Kindergeld für volljährige Kinder

Wann gehört die Arbeit noch zur Ausbildung?


Helmut Lehr

Nach Abschluss einer Erstausbildung werden volljährige Kinder nur noch unter besonderen Voraussetzungen steuerlich berücksichtigt. Abgrenzungsprobleme bestehen insbesondere dann, wenn die "endgültige Ausbildung" eine längere praktische Tätigkeit voraussetzt.

Ist die erste Berufsausbildung(setappe) vorüber, können Sie weiterhin Kindergeld bzw. Kinderfreibeträge erhalten, wenn Ihr Sprössling das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und erneut für einen Beruf ausgebildet wird. Außerdem darf er in dieser Zeit keiner vollen Erwerbstätigkeit nachgehen. Jobs von bis zu 20 Wochenstunden sind allerdings "erlaubt". Zur erstmaligen Berufsausbildung zählt übrigens auch ein Erststudium.

Abschluss der Erstausbildung

Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium grundsätzlich abgeschlossen, wenn das "Kind" dadurch befähigt wurde, einen Beruf auszuüben. Lässt sich allerdings erkennen, dass das "Kind" sein angestrebtes Berufsziel noch nicht erreicht hat, kann auch eine weiterführende Ausbildung als Teil der Erstausbildung gewertet werden. Dann allerdings muss sie in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der nichtakademischen Ausbildung oder dem Erststudium stehen.

Ein enger sachlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die nachfolgende Ausbildung z.B. dieselbe Berufssparte oder denselben fachlichen Bereich betrifft. Ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht, wenn das "Kind" die weitere Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnimmt (vgl. Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 08.02.2016, Aktenzeichen: IV C 4 – A 2282/07/0001-01). In der Praxis ist die Rechtslage jedoch keineswegs eindeutig.

Beispiel: Weiterbildung zum Bankfachwirt

Jonas Müller (Jahrgang 1992) hat seine Berufsausbildung zum Bankkaufmann am 13.01.2014 erfolgreich abgeschlossen. Seit 14.01.2014 ist er als Sachbearbeiter in der Kreditabteilung einer Bank tätig (39 Wochenstunden). Im Sommer 2014 meldet er sich für das Wintersemester 2014/2015 (Beginn: 06.10.2014) bei der "Frankfurt School of Finance & Management" für die Teilnahme an der zweijährigen berufsbegleitenden "beruflichen Weiterbildung zum Bankfachwirt" an. Während des "Studiums" arbeitet er weiterhin 39 Stunden wöchentlich.

Die universitäre schriftliche Prüfung besteht er im Juli 2016. Im November 2016 absolviert er die staatliche Prüfung der Industrie- und Handelskammer (IHK) zum Bankfachwirt. Nach der mündlichen Prüfung im Januar 2017 erhält er mit Urkunde vom 28.02.2017 den Titel "Bankfachwirt Frankfurt School of Finance & Management".

Jonas' Mutter hat das Kindergeld nur bis einschließlich Januar 2014 erhalten. Sie vertritt allerdings die Ansicht, dass es ihr bis einschließlich Januar 2017 – also bis zum Zeitpunkt der mündlichen Prüfung – zustünde.

Einheitliche Ausbildung?

Im Beispiel würde sich der Kindergeldanspruch verlängern, wenn die Ausbildung zum Bankkaufmann und die Weiterbildung zum Bankfachwirt eine einheitliche Ausbildung darstellen. Dann würde es sich nämlich noch um die erste Ausbildung von Jonas handeln. Die Berufstätigkeit während des "Studiums" (>20 Stunden/Woche) stünde dem nicht entgegen.

Für einen verlängerten Kindergeldanspruch spricht die Tatsache, dass eine erfolgreich abgelegte Prüfung zum Bankkaufmann und eine mindestens zweijährige Berufspraxis Voraussetzungen sind, um zur Bankfachwirtprüfung zugelassen zu werden. Außerdem ist im Beispiel offenkundig, dass Jonas sein angestrebtes Berufsziel (Bankfachwirt) mit der bestandenen Prüfung zum Bankkaufmann noch nicht erreicht hatte.

Obwohl die obigen Ausführungen der Finanzverwaltung vermuten lassen, dass im Fall von Jonas' Werdegang bis zum Bankfachwirt insgesamt eine Erstausbildung vorliegt, wurde das Kindergeld in einem entsprechenden Fall nur bis zum Abschluss der Ausbildung als Bankkaufmann gewährt.

Das Niedersächsische Finanzgericht hat diese letzte Rechtsauffassung bestätigt (Urteil vom 15.03.2018, Aktenzeichen: 6 K 301/17). Danach ist eine praktische Berufstätigkeit in einem bereits erlernten Beruf – gerade wenn sie eine zwingende Voraussetzung für den Abschluss einer weiteren Ausbildung darstellt – keine Berufsausbildung. Ihr Beginn bildet vielmehr eine Zäsur zwischen zwei Ausbildungsabschnitten, ab der kein Anspruch mehr auf Kindergeld besteht.

Hinweis: Das Finanzgericht hat die Revision ausdrücklich zugelassen. Das Verfahren ist nunmehr beim Bundesfinanzhof anhängig (Aktenzeichen: III R 22/18). In vergleichbaren Fällen sollten Sie gegen ablehnende Kindergeldfestsetzungen vorsorglich Einspruch einlegen.

Positive Rechtsprechung

Wie verrückt das Steuerrecht ist, zeigt die Tatsache, dass das Niedersächsische Finanzgericht in einem ähnlichen Fall bereits zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden hat (Urteil vom 13.11.2017, Aktenzeichen: 1 K 115/17): Eine Bankkauffrau hatte am Bankkolleg der Genossenschaftsakademie ein Bankfachwirt-Studium aufgenommen. Dieses Studium wurde als Teil der Erstausbildung anerkannt.

Hinweis: Die beiden Urteile wurden von unterschiedlichen Senaten des Finanzgerichts gefällt. Die feinsinnigen Unterscheidungen in den Urteilsgründen sind für den Otto-Normal-Bürger kaum nachzuvollziehen. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesfinanzhof hier alsbald für Klarheit sorgt. Bis dahin sollten Sie die Flinte nicht zu früh ins Korn werfen!

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(24):16-16