sie gar gleich ganz verspeisen. Doch kaum jemand war an einer wirklichen Lösung ihrer Sorgen interessiert. Die Zeit drängte.

Da beschlossen die Frösche, innezuhalten und sich endlich auf ihre Stärken zu besinnen. Sie waren nun einmal Frösche – und keine Eulen oder Füchse. Aber sie hatten einen durchaus scharfen Blick. Fortan konzentrierten sie sich viel aufmerksamer auf die tiefen Stellen des Teiches und hielten gut zusammen. Weil sie nicht mehr nur munter drauflos quakten, sondern sich gezielt warnten und vernetzten, fiel es den Jägern viel schwerer, die flinker und tiefer abtauchenden grünen Zeitgenossen zu erwischen. Die Frösche fragten sich, warum sie nicht schon viel früher so gehandelt hatten. Aber immerhin: Bisweilen wird man ja doch aus Schaden klug.

Und das Ende der Geschichte? Die Frösche quaken immer noch munter – wenn auch aus immer weniger ausreichend großen und tiefen Teichen.

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(24):19-19